Haudegen und Seelenklempner: Oskar Lafontaine und Gregor Gysi
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Populisten, Demagogen, geschickte Strategen, rhetorische Glanzlichter, Machtmenschen mit Charisma:Bild 1 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
Die beiden Männer an der Spitze der Linkspartei eint eine Fülle an Eigenschaften, die ihnen Anhänger und Gegner gleichermaßen unterstellen.Bild 2 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
Oskar Lafontaine und Gregor Gysi, …Bild 3 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
… die politischen Alphatiere der Linken.Bild 4 von 51 | Foto: picture-alliance/ dpa
Doch so sehr sich ihre politischen Eigenschaften ähneln mögen – Lafontaine und Gysi sind zugleich Yin und Yang der Linkspartei. In ihren Personen verkörpern sich nahezu perfekt die Widersprüche und Gegensätze, die in der Linken schwelen und sich mitunter auch öffentlich in Konflikten entladen.Bild 5 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
West gegen Ost, Realos gegen Sozialradikalisten, Ex-SED-Mitglieder gegen Gewerkschafter.Bild 6 von 51 | Foto: picture-alliance/ dpa
Ohne die Integrationskraft der beiden Fraktionsvorsitzenden würde die Linke als Partei wohl am Rande der Spaltung stehen. Das zeigte sich auch auf dem Wahlparteitag im Juni.Bild 7 von 51 | Foto: picture-alliance/ dpa
Dort sprach erst Lafontaine, der linksradikal-populistisch agierende Machtmensch aus dem Westen, getrieben von Angriffslust und ehrgeizigen Wahlzielen. "Zehn Prozent plus X" wolle die Partei bei der Bundestagswahl erreichen, verkündete der Partei- und Fraktionsvorsitzende. Bild 8 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
Lafontaine blieb ansonsten aber bei für seine Verhältnisse lapidaren Erklärungen: "Die Banken haben die Welt überfallen und gerufen: Geld her oder wir vernichten Millionen Arbeitsplätze und verschlechtern die Lebensbedingungen von Milliarden Menschen."Bild 9 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
"Nicht die Bundesregierung kontrolliert die Banken, sondern die Banken kontrollieren die Bundesregierung."Bild 10 von 51 | Foto: picture-alliance/ dpa
Kein Wort des Parteichefs zum andauernden Machtkampf zwischen Radikalen und Realos, der rund um die Europawahl zu eskalieren begann.Bild 11 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
Doch dann kam Gregor Gysi, der Seelenklempner der Linkspartei.Bild 12 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
Er ging auf die "Ideologie- und Personalschlachten" ein, redete den Parteiflügeln ins Gewissen und richtete dann den Blick nach vorn: "Es geht nicht um uns, sondern um die Veränderung der Gesellschaft."Bild 13 von 51 | Foto: picture-alliance/ dpa
Das ist die unausgesprochene Arbeitsteilung des linken Führungsduos: Lafontaine als Angreifer, Gysi als Abwehrchef. Das langjährige Aushängeschild der PDS hat sich dem Politikstrategen aus dem Saarland gebeugt – zum Wohle des Wahlerfolgs.Bild 14 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
Doch noch etwas verbindet Gysi und Lafontaine: Beide sind vereint in ihrem Kampf gegen die eigene Vergangenheit und beide haben schon einmal in politischer Verantwortung das Handtuch geschmissen.Bild 15 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
Oskar Lafontaine tat das auf dem Höhepunkt seiner politischen Karriere, als er SPD-Vorsitzender und Finanzminister der ersten rot-grünen Bundesregierung war.Bild 16 von 51 | Foto: picture-alliance / dpa
Erst Oberbürgermeister von Saarbrücken und schließlich saarländischer Ministerpräsident – Lafontaine holt 1985 die absolute Mehrheit für die Saar-SPD. Er gilt als großes politisches Talent – einer der "Enkel" Willy Brandts.Bild 17 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
1990 wird ein politisches und persönliches Schicksalsjahr für den Saarländer. Lafontaine tritt nach dem Zusammenbruch der DDR als Kanzlerkandidat gegen Helmut Kohl an. Er ist gegen eine vorschnelle Wiedervereinigung und warnte vor "nationaler Besoffenheit", während Kohl "blühende Landschaften" verspricht.Bild 18 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
Bei einem Wahlkampfauftritt am 25. April in Köln wird Lafontaine Opfer eines Attentats: Eine geistig verwirrte Frau sticht ihn mit einem Messer in den Hals und verletzt ihn dabei lebensbedrohlich.Bild 19 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
