Politik

Kritik an Israel Netanjahu bietet Grass Paroli

Seine Thesen sind umstritten: Günter Grass

Seine Thesen sind umstritten: Günter Grass

(Foto: dpa)

Die Reaktionen aus Israel auf das umstrittenen Grass-Gedicht "Was gesagt werden muss" waren bislang eher moderat. Nun meldet sich Ministerpräsident Netanjahu zu Wort. In seiner - ebenfalls in Gedichtform verfassten - Replik verweist er darauf, dass Israel vom Iran bedroht werde. Zudem erinnert er an die Zeit Grass' in der Waffen-SS.

Stellungnahme Benjamin Netanjahus zu dem Gedicht von Günter Grass

"Der peinliche Vergleich,den Günter Grass zwischen Israel und dem Iran gezogen hat, einem Regime, dasdie Shoah leugnet und zur Vernichtung Israels aufruft, sagt sehr wenig überIsrael und viel über Herrn Grass.
Der Iran, nicht Israel, stellt eine Bedrohung für den Weltfrieden und dieSicherheit in der Welt dar.
Der Iran, nicht Israel, droht anderen Staaten damit, sie auszulöschen.
Der Iran, nicht Israel, unterstützt Terrororganisationen, die Raketen gegenunschuldige Zivilisten richten.
Der Iran, nicht Israel, unterstützt das Massaker des syrischen Regimes anseinem Volk.
Der Iran, nicht Israel, steinigt Frauen, henkt Homosexuelle und unterdrücktaufs grausamste Millionen eigener Bürger.
Sechzig Jahre lang hat Herr Grass seine Vergangenheit als Mitglied derWaffen-SS verschwiegen. Daher überrascht es nicht, dass er den einzigenjüdischen Staat auf der Welt als größte Bedrohung für den Weltfrieden ansiehtund ihm sein Recht auf Selbstverteidigung abspricht.
Anständige Leute auf der ganzen Welt sollten diese ignoranten und verwerflichenAussagen verurteilen."

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat auf das umstrittene Gedicht "Was gesagt werden muss" von Literaturnobelpreisträger Günter Grass reagiert. Er warf dem Schriftsteller einen "schändlichen" Vergleich Israels mit dem Iran vor und erinnerte an die Mitgliedschaft des Autors in der Waffen-SS.

"Der Iran, nicht Israel ist eine Bedrohung für den Frieden und die Sicherheit der Welt", unterstrich Netanjahu in einem von seinem Büro als Gedicht deklarierten Text. "Der Iran, nicht Israel droht anderen Staaten mit der Vernichtung." Grass habe "sechs Jahrzehnte verborgen, dass er in der Waffen-SS war". Der Literaturnobelpreisträger hatte sich 2006 ausführlich über die Zeit in der Waffen-SS geäußert, was eine breite öffentliche Debatte auslöste.

Grass' Hinübergleiten von der Fiktion zur Science Fiction sei "erbärmlich" und "geschmacklos", sagte der israelische Außenamtssprecher Jigal Palmor. Der israelische Historiker Tom Segev schrieb in der Zeitung "Haaretz", das Gedicht sei "eher pathetisch als antisemitisch". Ähnlich äußerte sich auch der israelische Ex-Botschafter in Deutschland, Avi Primor.

Auch Unterstützer melden sich zu Wort

In Schutz genommen wurde Grass vom Präsidenten der Akademie der Künste, Klaus Staeck. "Man muss ein klares Wort sagen dürfen, ohne als Israel-Feind denunziert zu werden", sagte Staeck der "Mitteldeutschen Zeitung". "Die reflexhaften Verurteilungen als Antisemit finde ich nicht angemessen." Grass habe "das Recht auf Meinungsfreiheit auf seiner Seite" und nur "seiner Sorge Ausdruck verliehen". Diese Sorge teile er "mit einer ganzen Menge Menschen".

Grass selbst will seine Kritik an der israelischen Regierung "auf keinen Fall widerrufen". "Mit kritikloser Hinnahme hilft man Israel nicht", sagte Grass, "das ist Nibelungentreue und wir wissen, wohin die führt." Grass wies die Kritik an seinem Gedicht als überzogen zurück. "Der durchgehende Tenor ist, sich bloß nicht auf den Inhalt des Gedichtes einlassen, sondern eine Kampagne gegen mich zu führen, und zu behaupten, mein Ruf sei für alle Zeit geschädigt", sagte Grass dem NDR.

Grass beklagt "verletzende Gehässigkeit"

Grass fuhr fort: "Es ist mir aufgefallen, dass in einem demokratischen Land, in dem Pressefreiheit herrscht, eine gewisse Gleichschaltung der Meinung im Vordergrund steht." Der Begriff Gleichschaltung entstammt der Terminologie der Nationalsozialisten. Als Gleichschaltung bezeichneten die Nazis die Beseitigung der pluralistischen Gesellschaft durch die Auflösung oder Unterstellung ehemals freier Medien, Vereine, Gewerkschaften oder Organisationen unter die NS-Herrschaft.      

Er ergänzte, "eine derart massive Verurteilung bis hin zum Vorwurf des Antisemitismus" sei "von einer verletzenden Gehässigkeit ohnegleichen". Er werde "an den Pranger gestellt." Grass räumte jedoch auch einen Fehler ein. Es wäre besser gewesen, nicht von "Israel" generell zu sprechen, sondern von der "derzeitigen Regierung Israels". Die Lieferung eines sechsten U-Boots an Israel durch Deutschland, der Auslöser seiner Publikation, sei "eine falsche Form der Wiedergutmachung", bekräftigte Grass. In seinem Gedicht warf er der israelischen Regierung vor, mit ihrer Iran-Politik den Weltfrieden zu gefährden.

Quelle: ntv.de, jog/rts/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen