"Als Waffenhändlerin durch die Welt" Opposition attackiert Merkel
14.07.2011, 18:25 Uhr
Auf Afrika-Tour: Merkel mit Vertretern der Religionsgemeinschaften Nigerias.
(Foto: dapd)
Dass Kanzlerin Merkel nach dem umstrittenen Panzer-Deal mit den Saudis nun auch im armen und korrupten Angola Waffen verkaufen will, stößt auf heftige Kritik von SPD, Linken und Grünen. "Jede Reise der Bundeskanzlerin ist in irgendeiner Form mit Rüstungslieferungen letztlich verknüpft", sagt die SPD. Merkel verteidigt den Deal. Die Militärboote dienten nur der Grenzsicherung.
Die Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel wegen des geplanten Rüstungsgeschäfts mit Angola nimmt weiter zu. Die Parteivorsitzende der Linken, Gesine Lötzsch, sprach von inakzeptablem Rüstungslobbyismus: "Ich fordere Angela Merkel auf, nicht als Waffenhändlerin durch die Welt zu reisen."
Der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Omid Nouripour, kritisierte in der "Mitteldeutschen Zeitung": "Mir drängt sich der Eindruck auf, dass sich Frau Merkel in erster Linie als Handelsreisende versteht und ihr der Rest relativ gleichgültig ist." Seine Parteikollegin Katja Keul verwies auf massive Menschenrechtsverletzungen und eine katastrophale Ernährungssituation in dem südwestafrikanischen Land.

Vor Merkel (l.) war Erich Honecker 1979 als vorläufig letzter deutscher (de facto-) Regierungschef in Angola. Wenige Monate später kam Dos Santos (r.) an die Macht.
(Foto: dpa)
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Groschek nannte es "ein starkes Stück", solche Rüstungsgeschäfte in die parlamentarische Sommerpause zu legen, und Keul forderte: "Die Kanzlerin sollte sich nicht für Waffenausfuhren an Despoten, sondern für demokratische und rechtsstaatliche Reformen und die Menschen in Angola einsetzen."
"Türöffner für Rüstungsgeschäfte"
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, hat den Eindruck, "dass die Bundeskanzlerin dieses Angebot sozusagen auch als Türöffner für weitere Rüstungsgeschäfte" nehme. "Jede Reise der Bundeskanzlerin ist in irgendeiner Form mit Rüstungslieferungen letztlich verknüpft", sagte Mützenich bei n-tv, "in Indien mit dem Eurofighter und an vielen anderen Orten auch. Ich finde, die Bundeskanzlerin darf keine Handlungsreisende in diesen Waffengeschäften letztlich sein, auch nicht so auftreten. Insbesondere wirkt natürlich auch nach, dass sie in der letzten Woche überhaupt nicht Stellung genommen hat zu einem möglichen Panzerdeal nach Saudi-Arabien."
Mützenich verwies darauf, dass das Auswärtige Amt die Menschenrechtslage in dem Land als schlecht einschätze. "Wir haben Rüstungsexport-Richtlinien hier in Deutschland erlassen, die sowohl die Menschenrechts-Situation, aber insbesondere auch die Frage, ob es möglicherweise Grenzstreitigkeiten gibt, auch mit diskutiert. Ich finde, das muss die Bundesregierung dann auch offen mit uns diskutieren. Die Bundeskanzlerin verschiebt einfach die Achse der deutschen Außenpolitik hin zu mehr Rüstung und das finde ich falsch."
Die CDU wies vor allem die Kritik der Linken zurück. "Diese Unterstellung ist ein Skandal! Wieder einmal lässt die Linkspartei jeden Funken Anstand vermissen. Lötzsch muss sich für diese Beleidigung schnellstens entschuldigen", erklärte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Er beklagte zudem fehlende Sachkenntnis bei den Linken. Die in der Diskussion stehenden Patrouillenboote würden Angola ermöglichen, den Küstenschutz zu verbessern. Nicht zuletzt gehe es dabei auch um die Eindämmung von Seepiraterie, sagte er.
"Undramatischer Vorgang"
Merkel hatte am Vortag bei einem Besuch in Angola die Lieferung mehrerer Patrouillenschiffe in Aussicht gestellt. Dabei soll es sich um sechs bis acht Boote zur Grenzsicherung handeln. Verteidigungsminister Thomas de Maizière sagte bei einem Besuch in Tel Aviv: "Das ist ein völlig undramatischer Vorgang." Die Kanzlerin habe lediglich darauf hingewiesen, dass es ein deutsches Angebot gebe und dass man bei der Ausbildung der Marine helfen könne. Auch Merkel hatte Kritik an dem Waffendeal zurückgewiesen. "Ich glaube nicht, dass wir hier im umfassenden Sinne die Aufrüstung betreiben." Es sei normal, dass jedes Land seine Grenzen sichern wolle. Zudem sei es das erklärte Ziel, die oft aus Bürgerkriegen stammenden afrikanischen Armeen besser auszubilden, damit sie künftig mehr UN-geführte Sicherheitsmissionen auf ihrem Kontinent übernehmen könnten. "Wir sind froh, wenn wir solche Einsätze nicht mit Europäern alleine machen müssen. Und Afrika will hier etwas tun."
SPD und Linke mahnten aber erneut eine grundsätzliche Reform der Rüstungsexportkontrolle an. Lötzsch forderte, der Bundestag müsse künftig bereits im Vorfeld über eventuelle Waffenlieferungen entscheiden. Auch Groschek beklagte, die derzeitige Geheimniskrämerei im Bundessicherheitsrat sei "ein Relikt des Kalten Krieges".
Station in Nigeria
Unterdessen traf Merkel am Mittwochabend in Nigeria ein, der letzten Station ihrer viertägigen Afrikareise. Am Flughafen von Abuja empfingen sie die stellvertretende Außenministerin Viola Onwuliri und weitere Regierungsmitglieder.
Nach einem Gespräch mit Staatspräsident Goodluck Jonathan sagte Merkel, es werde eine gemeinsame Kommission eingerichtet, um die Entwicklung der bilateralen Beziehungen zu forcieren. Die Kanzlerin forderte Nigeria zugleich zur Einhaltung von Menschenrechten und der Rechte von Minderheiten auf. "Deutschland will ein Partner Nigerias sein auf dem Weg zu mehr Wohlstand, aber auch zu mehr Rechtssicherheit." Bisher habe Nigeria eine solche Partnerschaft mit Südafrika und den USA.
"Noch viele Probleme"
Merkel lud Jonathan für 2012 zu einem Besuch in Berlin ein. Sie würdigte Nigerias Engagement und Truppenstellung für Friedensmaßnahmen in Afrika. Die Konfliktlösung in Afrika durch eigene Kräfte sei wichtig. "Nigeria hat noch viele Probleme zu überwinden. Dabei wollen wir zur Seite stehen."
Zuvor hatte sich Merkel mit Vertretern der Religionsgemeinschaften getroffen. Die Bevölkerung besteht je zur Hälfte aus Muslimen und Christen. Politik und Kultur sind geprägt von Spannungen zwischen dem überwiegend muslimisch geprägten Norden und dem christlichen Süden. Merkel sagte, in ihrem Gespräch hätten die Vertreter erklärt, dass sie eng mit der Regierung zusammenarbeiteten.
Nigeria, das bevölkerungsreichste afrikanische Land, ist der achtgrößte Ölexporteur weltweit, leidet aber unter akuter Stromknappheit. Erste Station des Afrika-Besuchs Merkels war zu Beginn der Woche Kenia.
Quelle: ntv.de, hvo/AFP/dpa/rts