Linke-Kandidatin fällt durch Kraft kassiert ersten Dämpfer
13.07.2010, 20:31 Uhr
Kraft will das Land mit wechselnden Mehrheiten steuern.
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Gleich bei der ersten Belastungsprobe im neu zusammengesetzten nordrhein-westfälischen Landtag muss SPD-Chefin Kraft ihr rot-grünes Lager zurechtweisen. Es versagt der Linken-Abgeordneten Böth zunächst die Wahl zur Vizepräsidentin des Parlamentes. Kraft erlebt ihre erste Schrecksekunde.
Mehr als zwei Monate nach der Landtagswahl soll in Nordrhein-Westfalen der Machtwechsel vollzogen werden. SPD-Chefin Hannelore Kraft will sich an diesem Mittwoch zur ersten Ministerpräsidentin im bevölkerungsreichsten Bundesland wählen lassen. Die Linke macht dazu den Weg frei. Sie will sich bei der Abstimmung enthalten, wie ein Fraktionssprecher mitteilte. Kraft kann mit den Stimmen von SPD und Grünen sowie Enthaltung der Linken im zweiten Wahlgang Chefin einer Minderheitsregierung werden.
Der Landtag wählte aber zunächst den bisherigen Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) mit großer Mehrheit zum neuen Parlamentspräsidenten. Bei der Wahl der Vizepräsidenten musste Kraft eine Schrecksekunde überstehen. Die Kandidatin der Linken, Gunhild Böth, fiel zunächst durch. Damit verließ das Parlament den Konsens der parteiübergreifenden Wahl seines Präsidiums. Nachdem Kraft und Grünen-Fraktionsvize Reiner Priggen bei ihren Abgeordneten eindringlich für die Wahl Böths geworben hatten, reichte es für die 58-Jährige schließlich im zweiten Wahlgang zur notwendigen Mehrheit.

Gunhild Böth wartete etwas länger auf die Blumen.
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CDU, FDP und auch Teile der SPD werfen der Lehrerin vor, sich nicht klar genug vom Unrechtscharakter der DDR zu distanzieren. Die Wuppertaler Politiklehrerin hatte kurz nach der Landtagswahl mit der Äußerung für Aufregung gesorgt, "in toto" sei die DDR kein Unrechtsstaat gewesen. Was Kraft damals zu dem Kommentar veranlasste: "Ich möchte nicht, dass mein Sohn bei ihr Unterricht hat."
Linke enthält sich gegen Rüttgers
Mit der Empfehlung an ihre elf Abgeordneten, sich bei der Wahl Krafts zu enthalten, folgt die Linksfraktion voraussichtlich dem Votum eines Landesparteitags. Trotz des gescheiterten Sondierungsgespräches mit SPD und Grünen will die Partei die Ablösung der schwarz-gelben Koalition von CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers nicht blockieren. SPD und Grüne haben ihren Koalitionsvertrag inzwischen unterzeichnet.
Um schon im ersten Wahlgang zur Ministerpräsidentin gewählt zu werden, benötigt Kraft die absolute Mehrheit. Das sind 91 der 181 Landtagsabgeordneten. Dafür haben SPD und Grüne genau eine Stimme zu wenig. Würde das rot-grüne Lager geschlossen für Kraft stimmen und zudem mindestens ein Abgeordneter von CDU, FDP oder Linksfraktion, wäre Kraft auf Anhieb gewählt.

Jürgen Rüttgers muss - oder darf - jetzt zusehen.
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Die Spitzen von CDU und FDP haben ihre Fraktionen aber auf ein geschlossenes "Nein" eingeschworen. Rüttgers warnte seine Partei vor einer "Regierung gegen die Mehrheit und ohne gesunden Menschenverstand". Der neue CDU-Landtagsfraktionschef Karl-Josef Laumann befürchtet "die linkeste Landesregierung, die das Land jemals hatte".
Sieben und drei
Ihr rot-grünes Kabinett will Kraft an diesem Donnerstag vorstellen. Dann sollen die neuen Minister auch im Parlament vereidigt werden. Der künftigen rot-grünen Regierung sollen zehn Minister angehören, davon sieben der SPD und drei der Grünen. Grünen-Fraktionschefin Sylvia Löhrmann soll Vizeregierungschefin und Schulministerin werden. Während die Besetzung der Grünen-Ministerposten bereits feststeht, wird über die übrigen Positionen noch spekuliert.
Nach der Vorstellung wollen die Fraktionen auch mit ersten Sachanträgen in die parlamentarische Arbeit einsteigen. SPD und Grüne haben bereits angekündigt, einzelne Reformen der Regierung Rüttgers zurückzudrehen. Dabei geht es zunächst um die Abschaffung der Studiengebühren, Veränderungen an den Schulen und mehr unternehmerische Freiheit für die Kommunen.
Quelle: ntv.de, dpa