Politik

Bereitschaft zum Dialog Muslimbrüder geben sich moderat

Die Jugend hat die Revolution in Kairo losgetreten. Deshalb sucht jetzt jeder, der Pläne für die Post-Mubarak-Ära hat, ihre Nähe. Doch die Protestbewegung tut vermutlich gut daran, sich von niemandem vereinnahmen zu lassen und eher auf neutrale Vermittler zu setzen.

Die wichtigsten Akteure der Ägypten-Krise: Omar Suleiman, (l, oben), Amr Moussa (r, oben), Mohamed el-Baradei (l, unten) und Ahmad Schafik.

Die wichtigsten Akteure der Ägypten-Krise: Omar Suleiman, (l, oben), Amr Moussa (r, oben), Mohamed el-Baradei (l, unten) und Ahmad Schafik.

(Foto: dpa)

Die Muslimbruderschaft gilt - neben der Nationaldemokratischen Partei von Präsident Husni Mubarak - als die am besten organisierte politische Organisation in Ägypten. Darum ist es in der aktuellen Umbruchphase auch kaum möglich, einen tragfähigen Kompromiss ohne sie zu finden. Dass viele liberale Ägypter wie auch westliche Regierungen ihnen misstrauen, ändert daran nichts. Da die Bewegung weiß, dass sie dem Westen genauso suspekt ist wie den ägyptischen Christen und den Nachkommen der alten Bourgeoisie, gibt sie sich in diesen Tagen moderater als gewohnt.

Die Muslimbrüder betonen in einer Erklärung, "dass wir für die nächste Präsidentschaftswahl keinen Kandidaten aufstellen werden". Zudem bekundeten sie ihre Bereitschaft "zu einem ernsthaften Dialog". Bislang sieht es nach Einschätzung unabhängiger Beobachter so aus, als hätten sich die Muslimbrüder mit dem ehemaligen Chef der Internationalen Atomenergiebehörde, dem Friedensnobelpreisträger Mohammed el-Baradei, verbündet. Er wird von Washington akzeptiert und gilt als unverbraucht. El Baradei hat viele Jahre im Ausland verbracht und sich bislang mit keinem der untereinander teils sehr zerstrittenen ägyptischen Oppositionellen angelegt.

Wer kommt nach Mubarak?

Die Kompromissvorschläge des mit unabhängigen Persönlichkeiten besetzten "Rates der Weisen" ist den Muslimbrüdern dagegen suspekt. Das Gleiche gilt für die Vermittlungsbemühungen des Generalsekretärs der Arabischen Liga, Ame Moussa. Ebenso wie el-Baradei hat Mussa sein Interesse an einer Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl im September angemeldet. Moussa hat eine große Anhängerschaft - und wäre damit unabhängiger als el-Baradei, der stärker auf die Unterstützung der kleineren Parteien und der Bruderschaft angewiesen ist.

Vizepräsident Omar Suleiman kommt als Hoffnungsträger für die Zeit nach Mubarak aus Sicht der Oppositionsgruppen auf keinen Fall infrage. Als ehemaliger Geheimdienstchef war er Teil des Systems Mubarak. Jetzt kommt ihm die undankbare Aufgabe zu, eben dieses System Mubarak möglichst schmerzfrei abzuwickeln. Eine immense Aufgabe, denn in Ägypten ist mit dem Widerstand einflussreicher Kreise zu rechnen: Von den Spitzeln und Folter-Polizisten bis zu den reichen Geschäftsleuten und Partei-Funktionären.

Viel Anerkennung

Die ägyptische Jugendbewegung hat für ihre friedliche Form des Protestes international viel Anerkennung erhalten. Sie ist sich der Risiken, die der Tanz mit der Macht beinhaltet, inzwischen bewusst geworden. Vor allem viele koptische Christen warnen jetzt davor, dass die Muslimbrüder die Situation für ihre eigenen Zwecke ausnutzen könnten. Voller Sorge hieß es diese Woche in einem koptischen Internet-Forum: "Die US-Regierung spricht jetzt auch mit den Muslimbrüdern - Wir Christen in der Heimat und im Ausland müssen jetzt zusammenhalten, damit Ägypten nicht zerstört wird."

Wie sie mit den Forderungen der Muslimbrüder umgehen sollen, darüber sind sich die jungen Organisatoren der Proteste noch nicht einig. Einige von ihnen schlugen die Gründung einer neuen "Partei der Jugend" vor. Sie sprachen mit el-Baradei und bejubelten Amr Moussa, als er sie auf dem Tahrir-Platz besuchte. Wer sich in Kairo letztlich durchsetzen kann, ist noch offen. Nur von den Politikern der etablierten Oppositionsparteien dürfte wohl niemand genügend Rückhalt in der Bevölkerung haben, um für das höchste Amt zu kandidieren.

Quelle: ntv.de, Anne-Beatrice Clasmann, dpa

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