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SPD-Spitze bekräftigtLinkspartei-Befürworter fliegen

20.03.2004, 10:25 Uhr

Auf ihren letzten Sitzungen vor dem Sonderparteitag in Berlin hat die SPD-Spitze bekräftigt, sich von allen Unterstützern einer Linkspartei in den eigenen Reihen trennen zu wollen.

Vor dem Sonderparteitag in Berlin hat die SPD-Spitze bekräftigt, sich von allen Unterstützern einer Linkspartei in den eigenen Reihen trennen zu wollen. Nach Sitzungen des SPD-Präsidium und des Vorstands der Partei verwies SPD-Vize Kurt Beck auf die Satzung der Sozialdemokraten, die einen Ausschluss von Parteimitgliedern vorsehe, wenn sie Gruppierungen bildeten, die gegen die SPD agitierten. Gegen sechs Initiatoren für eine Neugründung links von der SPD sind bereits Parteiausschlussverfahren eingeleitet.

Bundeskanzler Gerhard Schröder, der auf dem Parteitag nach fünf Jahren den Parteivorsitz an Franz Müntefering abgibt, sagte, der Abschied von dem Amt sei für ihn "etwas schmerzlich".

Ihm habe am Parteivorsitz viel gelegen. Er sei aber sicher, dass unter Münteferings Führung der "Erholungsprozess" der SPD, der sich langsam andeute, verstärkt werde. Für Sonntag erwarte er deshalb einen "guten Parteitag".

Dem "Tagesspiegel" hatte Schröder gesagt, er sehe in der Trennung der Ämter von Regierungs- und SPD-Chef das "Beste für Land und Partei". Der eigentliche Grund seiner Initiative, Müntefering um die Übernahme der Verantwortung für die SPD zu bitten, sei "die Einsicht, dass er das besser kann", sagte Schröder dem "Tagesspiegel".

Lafontaine legt seine "Agenda" vor

Unmittelbar vor dem Sonderparteitag meldete sich der frühere SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine mit einer "Agenda 2004" zu Wort. Mit einem Politikwechsel müsse die SPD versuchen, Vertrauen bei Wählern und Mitgliedern zurückzugewinnen. Lafontaine veröffentlichte seinen Zehn-Punkte-Plan in der "Bild"-Zeitung.

Darin fordert Lafontaine unter anderem, die Nullrunde für Rentner zurückzunehmen, die Praxisgebühr zu streichen, ein Konjunkturprogramm aufzulegen, den Spitzensteuersatz für Einkommens-Millionäre "kräftig" anzuheben und Vermögen und Erbschaften "wie in Amerika" zu besteuern. Außerdem will Lafontaine den Sozialstaat "grundlegend" umbauen: "Alle Deutschen, die Einkünfte haben, zahlen in die Sozialkassen – auch Beamte, Selbstständige und Besserverdienende."

Zu den Realisierungschancen schreibt Lafontaine: "Die CDU macht im Bundesrat nicht mit? Das mag sein. Aber die Genossen können wieder aufrecht gehen und müssen sich für ihre Partei nicht mehr schämen."

Scharping: "SPD droht zu erfrieren"

Auch Ex-SPD-Chef Rudolf Scharping kritisierte die derzeitige Politik von SPD und Bundesregierung scharf. Im Magazin "Cicero" warnte der im Sommer 2002 als Verteidigungsminister entlassene Politiker: "Die SPD droht zu erfrieren." Die Sozialdemokratie habe "in einem Ausmaß und mit einem Tempo an Verankerung in der Gesellschaft und an Macht, an Kompetenz und Glaubwürdigkeit verloren wie noch nie".

DGB-Chef Michael Sommer hielt der SPD erneut eine "unsoziale und arbeitnehmerfeindliche" Politik vor. Lob bekam Schröder dagegen von der Wirtschaft. Industrie-Präsident Michael Rogowski sagte der "welt am Sonntag", die von der Regierung eingeleiteten Reformen stießen auch im Ausland auf Anerkennung.