Doch Lafontaine kämpft weiter und hält an seiner Kandidatur fest. Das Ergebnis bei der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl ist allerdings niederschmetternd: Lafontaine fährt mit 33,5 Prozent das schlechteste Ergebnis für die SPD seit 1957 ein.Bild 20 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
Als Konsequenz zieht er sich aus der ersten Reihe der Bundespolitik ins Saarland zurück, bis zu seinem spektakulären Comeback auf dem Mannheimer SPD-Parteitag 1995.Bild 21 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
In einer Kampfabstimmung setzt er sich nach einer mitreißenden Rede gegen Rudolf Scharping durch, übernimmt den SPD-Vorsitz und bringt sich als Kanzlerkandidat für die Wahl 1998 in Stellung.Bild 22 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
Doch muss er sich schließlich dem erfolgreicheren Rivalen Gerhard Schröder beugen.Bild 23 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
Gemeinsam ziehen sie gegen Kohl und gewinnen auch. SPD-Chef Lafontaine wird Finanzminister. Bild 24 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
Bis zum 11. März 1999, als er völlig überraschend und ohne Erklärung seinen Rücktritt von allen Ämtern und den Rückzug ins Private erklärt. Als Grund nennt er schließlich das "schlechte Mannschaftsspiel" in der Regierung – es sind vor allem Differenzen in der Wirtschaftspolitik: Schröder will Lafontaines Linkskurs nicht unterstützen.Bild 25 von 51 | Foto: picture-alliance/ dpa
Lafontaines Karriere scheint am Ende. In der SPD wird er zur "Persona non grata", …Bild 26 von 51 | Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb
… zumal der ehemalige Parteichef in Büchern wie "Mein Herz schlägt links" und später auch in Kolumnen in der "Bild"-Zeitung nachtritt und gegen die Politik der rot-grünen Regierung schimpft.Bild 27 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
"Halt's Maul! Trink deinen Rotwein, fahr in die Ferien, such dir eine sinnvolle Beschäftigung", muss er sich deshalb vom Schriftsteller und SPD-Sympathisanten Günter Grass anhören.Bild 28 von 51 | Foto: picture-alliance / dpa
Doch Lafontaine denkt nicht daran, wird immer lauter und tritt 2005 schließlich aus der SPD aus, um in die neu gegründete linke Abspaltung Wahlalternative WASG einzutreten. Bild 29 von 51 | Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb
Gemeinsam mit Gysi schmiedet er aus WASG und PDS in einem Kraftakt ein neues Linksbündnis, das 2005 über acht Prozent bei den Bundestagswahlen erreicht und aus dem am 16. Juni 2007 die Linkspartei entsteht, deren Vorsitzender und Fraktionschef der Saarländer wird.Bild 30 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
Mit der Gründung der Linken geht auch für Gregor Gysi ein Traum in Erfüllung, der bis heute für sich und seine Partei gegen die DDR-Vergangenheit kämpfen muss.Bild 31 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
"Wir wissen aber, dass viele Genossen dieses Ministeriums stets pflichtbewusst und ehrlich die ihnen erteilten Aufträge, die sie sich nicht aussuchen konnten, erfüllt haben", hat Gysi noch im Dezember 1989 auf einem Parteitag der SED-PDS über die Stasi gesagt.Bild 32 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
Seitdem tut er alles, um die Vergangenheit von sich und seiner Partei abzuschütteln. So setzt Gysi gemeinsam mit Lothar Bisky nach der vollständigen Umbenennung in die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) die "Abkehr vom Stalinismus als System" durch.Bild 33 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
Der 1948 in Berlin geborene Jurist führt die neue Partei zur Bundestagswahl 1990 mit 2,4 Prozent in den Bundestag. Möglich macht dies eine Regelung des Einigungsvertrages – die PDS hatte in Ostdeutschland 11,1 Prozent der Stimmen erzielt und darf deshalb mit 17 Abgeordneten ins deutsche Parlament.Bild 34 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
Allerdings bleibt der – bislang ostdeutschen – Partei der Fraktionsstatus versagt. Den erreicht die PDS erst bei der Wahl 1994 durch 4,4 Prozent sowie vier gewonnene Direktmandate. Ein Erfolg für den Strategen Gysi, der trotz Widerstände die PDS vom radikalen linken Rand immer weiter in die Mitte führt und auch den Westen Deutschlands fest im Blick hat.Bild 35 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
