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Epstein! Bondi? Maxwell! Trump wirft Blendgranaten, Johnson blockiert Kongress

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Thema wegschieben, Thema entschärfen? US-Präsident Donald Trump

Thema wegschieben, Thema entschärfen? US-Präsident Donald Trump

(Foto: REUTERS)

Der mediale Sturm um Sexualstraftäter Epstein hat das Weiße Haus, die US-Regierung und den Kongress in eine Krise gestürzt. Die versuchen es mit bislang ergebnislosem Aktionismus. Präsident Trump soll die Zügel in dem Fall tunlichst nicht aus der Hand geben.

Die Krise im Fall Epstein ist in eine neue Phase eingetreten. Die US-Regierung gibt sich nach außen äußerst geschäftig und bemüht, hat aber weiterhin keine Ergebnisse oder Informationen aus den Dokumenten um den 2019 in Haft verstorbenen, zuvor in höchsten gesellschaftlichen Sphären vernetzten Sexualstraftäter offengelegt. Zugleich versuchen hochrangige Republikaner im Kongress, den Präsidenten über die Sommerpause zu bringen. Und Donald Trump selbst? Der schweigt größtenteils zum Thema und schmeißt stattdessen eine Blendgranate nach der anderen in die Medien. Für die Kongresswahlen im kommenden Jahr sowie einen möglichen Nachfolger Trumps dürfte es wichtig sein, dass die Wählerbasis nicht auseinanderbricht.

Es ist das erste Mal in Trumps zweiter Amtszeit - womöglich überhaupt - dass sein Weg und der seiner Basis nicht übereinstimmen. Seine Beschimpfungen der eigenen zweifelnden Anhänger als "Idioten", deren Unterstützung er nicht mehr wolle, ist ein Risiko: Der Präsident stellt mit seinem Verhalten zentrale Glaubenssätze seiner Unterstützer infrage. Glaubenssätze, die ihn jahrelang und scheinbar unverbrüchlich mit ihnen verbunden haben. Entsprechend schwierig ist es für die US-Regierung, das Thema totzuschweigen. Also versucht sie es mit Aktionismus.

"Make America Great Again", das bedeutet für einen Teil seiner Unterstützer auch einen Tabula-Rasa-Moment für die Eliten, die Teil eines Kindervergewaltiger-Netzwerks sind, die massenhaft festgenommen werden. Der Nexus dieses Netzwerks davon soll Epstein gewesen sein. Und der Held, der es mit diesem "tiefen Staat" aufnehmen sollte, war oder ist Trump. Daran glaubten die Anhänger der QAnon-Bewegung in ihren Verschwörungstheorien schon lange. In den vergangenen Jahren haben sie sich mit dem Mainstream rechts der politischen Mitte vermischt. Werden Trumps MAGA-Bewegung und die Verschwörungstheorien im Fall Epstein auseinandergerissen, dürfte es für die Republikaner politisch schmerzhaft werden.

Rund ein Fünftel glaubt an den "Sturm"

Manche haben in Trump einen Messias gesehen, der die Beteiligten entlarven sollte, was sie als "Der Sturm" bezeichnen. In dieser Vorstellung würden Massenverhaftungen endlich Gerechtigkeit bringen und zu einem "Großen Erwachen" führen. Der "tiefe Staat" würde für alle enthüllt. Die Bewegung lockte potenzielle Anhänger mit dem Ziel an, Kinder schützen zu wollen. Diejenigen, die jetzt mit Trump in der Regierung sitzen - Vizepräsident JD Vance, Justizministerin Pamela Bondi, FBI-Chef Kash Patel und dessen Vize Dan Bongino - hatten wiederholt Hoffnungen auf eine mysteriöse Liste Epsteins mit Namen der Mitglieder und Kunden des Netzwerks geschürt, die diesen "Sturm" ermöglichen würde. Doch die Hoffnungen platzten, als Bondi mitteilte, es existiere keine solche Liste.

Wie wichtig sind diese Anhänger für die Republikaner und Trump? "Die Zahl der QAnon-Anhänger ist schwer zu schätzen, da sich viele Personen nicht offen mit der Bewegung identifizieren", schreibt der Extremismusforscher Art Jipson von der Universität Dayton in einer aktuellen Analyse zum Fall Epstein bei "The Conversation". Doch die Ansichten verbreiten sich: Unter Republikanern gaben im vergangenen Jahr 28 Prozent an, sie glaubten an die zentralen Überzeugungen von QAnon. Unter allen Amerikanern waren es 19 Prozent - 5 Prozentpunkte mehr als 2021, als die Umfrage erstmals durchgeführt wurde.

Drei Glaubenssätze wurden abgefragt. Erstens, ob amerikanische Patrioten womöglich auf Gewalt zurückgreifen müssten, um das Land zu retten. Zweitens, ob bald "ein Sturm" aufkomme, der "die Eliten an der Macht hinwegfegen und die rechtmäßigen Anführer wieder einsetzen wird". Drittens: "Die Regierung, die Medien und die Finanzwelt in den USA werden von Satan anbetenden Pädophilen kontrolliert, die einen weltweiten Kindersexhandel betreiben."

"Was wissen Sie?"

