Hardliner wird Parteichef Ciotti führt Frankreichs Konservative an
11.12.2022, 20:53 Uhr
Eric Ciotti gewinnt das Rennen um den Parteivorsitz gegen Bruno Retailleau.
(Foto: picture alliance / abaca)
Die konservativen Republikaner in Frankreich haben einen neuen Vorsitzenden: Der 57-jährige Eric Ciotti soll die Partei nach ihrem enttäuschenden Abschneiden bei der Präsidentschaftswahl aus der Krise herausholen. Einige seiner Kritiker halten ihn für rechtsextrem.
Vor gut zehn Jahren stellte die französische Rechte noch den Präsidenten, heute kämpft die Partei Les Républicains um ihr Überleben. Der neue Parteichef Eric Ciotti will den Republikanern nun wieder Schwung verleihen. Er setzte sich in der Stichwahl gegen den Senator Bruno Retailleau mit 53,7 Prozent der Stimmen durch. Die etwa 91.000 Parteimitglieder hatten damit die Auswahl zwischen zwei sehr ähnlichen Profilen des stark konservativen Parteiflügels. Der bisherige Vorsitzende der Partei von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, Christian Jacob, war Ende Juni zurückgetreten.
Der 57 Jahre alte Ciotti gehört zum politischen Urgestein seiner Partei, die er im Unterschied zu zwei anderen republikanischen Präsidentschaftkandidaten nie verlassen hat. Im Wahlkampf für den Parteivorsitz setzte er auf die klassischen Themen der Ultrarechten: Einwanderung, Sicherheit und Abgrenzung zum liberalen Lager von Präsident Emmanuel Macron.
Ciotti versuchte außerdem, die Parteimitglieder mit einem Doppelpack zu überzeugen: Mit ihm an der Parteispitze bekämen sie zugleich Laurent Wauquiez, Chef der Region Auvergne-Rhône-Alpes, als künftigen Präsidentschaftskandidaten. "Du bist die natürliche Hoffnung der Rechten (...), ich werde Dir helfen, damit sich diese Erfahrung konkretisiert", sagte Ciotti bei einem gemeinsamen Auftritt.
Aus Mentor wird Rivale
Damit hatte Ciotti erneut seine Rolle als "ewiger Zweiter" bekräftigt, in der seine Kritiker ihn gefangen sehen. Der Sohn eines italienischen Einwanderers war mit 16 Jahren in die Vorgängerpartei der Republikaner eingetreten, die damals noch RPR hieß und eine Volkspartei war. Im Schatten von Christian Estrosi, des heutigen Bürgermeisters von Nizza, begann er seine politische Karriere. Ihm diente er als parlamentarischer Mitarbeiter, Büroleiter, Wahlkampfmanager. Estrosi half ihm auch, sich 2008 zum Chef des Départements Alpes-Mairitimes wählen zu lassen. Mit den Jahren wurde aus dem politischen Mentor ein bitterer Rivale. Seit Jahren sprechen beide Politiker nicht mehr miteinander. Während Estrosi sich politisch dem Macron-Lager annäherte, suchte Ciotti die Nähe zum rechtspopulistischen Rassemblement National.
Vergeblich versuchte er, für die Republikaner als Präsidentschaftskandidat gegen Macron anzutreten. Doch in der internen Stichwahl unterlag er der Regionalchefin von Ile-de-France, Valérie Pécresse, die auf nicht einmal fünf Prozent der Stimmen kam.
"Ciotti flirtet nicht mit dem Rechtsextremismus, er ist mittendrin"
Ein Teil der Wähler sei zu den Rechtspopulisten übergelaufen, die müsse man zurückholen, so rechtfertigte Ciotti seine Nähe zur Partei von Marine Le Pen. Auf die Frage, was ihn vom Rassemblement National unterscheide, antwortete er im April 2021: "unsere Fähigkeit, zu regieren".
"Ciotti flirtet nicht mehr mit dem Rechtsextremismus, er ist mittendrin", zitierte die linke Zeitung "Libération" einen ungenannten ehemaligen Parteigenossen Ciottis. Tatsächlich hatte der rechtsextreme Präsidentschaftskandidat Eric Zemmour demonstrativ darauf verzichtet, bei der Parlamentswahl im Juni einen eigenen Gegenkandidaten zu Ciotti aufzustellen.
In seiner langen Zeit als Abgeordneter schaffte Ciotti es einmal, ein Gesetz mit seinem Namen verabschieden zu lassen. Es sah vor, Eltern von Schulschwänzern die Sozialhilfe zu kürzen und wurde nach drei Jahren wieder abgeschafft.
Ciotti tritt unter anderem dafür ein, die christlichen Wurzeln Frankreichs in die Verfassung zu schreiben. Auch die Rückkehr zur Wehrpflicht hält er für sinnvoll, wobei das Investigativblatt "Canard Enchaîné" herausfand, dass Ciotti selbst auf die Hilfe befreundeter Politiker gesetzt hatte, um nicht zur Armee zu müssen.
In der aktuellen Legislaturperiode hat Ciotti Schlagzeilen gemacht, als er eine Krawattenpflicht in der Assemblée Nationale forderte. Der Aufruf wurde umgehend von fast allen weiblichen Abgeordneten des Linksbündnisses Nupes befolgt.
Quelle: ntv.de, hul/AFP