Dort muss er sich der "Rote Socken"-Kampagne der CDU erwehren, die in den Wahlkämpfen 1994 und 1998 vor den erstarkenden Linken warnt. Und Gysi wird auch seine eigene Vergangenheit nicht los.Bild 36 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
Immer wieder werden Vorwürfe gegen ihn erhoben, er habe als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) für die DDR-Staatssicherheit gearbeitet. Der Immunitätsausschuss des Bundestags stellte dazu mit den Stimmen von Union, SPD und Grünen fest, dass seine Stasi-Mitarbeit erwiesen sei und er als Rechtsanwalt Informationen über Mandaten weitergegeben habe.Bild 37 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
Doch Gysi wehrt sich bis heute erfolgreich gegen konkrete Anschuldigungen. Erst im September 2009 verbietet das Hamburger Landgericht dem ZDF, zu behaupten, Gysi habe im Fall des Regime-Kritikers Robert Havemann (Foto) "wissentlich und willentlich" an die DDR-Staatssicherheit berichtet.Bild 38 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
Mit Bildung der rot-roten Landesregierung in Berlin übernimmt Gysi im Januar 2001 das Amt des Wirtschaftssenators. Bild 39 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
Dieses Zwischenspiel in politischer Verantwortung währt allerdings nicht allzu lange – nach einem halben Jahr tritt Gysi zurück, weil er Bonusmeilen aus Bundestagszeiten privat in Anspruch genommen hat. Bild 40 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
Kritiker werfen ihm allerdings vor, das Handtuch aus Frustration über das Amt geschmissen zu haben. Ein Drückeberger sei er.Bild 41 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
Während der zunehmenden Proteste gegen die Agenda-Politik Gerhard Schröders kehrt er auf die bundespolitische Bühne zurück und wird 2005 schließlich Spitzenkandidat des Bündnisses aus PDS und WASG. Bild 42 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
Gemeinsam mit Lafontaine führt er die offiziell noch gar nicht gegründete Linkspartei mit 8,7 Prozent in den Bundestag. Beide übernehmen auch gemeinsam den Fraktionsvorsitz.Bild 43 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
Weil Lafontaine für den ersehnten Erfolg der Linken im Westen sorgt, nimmt Gysi seine oft brachiale Rhetorik und den zweiten Platz hinter ihm in Kauf. Bild 44 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
Doch Gysi muss den sich linksradikal gebärenden Saarländer auch gegen die ostdeutschen Realos in seiner Partei verteidigen. Bild 45 von 51 | Foto: AP
Der Erfolg im Superwahljahr scheint Lafontaine recht zu geben und bringt seine Kritiker – vorerst – zum Schweigen. Auch wenn im August Gerüchte über Putschpläne gegen den "Napoleon von der Saar" vom "Spiegel" kolportiert werden.Bild 46 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
Das Führungsduo ist im Wahljahr derart unbestritten, dass es sich nicht einmal einer Abstimmung stellen muss: Der Parteitag der Linken bestimmt sie im Juni per Akklamation zu den Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl.Bild 47 von 51 | Foto: picture-alliance/ dpa
Gemeinsam führen Lafontaine und Gysi die Linkspartei zu ungeahnten Höhenflügen. Die Landtagswahlen im Saarland, in Thüringen und in Sachsen bescheren der Partei Stimmenanteile von über 20 Prozent, im Bund holt die Linke knapp 12 Prozent.Bild 48 von 51 | Foto: picture-alliance/ dpa
Doch ausgerechnet der Vater des gesamtdeutschen Erfolges, Lafontaine, wird von manchen in der Partei auch sehr kritisch beäugt - auch wenn er sein Bestreben, den alleinigen Partei- und Fraktionsvorsitz zu übernehmen, überraschend aufgibt und nur noch Chef der Partei sein will.Bild 49 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
Da ist zum einen das gestörte Verhältnis zur SPD: Kritiker werfen ihm vor, mit seinem Engagement für die Linke eine Art Rachefeldzug gegen seine alte Partei zu führen. Und solange Lafontaine an der Spitze steht, wird sich die SPD auf keine Koalition mit der Linken im Bund einlassen.Bild 50 von 51 | Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb
Das zweite Problem ist Lafontaines Machtanspruch: Ohne seinen für die Ostpartei so wichtigen Tandempartner Gysi würde dem Saarländer alleine an der Spitze der Partei der für die Partei so wichtige Ausgleich fehlen. (Text: Till Schwarze)Bild 51 von 51 | Foto: ASSOCIATED PRESS
Haudegen und SeelenklempnerOskar Lafontaine und Gregor Gysi