Politik

Schillerndste Figur im Schuldenstreit Cantor ärgert Obama

Eric Cantor

Eric Cantor

(Foto: dpa)

Ein Mann bringt US-Präsident Obama und seine Demokraten zur Weißglut: Eric Cantor wehrt sich vehement gegen eine Erhöhung des Schuldenlimits und steuert die USA damit nahe an den Rand des Chaos. Der Fraktionsführer der Republikaner im Kongress schart die radikale Tea Party um sich und könnte sich damit zum ersten Mann in der Partei mausern.

Am späten Abend des 13. Juli hatte Eric Cantor seine Karten überreizt. "Genug ist genug", raunte Präsident Barack Obama und stürmte aus dem Kabinettszimmer im Weißen Haus. Zwei Stunden lang hatten die beiden Männer mit Republikanern und Demokraten über eine Lösung im Schuldenstreit beraten. Ein Kräftemessen, bei dem Cantor den Präsidenten reizte, ihn unter Druck setzte und immer wieder unterbrach, bis der aufgebrachte Obama dem Treffen ein jähes Ende setzte.

Da war die Stimmung noch entspannt: Cantor (l.) und Obama (4. v.l.) beim Fototermin.

Da war die Stimmung noch entspannt: Cantor (l.) und Obama (4. v.l.) beim Fototermin.

(Foto: dpa)

Die Demokraten gaben den Fraktionschef der Republikaner im Kongress danach zum Abschuss frei. Senator Harry Reid, als Sprecher der demokratischen Mehrheit im Senat eines der Schwergewichte der Partei, kanzelte Cantor als "kindisch" ab. Ein Berater von Obama wetterte, Kongress-Sprecher John Boehner solle seinen Parteikollegen zügeln und dafür sorgen, dass "die Erwachsenen ihre Arbeit machen können". Auch wenn Cantor bestreitet, den Präsidenten provoziert zu haben: Der Vorfall im Weißen Haus manifestiert den Ruf des 48-Jährigen, den die US-Medien als aggressiven "Glaubenskrieger" oder "Drama-Queen" bezeichnen.

Cantor verkörpert in der Auseinandersetzung um das US-Schuldenlimit die starre Haltung vieler Republikaner. Den Parteien bleiben nur noch wenige Tage, um den Kreditrahmen des Landes zu erhöhen. Sonst droht ab Anfang August die Zahlungsunfähigkeit der USA, ein Horrorszenario nicht nur für Washington, sondern für die globale Wirtschaft. Die Ratingagenturen könnten die Staatspapiere herabstufen, die Finanzwelt sähe sich einem Wirbelsturm ausgesetzt, der die griechische Katastrophe wie einen lauen Sommerwind aussehen ließe.

Der Buhmann der Demokraten

Cantor und seine Mannen scheint das nicht zu beeindrucken. Eine Erhöhung des Schuldenlimits komme nicht in Frage, stattdessen wirbt er für die Verabschiedung eines umfangreichen Sparpaketes. Sein Programm liest sich wie die Blaupause der jungen Republikaner, die durch die Erfolge der radikalen Tea-Party-Bewegung in die Spitze der Partei gespült wurden: Cantor will Sozialleistungen radikal kürzen und die Steuern für kleine, aber auch die ganz großen Firmen senken. Jegliche Beschränkungen für die Unternehmen sollen fallen – die Auflagen der ungeliebten Umweltbehörde sind der Tea Party ein besonders dicker Dorn im Auge.

Auch wenn dieses staatsfeindliche Mantra in weiten Teilen der US-Bevölkerung Zustimmung findet, endet das Verständnis beim strikten Nein zur dringend benötigten Anhebung der Schuldengrenze. Stürzen die USA nach dem 2. August wirklich ins Chaos, sähen die Wähler die Schuld mehrheitlich bei den Republikanern, ergaben Umfragen. Die Demokraten reiben sich die Hände, ein besseres Feindbild als den unnachgiebigen Cantor hätten sich selbst die "Spin Doctors" der Partei nicht ausdenken können. Der Lautsprecher ließ es sich selbst in einer Stunde der nationalen Trauer nicht nehmen, den harten Hund zu markieren: Die Opfer der sollten so lange keine finanzielle Hilfe erhalten, bis die Demokraten den Betrag eingespart hätten.

Auf dem Weg an die Spitze

Noch steht Cantor in der Hackordnung hinter Boehner.

Noch steht Cantor in der Hackordnung hinter Boehner.

(Foto: AP)

Die US-Medien quellen in diesen Tagen schier über vor Psychogrammen über den Mann aus Virginia. Die Frage, die Experten und Laien umtreibt, ist immer dieselbe: Warum riskiert dieser Mann den totalen Blackout der USA? Das konservative "Wall Street Journal" unterstellte ihm finanzielle Motive. Cantor, berichtete das Blatt, halte 15.000 Dollar in einem Fonds, der auf sinkende Preise für Staatsanleihen wette. Seit der Republikaner vor ein paar Wochen Gespräche mit Vizepräsident Joe Biden über die Beilegung der Krise abbrach, stiegen die Werte des Fonds um 3,3 Prozent.

Viel wichtiger dürfte ihm aber die öffentliche Aufmerksamkeit sein. Cantors persönliche Ambitionen sind schwer zu übersehen. Seit 2000 im Kongress, stieg er sehr schnell in der Hierarchie der Republikaner auf, diente lange Zeit als parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion – eine Position, die in den USA als "whip", als Einpeitscher, bezeichnet wird. Angeblich soll John McCain den 48-Jährigen sogar als Vize-Präsidenten ins Auge gefasst haben, bevor er sich für Sarah Palin entschied. Er selbst sieht sich als Führungsfigur der rund 80 jungen Republikaner, die durch das Erstarken der Tea Party bei den Wahlen 2010 in den Kongress einzogen.

Cantor, so sieht es derzeit aus, hat sich im Schuldenstreit das Feld für seine Zukunft bestellt - auch wenn er diese erste Schlacht wahrscheinlich verlieren wird. Präsident Obama verhandelt derzeit nur noch mit John Boehner, ein Kompromiss rückt näher. Der Sprecher des Repräsentantenhauses gehört zu den Veteranen bei den Republikanern, die trotz aller rhetorischen Schärfe staatstragend genug sind, um kurz vor dem Abgrund einzulenken. Bei den nächsten Wahlen könnte genau dieses Verhalten den Altgedienten auf die Füße fallen. Die Vertreter der Tea Party könnten, ohne einen politischen Preis für ihre Standfestigkeit in der Schuldenfrage gezahlt zu haben, die gemäßigten Republikaner aus ihren Ämter drängen. Eric Cantor stünde dann in der ersten Reihe der Partei. Als vehementer Verfechter einer konservativen Politik, mit aggressivem Stil und Schneid, aber ohne die peinlichen Ausfälle einer Sarah Palin oder Michele Bachmann. Dann stünden womöglich weitere Duelle mit Präsident Obama an.

Quelle: ntv.de

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