Wirtschaftsreformen in Nordkorea? Kim entmachtet Militärs
21.07.2012, 10:19 Uhr
Kim Jong Un nimmt in Pjöngjang eine Parade der Armee ab.
(Foto: AP)
Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un bildet den inneren Führungszirkel des isolierten Landes um. Offensichtlich drängt er den Einfluss der Armee zurück und will das kommunistische Wirtschaftssystem reformieren. Das weckt böse Erinnerungen an die vor einigen Jahren völlig missratene Währungsreform.
Nach der Entmachtung der Armeeführung steht das verarmte Nordkorea möglicherweise vor den umfangreichsten Wirtschaftsreformen seit Jahrzehnten. Der Herrscher Kim Jong Un und sein einflussreicher Onkel Jang Song Thaek wollten der Armee das Kommando über die daniederliegenden Betriebe nehmen und diese einer zivilen Führung unterstellen, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters und berief sich dabei auf einen "Insider mit Verbindungen nach Pjöngjang und Peking."
In der Regierung und in der kommunistischen Arbeiterpartei seien spezielle Gruppen eingesetzt worden, hieß es. Generalstabschef Ri Yong Ho habe gegen den Bedeutungsverlust der Armee als Folge der geplanten Reformen opponiert und sei deshalb geschasst worden.
"In der Vergangenheit hatte die Regierung in der Wirtschaft nichts zu sagen. Die Armee kontrollierte die Wirtschaft, aber das wird sich nun ändern", sagte der Insider. In der Regierung sei ein "politisches Büro" eingesetzt worden, das den Soldaten die Zuständigkeit für die Betriebe und die Landwirtschaft nehmen soll. Ein vergleichbares Gremium sei auch in der Partei geschaffen worden. Die Reformen orientierten sich an China, dem einzigen Verbündeten des international isolierten Landes.
Millionen hungern
Nach Angaben der Welthungerhilfe haben zwei Drittel der 24,1 Millionen Nordkoreaner nicht genügend zu essen. Ein entsprechender Anteil der zwei Millionen Kinder unter fünf Jahren sind chronisch unterernährt. Gleichzeitig leistet sich das totalitäre Regime die viertgrößte Armee der Welt sowie ein kostspieliges Atomwaffen- und Raketenprogramm.
Unter Kims verstorbenen Vater Kim Jong Il galt in der Politik und der Wirtschaft Nordkoreas der Grundsatz "Das Militär zuerst". Das sicherte den 1,2 Millionen Soldaten zählenden Streitkräften den Vorrang vor anderen gesellschaftlichen Gruppen. Vize-Marschall Ri sei der entschiedenste Anhänger Politik des alten Staats- und Parteichefs gewesen, sagte der Insider. Der Generalstabschef, dessen Vater im Zweiten Weltkrieg an der Seite von Staatsgründer Kim Il Sung gegen die Japaner kämpfte, habe die Änderungen abgelehnt. Ri sei deshalb aller Ämter enthoben worden.
Die Äußerungen des Insiders seien ein Hinweis auf einen Machtkampf in dem weitgehend abgeschotteten Land, dessen Bevölkerung wegen der schlechten Wirtschaftslage Hunger leide, hieß es weiter. "Kim Jong Un und Jang Song Thaek haben das Militär unter Kontrolle", ergänzte der Informant, dessen frühere Vorhersagen etwa über den ersten nordkoreanischen Atomtest 2006 sich als korrekt erwiesen hatten. Kim war diese Woche zum "Marschall der Republik" ernannt worden. Er ist bereits Chef der Arbeiterpartei und Vorsitzender der Nationalen Verteidigungskommission.
Es ist nicht bekannt, wie viele Gefolgsleute Ris ihrer Posten enthoben wurden. Sie seien aber nicht inhaftiert worden, sagte der Insider. Einer Schätzung der südkoreanischen Regierung zufolge wurden seit Amtsantritt Kims etwas 20 hohe Militärs abgesetzt.
Unter der Führung des jungen Kim gibt es erste Zeichen für eine Lockerung in einem der letzten kommunistisch regierten Länder. So strahlte das Staatsfernsehen Bilder des Machthabers bei einer Ausstellung und einem Konzert aus. Jang gilt seit längerer Zeit als Befürworter einer Reformpolitik. Der mit einer Schwester Kim Jong Ils verheiratete Funktionär steht zudem im Ruf, der eigentliche Machthaber hinter dem Staatschef zu sein.
Desaströse Währungsreform
Die jüngsten Personalentscheidungen deuten nach Ansicht von Beobachtern darauf hin, dass Kim Jong Un die Reihen hinter sich mit ihm nahestehenden Personen schließen will. Bisher seien keine konkreten Anzeichen für Instabilität zu erkennen, sagt Paik Hak Soon vom Sejong-Institut in Südkorea. Gleichwohl sieht er mögliche Machtkämpfe zwischen Parteifunktionären und militärischen Führern, auch wenn eine klare Trennung angesichts der Verflechtungen zwischen Partei, Militär und Regierung nicht zu machen sei.
"Die Personaländerungen sind im Kontext der Bemühungen zu sehen, die Kontrolle der Partei über das Militär zu stärken", meint Paik. Die Umbildung der Elite durch Kim Jong Un sei schon länger im Gange. Paik wies in diesem Zusammenhang auf die Ernennungen neuer Funktionäre bei einem Parteitreffen in Pjöngjang im April hin. "Auch ein Generationswechsel könnte stattfinden". Kim Jong Un wolle eine "eigen Ära beginnen". Damit würde der Sohn sich von seinem im Dezember gestorbenen Vater und Vorgänger Kim Jong Il abgrenzen.
Schon länger heißt es, dass in Pjöngjang hinter den Kulissen vor allem um den richtigen Wirtschaftskurs gerungen wird: "Über den Umfang des Handels, den man eingehen will, auch über das Tempo, und ob die einseitige Ausrichtung auf China der richtige Weg ist", sagt ein westlicher Beobachter. Vorangegangene Reformen waren gescheitert und hatten die Verarmung der Bevölkerung vertieft. So hatte eine Währungsreform Ende 2009 katastrophale Folgen. Zahlreiche Menschen verloren ihre Ersparnisse, die ohnehin schlimme wirtschaftliche Lage verschlechterte sich weiter.
Quelle: ntv.de, jga/rts/dpa