Unabhängig davon glauben fast 70 Prozent der US-Amerikaner, die Regierung verberge etwas in Sachen Epstein. Es hat nun allen Anschein, als versuchten die Republikaner, die Angelegenheit in einer konzertierten Aktion so lange zu verschleppen, bis sich zumindest bei den eigenen Anhängern die wütende Enttäuschung verlaufen haben wird. Und damit ihnen keiner den Vorwurf machen kann, untätig herumzusitzen, haben das Weiße Haus und das Justizministerium verschiedene Schritte angekündigt, sowie andere Dinge veröffentlicht. Und Trump schlägt verbal um sich.

Vize-Justizminister Todd Blanche kündigte an, sich mit Epsteins früherer Vertrauten Ghislaine Maxwell zusammensetzen zu wollen. Wegen ihrer Beteiligung an Epsteins Sex-Verbrechen war Maxwell 2022 zu einer Gefängnisstrafe von 20 Jahren verurteilt worden. "Das Justizministerium wendet sich an Ghislaine Maxwell und fragt: Was wissen Sie?", twitterte Blanche. Seine Chefin Bondi fügte hinzu: "Falls Ghislaine Maxwell Informationen über jemanden hat, der Verbrechen an Opfern begangen hat, werden das FBI und das Justizministerium hören, was sie zu sagen hat."

Eine Frage drängt sich auf und wird auch in den sozialen Medien gestellt: Welches Interesse hätte Maxwell daran, die Wahrheit auszusagen, falls jemand aus der Regierung, Trump selbst oder jemand seiner Verbündeten an Verbrechen beteiligt gewesen wären? Falls die 63-Jährige eine frühere Entlassung anstrebt, täte sie wohl gut daran, den Verantwortlichen nicht auf die Füße zu treten. Womöglich wäre es für Maxwell sogar besser, Trumps Regierung politisch nützlich zu sein.

Bereits am Freitag hatte das Justizministerium um die Freigabe von Geschworenenprotokollen über die Strafverfolgung Epsteins und Maxwell gebeten. Diese würden kaum neue Informationen enthalten, sagten ehemalige Bundesstaatsanwälte laut Associated Press. Die Anwältin Sarah Krissoff, von 2008 bis 2021 stellvertretende Staatsanwältin in Manhattan, nannte den Antrag "eine Ablenkung"; Der Präsident versuche, sich so darzustellen, als würde er hier etwas tun, sagte Krissoff: "Aber es ist nichts."

"Es gibt kein Zurück mehr"

Am gestrigen Montag gab Trump lange unter Verschluss gehaltene Dokumente über die Ermittlungen zum Mord am schwarzen Bürgerrechtler Martin Luther King im Jahr 1968 frei. Als er am heutigen Dienstag im Weißen Haus nach Epstein gefragt wurde, sprach er von einer "Hexenjagd" und brach in eine Tirade über verschiedene Demokraten und einen angeblichen "Verrat" Ex-Präsident Barack Obamas aus. Dieser habe mit angeblich erfundenen Vorwürfen zu russischer Beeinflussung der Wahl 2016 mit einem "im Grunde jahrelangen Putsch" Trumps zweite Amtszeit ab 2020 verhindert. Geheimdienstchefin Tulsi Gabbard hatte am Freitag eine entsprechende Mitteilung herausgegeben.

Ob die Taktik aufgeht? "Die Basis wird sich abwenden und es gibt kein Zurück mehr", warnte die republikanische Abgeordnete Marjorie Taylor Greene, die sich früher offen als Anhängerin von QAnon gezeigt hatte, die Regierung. "Die baumelnden Stücke roten Fleisches befriedigen sie nicht mehr", twitterte sie über die Manöver des Weißen Hauses. "Sie wollen das ganze Steak essen und akzeptieren nichts anderes." Ralph Norman, ein Republikaner aus South Carolina, sagte: "Die Öffentlichkeit wird das nicht auf sich beruhen lassen, und das zurecht."

Doch erst einmal stehen auch im Kongress die Zeichen auf Verzögerung. Der Sprecher des Repräsentantenhauses, der Republikaner Mike Johnson, war in der vergangenen Woche auf Konfrontationskurs zu Trump gegangen, als er die Veröffentlichung aller Akten und Transparenz vom Weißen Haus forderte. Inzwischen aber klingt er wieder ganz anders. "Wir brauchen Freiraum für die Regierung", sagte Johnson vorsichtig. Das Weiße Haus soll demnach selbst entscheiden, ob und welche Teile der Akten es veröffentlicht.

Derzeit unterstützen zehn republikanische Abgeordnete eine parteiübergreifende Initiative, welche die Regierung zur Freigabe sämtlicher Epstein-Akten zwingen soll. Es werde bis Mittwoch keine Abstimmung über die Freigabe sämtlicher geben, blockierte Johnson jedoch - und schickte die Abgeordneten damit in die Sommerpause. Das Votum darüber ist also frühestens im September möglich. Wegen der knappen Mehrheit wären nur sechs Abtrünnige nötig, solange alle Demokraten dafür stimmen. Doch in knapp eineinhalb Monaten kann sich vieles ändern. Etwa der Druck des Weißen Hauses auf die Abgeordneten, der größer werden könnte als der ihrer Wähler, die mehr Informationen über den Fall einfordern. Falls die Manöver wirken.

Quelle: ntv.de

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