Politik

Grüne bleiben vorsichtig "Jamaika" kein Signal

Die Grünen bemühen sich, die Premiere für eine Jamaika-Koalition in Deutschland als regionale Entscheidung darzustellen. Der Beschluss der Saar-Grünen habe keine Signalwirkung für den Bund, sagte Parteichef Cem Özdemir.

Die Saar-Grünen sorgen mit ihrer Entscheidung für Wirbel.

Die Saar-Grünen sorgen mit ihrer Entscheidung für Wirbel.

(Foto: dpa)

"Diese Lösung ist ein regionales Experiment." Özdemir räumte ein, dass es in der Parteispitze keine Begeisterung für "Jamaika" gebe und dass die Nähe zur SPD grundsätzlich größer sei. Allerdings habe es im Saarland Zweifel an der Verlässlichkeit der Linken gegeben. Auch die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag für eine andere Bildungspolitik sei durch ein Bündnis mit CDU und FDP wohl leichter zu erreichen.

Özdemir betonte, dass das Saarland "nicht mehr zum schwarz-gelben Block" gehöre. Entscheidend sei, dass das Bündnis eine "klare grüne Handschrift" trage. In den Sondierungsgesprächen hätten Union und Freidemokraten einen hohen Preis zahlen müssen. "Das hat mit CDU- und FDP-Politik nicht viel gemeinsam."

NRW-Grüne debattieren noch

Auch der nordrhein-westfälische Grünen-Chef Arndt Klocke sieht die Koalitionsverhandlungen der Saar-Grünen mit CDU und FDP nicht als Zeichen. "Davon geht keine Signalwirkung für andere Landesverbände aus", sagte Klocke. Sieben Monate vor der Landtagswahl an Rhein und Ruhr nannte es Klocke "spekulativ", über eine mögliche Koalition von CDU, FDP und Grünen auch in Düsseldorf nachzudenken. Vielmehr verfolgten die Landes-Grünen eine "eigenständige Strategie" bei ihrem Ziel, die derzeitige schwarz-gelbe Landesregierung bei der Wahl abzulösen.

Nach Klockes Worten wird derzeit innerhalb der Landespartei darüber debattiert, ob die NRW-Grünen mit einer Koalitionsaussage in die Landtagswahl im Mai ziehen oder aber auf eine solche Festlegung verzichten. Ziel der Landes-Grünen bleibe in jedem Fall die Abwahl der CDU-FDP-Regierung in Düsseldorf.

Linkspartei-Chef Oskar Lafontaine kündigte derweil eine harte Oppositionsarbeit an. Er ließ aber offen, ob er dauerhaft als Fraktionschef im Saarbrücker Landtag bleiben wird. "Das werde ich jetzt in aller Ruhe überlegen und entscheiden", sagte Lafontaine. Angesichts der Ausgangslage für eine "Jamaika"-Koalition aus CDU, FDP und Grünen sei es für die Linken einfach, die eigene Position stark zu vertreten. Der Parteichef ist seit Anfang September auch Fraktionsvorsitzender im Landtag.

Lafontaine: Wählertäuschung und Wählerbetrug

Das Bündnis aus CDU, FDP und Grünen baue auf Wählertäuschung und Wählerbetrug auf, sagte Lafontaine. Grünen-Landeschef Hubert Ulrich habe seit Wochen heimlich Stimmung für ein schwarz-grün-gelbes Bündnis gemacht. "Die Entscheidung hat uns nicht im geringsten überrascht."

Der Linkspartei-Chef wies Vorwürfe der Grünen zurück, sein Rückzug von der Spitze der Bundestagsfraktion und die Ankündigung im Falle von Rot-Rot-Grün im Saarland zu bleiben, habe die Entscheidung beeinflusst. "Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das die Grünen irritiert."

Müller will "Erfolgsmodell"

Grünen-Landeschef Hubert Ulrich, CDU-Ministerpräsident Peter Müller und FDP-Spitzenmann Christoph Hartmann (von links).

Grünen-Landeschef Hubert Ulrich, CDU-Ministerpräsident Peter Müller und FDP-Spitzenmann Christoph Hartmann (von links).

(Foto: AP)

Dagegen zeigte sich Saar-Ministerpräsident Peter Müller (CDU) zufrieden. "Wir wollen, dass dieses Modell ein Erfolgsmodell wird", sagte Müller. "Alle haben Zugeständnisse gemacht, aber alle finden sich in der grundsätzlichen Konzeption wieder." Er sei erfreut, dass sich die Grünen mit großer Mehrheit für ein Bündnis mit CDU und FDP entschieden hätten. "Das hat es in dieser Form noch in keinem anderen Bundesland gegeben." Sein Ziel sei es, eine stabile und tragfähige Regierung zu bilden. Die CDU sei den Grünen entgegen gekommen, sagte Müller, finde sich aber in allen Positionen wieder.

CDU, Grüne und FDP haben sich nach Müllers Worten etwa auf ein zweigliedriges Schulsystem verständigt. Neben einem grundständigen Gymnasium solle es künftig eine integrative "Gemeinschaftsschule" geben. Dafür sei allerdings eine Änderung der Landesverfassung nötig. "Das streben wir an", erklärte er. Ohne Stimmen der SPD oder der Linkspartei hat ein "Jamaika"-Bündnis dafür aber keine eigene Mehrheit. Auch in anderen Politikfeldern sei man einig, sagte Müller. Die Entscheidung belege, dass die Union weiter die gestaltende Kraft an der Saar sein werde. Die CDU sei trotz Verlusten aus allen Wahlen als stärkste Kraft hervorgegangen.

Maas: Verlogenheit und Täuschung

Der saarländische SPD-Vorsitzende Heiko Maas dachte nach der Entscheidung der Grünen für ein "Jamaika"-Bündnis an Rücktritt. Er habe sich erst nach einer langen Sitzung des SPD-Präsidiums der Landespartei entschlossen, weiterzumachen. "Ich bin auch nur ein Mensch und keine Maschine", sagte Maas. Er sei nicht der Politiker, der politische Verantwortung so interpretiere, dass man den "Karren einfach weiter zieht". Er habe sich aber überzeugen lassen, sein Amt nicht aufzugeben. Antrieb sei auch, dass im Saarland nun ein Bündnis regiere, das auf "Verlogenheit" und "Täuschung" aufgebaut sei.

Gelassen reagierte die Bundes-SPD. "Wir sind da nicht beleidigt im Bund", sagte Generalsekretär Hubertus Heil. "Jetzt können alle mit allen in den Ländern", sagte Heil. "Das heißt, dass man stärker für sich kämpfen muss." Auf die Opposition im Bundestag habe die Grünen-Entscheidung keinen Einfluss. "Es gibt keine Koalition in der Opposition. Wir werden die führende Kraft in der Opposition sein als stärkste Fraktion", sagte Heil. Allerdings warf Heil dem saarländischen Grünen-Chef Hubert Ulrich vor, die Entscheidung zugunsten einer "Jamaika"-Koalition seit Wochen vorgehabt zu haben.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts

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