"Substanzielle Mängel" bei Bundeswehr Guttenberg will radikale Reform
26.10.2010, 13:23 Uhr
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Die Zeiten der Kosmetik sind vorbei, Verteidigungsminister Guttenberg will die Bundeswehr grundlegend erneuern. Die Streitkräfte seien nicht mehr auf der Höhe der Zeit, eine Neuausrichtung sei unumgänglich, so der CSU-Politiker. Auch der Vorsitzende der Bundeswehr-Kommission fordert straffere Strukturen.
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat eine grundlegende Strukturreform der Bundeswehr angekündigt. "Mit kosmetischen Maßnahmen wird es nicht getan sein", sagte der CSU-Politiker bei der Entgegennahme des Abschlussberichts der von ihm eingesetzten Reformkommission. Zugleich signalisierte der Minister grundsätzliche Zustimmung zu den Empfehlungen des Gremiums: "Ich glaube, dass die Richtung durchaus stimmt."
Es gebe in der Struktur der Bundeswehr und des Verteidigungsministeriums "substanzielle Mängel", die abgestellt werden müssten. Es sei wichtig, dass "Probleme an der Wurzel angegangen werden". Guttenberg sagte, die Bundeswehr sei "nicht mehr auf der Höhe der Zeit". "Deshalb ist eine Neuausrichtung unumgänglich."

Weise (l.) übergibt Guttenberg (M.) den Bericht.
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"Es geht darum, die Stärken der Bundeswehr zu verstärken, Mängel aber leidenschaftslos zu erkennen und abzustellen", sagte der Kommissionsvorsitzende Frank-Jürgen Weise. Das Gremium empfiehlt, die Zahl der Mitarbeiter im Verteidigungsministerium von derzeit rund 3300 auf 1600 zu verringern. Zugleich soll die Effektivität der Streitkräfte erhöht werden, um zum Beispiel trotz sinkender Gesamtstärke mehr Soldaten für Einsätze zur Verfügung stellen zu können. Weise forderte auch klarere und straffere Führungsstrukturen für die Bundeswehr. Effizienzspielräume gebe es zudem im Rüstungsbereich.
Ende Januar Konzept für Strukturreform
Guttenberg kündigte an, eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Verteidigungs-Staatssekretär Walther Otremba solle die Empfehlungen der Weise-Kommission prüfen und bis Ende Januar ein Konzept für eine Strukturreform der Bundeswehr vorlegen. Innerhalb von fünf bis acht Jahren solle diese Reform dann vollständig umgesetzt werden, für den Bereich des Verteidigungsministeriums innerhalb der kommenden zwei Jahre. Erste organisatorische Veränderungen seien bereits Anfang 2011 vorgesehen. Im Dezember will die Bundesregierung zudem über die künftige Wehrform entscheiden. Geplant ist eine Aussetzung der Wehrpflicht.
Strittig ist der Vorschlag der Kommission, den Bonner Dienstsitz des Verteidigungsministeriums weitgehend aufzulösen und durch eine nachgeordnete Behörde zu ersetzen. Guttenberg wollte sich dazu ebenso wie zu weiteren Detailvorschlägen zunächst nicht äußern. Er bekannte sich aber erneut im Grundsatz zum Bonn-Berlin-Gesetz, das die Aufteilung der Ministerien auf beide Städte festschreibt. Allerdings solle geprüft werden, welche Flexibilität dieser Rahmen zulasse.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle lehnte dagegen einen Komplettumzug des Verteidigungsministeriums von Bonn nach Berlin ab. "Das Bonn-Berlin-Gesetz gilt", sagte der FDP-Politiker dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Die Aufgabenteilung hat sich bewährt. Für einen Umzug alles neu zu bauen, käme den Steuerzahler nur viel teurer." FDP-Chef Westerwelle lebt in der ehemaligen Bundeshauptstadt und hat dort auch seinen Wahlkreis.
"Intransparent und nicht effizient"
Der Grünen-Verteidigungspolitiker Omid Nouripour rief indes die Regierung zum Handeln auf. Er kritisierte im Deutschlandfunk, dass es schon lange "Doppelstrukturen" gebe. "Es gibt teilweise eine durchorganisierte Verantwortungslosigkeit". Abteilungen im Verteidigungsministerium schotteten sich gegenseitig ab, sagte Nouripour. Er forderte Guttenberg zum schnellen Handeln auf. "Die Missstände sind dramatisch. Das Ministerium ist intransparent und nicht effizient."
In den letzten Jahren habe man immer wieder erlebt, dass Informationen entweder gar nicht oder widersprüchlich herausgegegeben worden seien. Wie Guttenberg die geplante Verkleinerung des Apparats bewerkstelligen wolle, sei völlig unklar, sagte Nouripour. "Im Wehretat findet sich davon nichts wieder."
Der Bundeswehr-Verband forderte, die Vorschläge nicht zu zerreden. "Wir dürfen jetzt keine Zeit verlieren. Bis Mitte 2011 muss Klarheit herrschen, wohin die Reise geht", sagte der Vorsitzende, Oberst Ulrich Kirsch, der "Passauer Neuen Presse". "Die betroffenen Bundeswehr-Angehörigen und die Kommunen können nicht ewig im Unklaren gelassen werden". Kirsch warnte davor, nur auf Großstandorte zu setzen. "Wir dürfen uns nicht aus der Fläche zurückziehen", sagte er. Sonst würde die Bundeswehr ihre Bindung zur Gesellschaft verlieren.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa/AFP