Kroatien ist der 28. Mitgliedsstaat Der Hinterhof Europas kommt in die EU
01.07.2013, 10:22 Uhr
In der Nacht feierte Kroatien seinen Beitritt.
(Foto: dpa)
Vor wenigen Jahren war Kroatien noch im Krieg, die Menschen dort haben Schlimmes erlebt. Jetzt befindet es sich in einer heftigen Rezession. Hat die Europäische Union nicht Besseres zu tun, als ein solches Land aufzunehmen?
Wer sich mit der Geschichte Südosteuropas beschäftigt, kommt oft ins Stocken. Kaum ein Kapitel gibt es, in dem nicht eine Vertreibung oder ein Völkermord vorkommt. Als "Hinterhof Europas" wurde die Region oft beschrieben, als "Spielball" zwischen Großmächten. Es ist erst 20 Jahre her, dass durch grenzenlose Gewalt zehntausende Serben, Kroaten und Bosniaken starben.

De Balkanstaaten bilden bisher eine Lücke in der Europäischen Union. In der Karte sind dunkelgelb die Beitrittskandidaten markiert. Den hellgelb markierten Staaten stellt die EU diesen Status offiziell in Aussicht.
Nun wird mit Kroatien das erste der damals in den Krieg verwickelten Länder Mitglied in der Europäischen Union. Ist das richtig? Die Antwort fällt nicht leicht, weil es für beide Seiten gute Argumente gibt.
Die Wirtschaftsdaten machen skeptisch: Das Land hat Jahre des wirtschaftlichen Abschwungs hinter sich, die Ratingagenturen stufen seine Staatsanleihen als hoch spekulativ ein, es gibt Entwicklungsländer, die bei der Bekämpfung von Korruption weiter vorangekommen sind als Kroatien. Insgesamt ist seine wirtschaftliche Kraft bestenfalls auf den Niveau der Krisenländer Spanien, Italien oder Portugal. Bei Bulgarien und Rumänien erscheint Vielen der EU-Beitritt im Nachhinein verfrüht gewesen zu sein, weil beide noch zu sehr mit Ineffizienzen und Korruption zu kämpfen haben.
Vor 20 Jahren noch im Krieg
Dazu kommen ungeklärte Konflikte in Kroatien. Die große serbische Minderheit klagt über Diskriminierung durch Kroaten. In mehrheitlich von Serben bewohnten Orten ist es umgekehrt. Das sind die Nachwehen eines brutalen Krieges, in dem Nachbarn zu Feinden wurden, einander vertrieben, vergewaltigten oder töteten.
Gleichzeitig gehört dieses Land kulturell zur Mitte Europas. An der atemberaubend schönen Küste ließen sich schon die alten Römer nieder, was in Städten wie Pula, Split und Dubrovnik noch deutlich zu sehen ist. Wer als Tourist durch die Hauptstadt Zagreb läuft, kann die Spuren des österreichisch-ungarischen Reiches nicht übersehen. Heute orientiert sich das Land kulturell in Richtung Deutschlands und Österreichs.
Schwerer wiegt aber der Weg, den Kroatien in den letzten 15 Jahren hinter sich gebracht hat: Das Land war eine Kriegspartei, seine Regierung und seine Soldaten waren für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Nun beteiligt es sich an der Aufklärung der Verbrechen von damals.
Der Balkan war uns schon immer nahe
In Kroatien hat funktioniert, was sich viele auch von der Türkei erhoffen: Die Aussicht auf einen Beitritt hat das Land zu Anstrengungen und Reformen motiviert. Gemeinsam mit Kroatien klopfen weitere Balkan-Staaten an die Tür der EU: Serbien, Montenegro und Mazedonien sind bereits Kandidaten, Bosnien, Kosovo und Albanien wurde der Status in Aussicht gestellt. Slowenien, das vom Krieg weitgehend verschont geblieben war, ist bereits seit 2004 Mitglied. Die Aussicht, zum Staatenbund der EU zu gehören, hilft diesen Ländern dabei, die Kriegsfeindschaft zu überwinden.
Südosteuropa ist eine Region, die uns schon immer nahe war. Wir haben das gerne verdrängt, als die Völker dort übereinander herfielen. Auf dem Balkan kann die EU nun vollenden, wofür sie gegründet worden ist: einen Kontinent des Friedens zu schaffen.
Quelle: ntv.de