
Aus diesem Demonstrationszug heraus flogen am Freitagabend Steine und Flaschen auf Polizisten und Schaufenster.
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Die angekündigte Chaos-Reaktion auf die Räumung eines linken Wohnprojekts in Berlin ist überschaubar geblieben. Was aber zu denken gibt: Grüne und Linke, die auch im Bund an die Macht streben, zeigen sich unfähig zur Kritik an marodierenden Linksextremisten.
Die Grünen-Politikerin und Bürgermeisterin des Berliner Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann, hat am Wochenende viel Zeit auf Twitter verbracht. Binnen zwei Tagen teilte und kommentierte sie Dutzende Artikel und Tweets zu Themen wie Verkehrswende und Rechtsradikalismus. Kein Wort dagegen verlor Herrmann zur Gewalt, die Freitagnacht von ihrem Bezirk aus auf Berlin und seine Bewohner niederprasselte.
Auch Grünen-Landesvorsitzende Antje Kapek und Linke-Landeschef Klaus Lederer schweigen zu den Vorfällen rund um die Räumung eines linken Wohnprojekts in der Liebigstraße 34. Der grüne Justizsenator Dirk Behrendt verurteilte am Mittwoch via Twitter den Brandanschlag auf ein Amtsgericht. Aus welcher Szene der Angriff höchstwahrscheinlich kam, kommentierte er indes nicht. Grüne und Linkspartei, die in der Hauptstadt mitregieren und im nächsten Jahr eine Regierungsbeteiligung im Bund anstreben, demonstrieren einmal mehr ihr schizophrenes Verhältnis zu politischer Gewalt: Kommt sie von links, wird sie toleriert.
Seit einer Woche schon bekommen die Arbeitnehmer in der Hauptstadt die Auswirkungen eines Kabelbrands bei der Berliner S-Bahn zu spüren, den mutmaßliche "Liebig34"-Sympathisanten gelegt haben. Am Wochenende wurden während der Proteste gegen die Räumung mindestens zwölf Autos in Brand gesetzt sowie Fensterscheiben von Geschäften und Haltestellen wurden beschädigt. Der gewöhnliche Bürger - nicht das Großkapital und auch keine Immobilienhaie - ist der Leidtragende einer kleinen Gruppe radikaler Aktivisten, die sich routiniert selbst zur Gewalt gegen Personen und Gegenstände ermächtigt.
Zwischen Recht und Ideologie
Berlins Linke-Landesverband sprach sich ebenso gegen die Räumung der "Liebig34" aus, wie die Landesjugendverbände von Grünen und Linken. Das ARD-Magazin "Kontraste" zeichnete jüngst nach, wie Herrmann und der Grünen-Baustadtrat Florian Schmidt aktiv und mit fragwürdigen Methoden die Hausbesetzer in der nahe gelegenen Rigaer Straße 94 unterstützen. Dabei gilt die "Rigaer94" unter Verfassungsschützern als eines der wichtigsten Zentren der Autonomen Szene. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Canan Bayram gilt als Fürsprecherin der Berliner Hausbesetzer-Szene.
Für Grüne und Linke ist das Verschwinden der letzten alternativen Wohnprojekte symbolisch für die Macht des Kapitals auf dem Berliner Wohnungsmarkt und die zunehmenden Probleme der Stadtbewohner, sich angesichts allgegenwärtigen Mietwuchers ein anständiges Dach über dem Kopf zu sichern. Tatsächlich gibt es ja einen breiten Widerstand gegen diese Entwicklung und ein Mandat der Wähler, diese Probleme durch Regulierung anzugehen. Hausbesetzer und Wohnprojektler aber haben mit diesem Kampf nur auf den ersten Blick etwas zu tun.
Auf den zweiten Blick haben sie eine ganz eigene Agenda, in der es um andere Gesellschafts- und Wirtschaftsmodelle geht. Diese alternativen Szenen zu fördern, kann man gesellschaftspolitisch legitim finden. Dann aber müssten Senat und Bezirke hierfür Immobilien bereitstellen und nicht die Enteignung privater Besitzer schönreden. Seien die jeweiligen Immobilieneigner auch noch so unsympathisch: Entweder handeln sie legal und haben die gleichen Rechte wie alle, oder man gibt die Herrschaft des Rechts aus ideologischen Gründen preis.
Undemokratisch und unmenschlich
Dieser Fehler unterläuft Grünen und Linken schon länger im Umgang mit Linksradikalen. Dabei geht es nicht um die leidige Frage, ob Linksextremisten genauso schlimm seien wie Rechtsextremisten. Diesen Vergleich kann man als unsinnig abtun, wirft man nur einen Blick auf die lange Liste an rechten Mordopfern seit der Wiedervereinigung.
Unabhängig davon gibt es aber in Deutschland faktisch Tausende gewaltbereiter Linker, die sich auf Grundlage ihrer vermeintlichen moralischen Überlegenheit das Recht auf Gewalt herausnehmen. Das fängt an bei brennenden Autos und Gewaltandrohungen gegen AfD-Politiker und von ihnen gebuchte Tagungshotels, geht weiter über Immobilienunternehmer und ihre Anwälte bis hin zu konservativen Journalisten. Gewalt von links trifft auch Vertreter der politischen Mitte, so wie den streitbaren Berliner SPD-Abgeordneten Tom Schreiber oder SPD-Innensenator Andreas Geisel, dessen Bürgerbüro wiederholt beschädigt wurde.
Gewaltbereite Linksextremisten bedienen sich der Mittel von Kriminellen und Rechtsextremisten, wenn sie Menschen als ihre Gegner ausmachen. Das ist immer undemokratisch und da, wo Individuen in ihrer körperlichen Unversehrtheit oder wirtschaftlichen Existenz gefährdet werden, auch immer unmenschlich. Wer Verantwortung für dieses Land übernehmen will, wer einen demokratischen Rechtsstaat regieren will, muss deshalb auch Gewalttaten aus vermeintlich nahestehenden Kreisen konsequent als das verurteilen, was sie sind: inakzeptabel.
Hinweis: In der ursprünglichen Version dieses Kommentars hieß es, Justizsenator Behrendt habe zu den Vorgängen rund um die Räumung der Liebigstraße 34 geschwiegen. Das haben wir nach einem Hinweis aus seinem Haus entsprechend korrigiert.
Quelle: ntv.de