Politik

Viel Ungemach vermieden Der bequeme Tod des Diktators

Der libysche Ex-Diktator ist tot, die Libyer jubeln und der Westen ist erleichtert. Den Revolutionären bleibt ein schwieriger Prozess erspart - und Gaddafis Geschäftspartnern die Peinlichkeit, ein Verfahren erleben zu müssen, in dem sie als Helfershelfer hätten belangt werden müssen.

Gaddafi wurde lange hofiert (ein Klick auf das Bild zeigt weitere Freunde des Operetten-Diktators).

Gaddafi wurde lange hofiert (ein Klick auf das Bild zeigt weitere Freunde des Operetten-Diktators).

(Foto: dpa)

Die Einigkeit ist groß: Für die weitere Entwicklung in Libyen sei Muammar al-Gaddafis Tod besser. "Der große Vorteil" sei, dass nun kein Gerichtsverfahren stattfinden müsse, sagte Günter Meyer, Leiter des Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt an der Universität Mainz im Deutschlandfunk. Ähnlich äußerte sich auch der Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, Volker Perthes. Würde Gaddafi noch leben, hätte man in Libyen nicht genau gewusst, was man mit ihm machen sollte, so Perthes.

Ein Tribunal, das Gaddafi Raum gibt für die stundenlange Erklärung seiner Sicht auf die Welt, konnte am Ende kaum jemand wollen. Zumal sich sofort die Frage gestellt hätte, wer ein Urteil über Gaddafi fällen soll. Libyen wäre nach Jahrzehnten der Diktatur kaum selbst zur Umsetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens in der Lage gewesen. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hatte zwar bereits einen Haftbefehl gegen Gaddafi ausgestellt, doch die Prozesse in den Niederlanden erwiesen sich bislang als quälend lange Veranstaltungen mit wenig Erkenntnisgewinn - auch wenn klar ist, dass die Tatsache, dass schon während ihrer Amtszeit fürchten müssen, für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen zu werden, nicht hoch genug geschätzt werden kann.

Die Rebellen feiern Gaddafis Tod.

Die Rebellen feiern Gaddafis Tod.

(Foto: dpa)

Trotzdem wäre ein solcher Prozess für die Rebellen im sich rasant verändernden Libyen wahrscheinlich unbefriedigend geblieben - wenngleich Mitglieder des Übergangsrates immer wieder betonten, das sei ihr Ziel. Den Gräueltaten aus 42 Jahren steht nun ein blutiger Racheakt gegenüber. Bei vielen mag der Tod des Tyrannen Genugtuung erzeugen. Immerhin ist mit Gaddafis Tod die Angst, er könne am Ende doch noch den Sieg davontragen, ein für allemal besiegt. Selbst als die Rebellen bereits große Teile des Landes unter ihrer Kontrolle hatten, geisterten noch Szenarien durch die Welt, die eine Exillösung oder einen Rücktritt Gaddafis beinhalteten.

Westen atmet auf

Erleichterung dürfte jedoch vor allem bei vielen westlichen Regierungen herrschen. Immer wieder wären die Bilder gezeigt worden, wie Gaddafi die Mächtigen dieser Welt im Beduinenzelt willkommen heißt. Ob der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder, der britische Premier Tony Blair, Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy oder Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi - gegen Gaddafis Öl tauschten sie nur zu gern ihre Skrupel in Menschenrechtsfragen ein. Wahrscheinlich hätten sie sich nun fragen lassen müssen, was sie in all den Jahrzehnten davon abgehalten hat, den Diktator an seinem blutigen Treiben gegen das eigene Volk zu hindern.

In einer Videokonferenz sind sich Obama, Merkel, Cameron und Sarkozy nun ihrer Einschätzung einig.

In einer Videokonferenz sind sich Obama, Merkel, Cameron und Sarkozy nun ihrer Einschätzung einig.

(Foto: dpa)

Es wäre in der Tat nicht ganz einfach zu erklären gewesen, warum der britische und der US-Auslandsgeheimdienst sogar noch Informationen über libysche Oppositionelle im Exil an Gaddafis Geheimdienst weitergegeben haben, wie es Unterlagen aus dem Büro des ehemaligen libyschen Außenministers Mussa Kussa belegen. Kussa wiederum war eine halbe Ewigkeit an Gaddafis blutigem Treiben beteiligt und wurde dennoch in London herzlich willkommen geheißen, als er das sinkende Schiff gerade noch rechtzeitig verließ.

CIA plante Folterzentrale in Libyen

Auch die Nutzung Libyens als "Verhörstation" für Terrorverdächtige wirft kein gutes Licht auf die westlichen Geheimdienste wie den CIA. Niemand kann daran gezweifelt haben, wie diese Verdächtigen verhört wurden. Dass dabei brutale Foltermethoden zum Einsatz kommen, wurde nicht nur billigend in Kauf genommen, sondern regelrecht bestellt. Bis 2004 war gar eine eigene CIA-Folterzentrale in Libyen im Gespräch, um das erfolgreiche Modell voll auszureizen.

Den guten Beziehungen zum Westen verdankt Gaddafi wahrscheinlich ein längeres Leben. Einen 1986 unter Präsident Ronald Reagan als Vergeltung geflogenen US-Bombenangriff soll er nur deshalb überlebt haben, weil ihn der ehemalige italienische Ministerpräsident Bettino Craxi und der ehemalige maltesische Ministerpräsident Karmenu Mifsud Bonnici gewarnt hatten. Von dort bis zur Versicherung tiefer Freundschaft war es für Berlusconi dann später auch nicht mehr weit. "Sic transit gloria mundi" - so vergeht der Ruhm der Welt - mit diesen Worten zitierte die italienische Nachrichtenagentur Ansa Regierungschef Berlusconi nach Gaddafis Tod.

Jetzt können London, Paris, Washington und auch Berlin und Rom ihre Rolle bei Gaddafis Vertreibung hervorheben, das libysche Volk loben und in eine gemeinsame Zukunft schauen, in der das libysche Öl und gute Geschäfte noch immer eine wesentliche Rolle spielen. Auch wenn kaum jemand gern bei Lynchjustiz zuschaut - im Umgang mit entmachteten Diktatoren ist sie nicht nur ein probates, sondern auch ein nützliches Mittel.

Quelle: ntv.de

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