Sarkozy ordnet Schweigeminute an Entsetzen über Morde in Toulouse
19.03.2012, 11:49 Uhr
Die Staatsanwaltschaft geht von Terrorakten aus: Im Süden Frankreichs mordet ein Unbekannter von einem Motorroller aus Soldaten, zuletzt schießt er vor einer jüdischen Schule in die Menge. Das Land ist erschüttert. Präsident Sarkozy spricht von einer nationalen Tragödie, die Sozialisten unterbrechen den Wahlkampf.
Die französische Justiz geht im Zusammenhang mit den tödlichen Schüssen von Toulouse und Montauban im Süden Frankreichs offenbar von einem terroristischen Hintergrund aus. Die Ermittlungen gehen in diese Richtungen, hieß es. Die Staatsanwaltschaft von Paris, die für Terrorismus zuständig ist, nahm nach eigenen Angaben in allen drei Fällen Ermittlungen auf, wie Staatsanwalt François Molins mitteilte. Es gehe um "Mord und versuchten Mord im Zusammenhang mit einer terroristischen Vereinigung".
Der letzte Übergriff ereignete sich vor einer jüdischen Schule in Toulouse. Dabei kamen insgesamt vier Menschen ums Leben. Unter den Toten seien drei Kinder, so die Staatsanwaltschaft. In ersten Berichten war von drei Toten und zwei Verletzten die Rede gewesen.
Ein Unbekannter eröffnete vor der Schule das Feuer auf eine Gruppe Schüler und Erwachsene und floh Augenzeugen zufolge auf einem schwarzen Motorroller. Der Täter habe "auf alles" geschossen, was sich bewegte, so die Staatsanwaltschaft. Bei den Todesopfern handelt es sich laut Augenzeugen um einen Lehrer und seine beiden Kinder. Über das vierte Opfer liegen keine Erkenntnisse vor. Die Tochter des Direktor soll verletzt worden sein.
Bisherige Opfer waren Armeeangehörige
In Toulouse war vor gut einer Woche ein Fallschirmjäger von einem Unbekannten erschossen worden, der auch mit einem Motorroller unterwegs gewesen war. Wenige Tage später waren im 50 Kilometer entfernten Montauban zwei weitere Fallschirmjäger ebenfalls von einem Motorrollerfahrer erschossen worden. Ein weiterer Soldat schwebt in Lebensgefahr. Das Kaliber der Waffe, die bei den Schüssen auf die Schule und der Waffe, die bei den beiden Anschlägen auf Soldaten verwendet wurde, stimmt überein. Ob diesselbe Waffe abgefeuert wurde, ist unklar. Die Staatsanwaltschaft geht aber davon aus, das es sich um denselben Täter handelt.
Erwiesen ist ein Zusammenhang zwischen den beiden ersten Vorfälle aus der vergangenen Woche. Die Schüsse stammen den Ermittlungen zufolge aus derselben Waffe. Die Polizei suchte in den vergangenen Tagen intensiv nach dem Täter. Die Armee wies die Soldaten an, nur noch in Zivil die Kasernen zu verlassen und verstärkte die Kontrollen.
Wegen der Mordanschläge auf die Soldaten wurde eine Sonderkommission eingerichtet. Die drei Getöteten sollen nordafrikanischer Abstammung sein; das noch in Lebensgefahr schwebende vierte Opfer ist ein Franzose schwarzer Hautfarbe von der Karibikinsel Guadeloupe.
Jüdische Einrichtungen werden stärker überwacht
Wenige Stunden nach dem Anschlag in Toulouse ist Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy in der Stadt eingetroffen. In einer ersten Reaktion, die im TV ausgestrahlt wurde, sprach Sarkozy von einer "nationalen Tragödie". Für diesen Dienstag ordnete er eine Schweigeminute zum Gedenken an die getöteten Kinder in allen Schulen des Landes an. "Es sind unser aller Kinder", betonte der konservative Politiker. "Die gesamte französische Republik ist berührt von diesem entsetzlichen Drama."
Auch der sozialistische Präsidentschaftskandidat François Hollande kündigte an, aus "Solidarität" in die Stadt reisen zu wollen. Die Sozialisten unterbrachen ihren Wahlkampf, "um der Opfer zu gedenken". Innenminister Claude Guéant will ebenfalls noch am Vormittag in die südfranzösische Stadt fahren. Die französische Regierung ordnete nach der Tat eine verschärfte Überwachung aller jüdischen Schulen im Land an.
Der Bürgermeister der südfranzösischen Stadt, Pierre Cohen, geht von weiteren Taten aus und verwies auf die Kaltblütigkeit des Täters bei den Anschlägen in Toulouse und dem 50 Kilometer entfernten Montauban. "Wir sind extrem beunruhigt", sagte er. Es gelte, den Täter schleunigst dingfest zu machen. Derartige Anschläge auf Schulen habe es in Frankreich bisher nicht gegeben. "Das ist der Horror", sagte Cohen, der von einer "großen Traurigkeit" sprach.
Erinnerungen an Attentate aus 80er Jahren
Die tödlichen Schüssen vor einer jüdischen Schule in Südfrankreich wecken in Frankreich traurige Erinnerungen an frühere Anschläge. Am 3. Oktober 1980 war im Zentrum von Paris eine Bombe explodiert, die in einer Satteltasche eines Motorrades versteckt war. Bei dem Anschlag vor der Synagoge starben drei Franzosen und eine junge Israelin, neun Menschen wurden verletzt.
Entsetzen löste weltweit auch das Attentat auf das jüdische Restaurant Goldenberg in Paris aus, bei dem am 9. August 1982 sechs Menschen getötet und 22 verletzt wurden. Mit einer Maschinenpistole hatten die Täter unterschiedslos auf die anwesenden Gäste und Angestellten gefeuert, nachdem vor dem Lokal eine Handgranate gezündet worden war.
Quelle: ntv.de, jog/AFP/dpa