Blogger widersprechen Kreml Ukrainische Soldaten erobern russische Grenzorte
07.08.2024, 10:07 Uhr Artikel anhören
Ukrainische Soldaten in einem Schützengraben.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Ukrainische Soldaten überschreiten am Dienstag die russische Grenze. Laut Verteidigungsministerium in Moskau ist die Situation in der Region Kursk unter Kontrolle. Russische Militärblogger widersprechen jedoch. Soldaten des Kremls würden zurückgedrängt, teils umzingelt.
Einen Tag nach ukrainischen Angriffen auf das westrussische Kursk mit mehreren Toten ist die Region nach Behördenangaben erneut Ziel ukrainischer Luftangriffe geworden. In dem an die Ukraine angrenzenden Gebiet seien zwei ukrainische Raketen von den Flugabwehrsystemen abgeschossen worden, erklärte Regionalgouverneur Alexej Smirnow auf Telegram. Zudem seien drei ukrainische Drohnen abgewehrt worden.
Am Vortag hatte es nach russischen Angaben in Kursk Angriffsversuche ukrainischer Streitkräfte gegeben. Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums waren daran rund 300 Soldaten, 11 Panzer und etwa 20 weitere gepanzerte Fahrzeuge beteiligt. Das Ministerium gab an, 16 Fahrzeuge zerstört zu haben. Insgesamt wurden bei den Angriffen nach Behördenangaben fünf Menschen getötet und 28 verletzt. Unter den Verletzten sollen mindestens sechs Kinder sein. Das Verteidigungsministerium behauptete, den Angriff vollständig zurückgeschlagen zu haben. "Nachdem sie erhebliche Verluste erlitten hatten, zogen sich die Reste der Sabotagegruppe auf ukrainisches Territorium zurück", hieß es in einer Erklärung am Dienstag.
Angaben russischer Militärblogger zeichnen dagegen ein anderes Bild. So seien russische Soldaten in der Nacht aus Sverdlikovo gedrängt worden. Im Grenzort Oleshnya, gut zehn Kilometer südlich, sollen russische Truppen gar umzingelt worden sein. Es gibt unbestätigte Berichte über russische Soldaten, die sich ergeben hätten. Bereits am Dienstag kursierten Videos in sozialen Medien, die gefangengenommene russische Soldaten zeigen sollen.
Militärblogger: Bis zu 2000 Ukrainer greifen an
Russische Militärblogger behaupten, dass tschetschenische Kämpfer die russische Grenze zuvor gesichert hätten. Als die ukrainischen Soldaten angriffen, hätten sie jedoch ihre Stellungen aufgegeben und sich zurückgezogen. Der in Russland sehr populäre Militärblog Rybar berichtet, dass es ukrainischen Soldaten sogar gelungen sei, sich auf russischem Gebiet zu verschanzen. Die Bevölkerung aus dem Ort Sudscha - etwa zehn Kilometer hinter der Grenze - sei in Sicherheit gebracht worden. Unbestätigten Angaben zufolge sollen ukrainische Soldaten bereits in elf russischen Siedlungen eingedrungen sein. Ihr Vormarsch soll 15 Kilometer tief ins Landesinnere reichen und sich auf einer Breite von rund 11 Kilometern erstrecken. Nach russischen Schätzung sollen zwischen 900 und 2000 ukrainische Soldaten an dem Angriff beteiligt sein.
Der geschäftsführende Gouverneur Alexej Smirnow berichtete am Mittwoch ebenfalls von Raketenalarm und einer angespannten Lage. Er forderte die Menschen auf, sich in Sicherheit zu bringen. "Mehrere tausend Menschen haben die unter Beschuss befindliche Region mit unserer Hilfe verlassen", teilte er mit. Die Bürger hätten ihre Wohnungen teils in Privatfahrzeugen verlassen, so Smirnow. Zudem seien 200 Menschen in Transportfahrzeugen und Bussen aus den beschossenen Ortschaften in Sicherheit gebracht worden. Es seien auch Notunterkünfte mit rund 2500 Plätzen eingerichtet worden. Dort seien auch Psychologen im Einsatz.
Angesichts der schweren Attacken und vielen Verletzten rief er die Bürger in seinem Telegram-Kanal zu Blutspenden auf. Smirnow sagte, er habe noch in der Nacht mit Kremlchef Wladimir Putin telefoniert. Der Präsident habe die Situation unter persönliche Kontrolle genommen.
Bisherige Vorstöße waren symbolisch
Zudem berichten russische Quellen, dass das ukrainische Militär in der Region Sumy Flugabwehr stationiert hat. So soll der Einsatz russischer Kampfjets und Helikopter über der Region Kursk unterbunden beziehungsweise erschwert werden. Unbestätigten Angaben zufolge sei ein russischer Mi-28-Helikopter über der Region Kursk durch eine ukrainische Drohne abgeschossen worden.
Die russische Grenzregion Belgorod wurde im Verlauf des Krieges gelegentlich von Gruppen kremlfeindlicher russischer Freiwilliger, die auf ukrainischer Seite kämpfen, angegriffen. Es blieb jedoch in der Regel bei räumlich und zeitlich sehr begrenzten Vorstößen. Westliche Militärexperten maßen ihnen in erster Linie symbolische Bedeutung bei. So würde der russischen Bevölkerung suggeriert, dass der Kreml nicht in der Lage sei, die eigenen Grenzen und die eigene Bevölkerung nachhaltig zu schützen. Militärisch hinterließen die bisherigen Angriffe auf russisches Gebiet kaum Spuren.
Quelle: ntv.de, als/AFP/rts/dpa