Berlin erleichtert, Straßburg applaudiert Politiker atmen auf
12.09.2012, 11:09 Uhr
Sowohl ESM-Gegner Gregor Gysi wie auch Befürworter Sigmar Gabriel sind mit dem Urteil zufrieden.
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Das politische Berlin muss nicht mehr zittern. Das Bundesverfassungsgerichts beendet die Sorgen um ein schnelles Scheitern der Euro-Rettung. Das Europäische Parlament unterbricht seine Sitzung und klatscht Beifall. Die Linke vermutet dagegen, das Urteil sei die "Geburtsstunde der Vereinigten Schulden von Europa".
, auch viele Politiker zeigen sich erleichtert. So twitterte der Grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck schlicht "Uff!", sein Parteikollege Sven Kindler schreibt nur "Gut!".
Im Europaparlament in Straßburg unterbrach Parlamentspräsident Martin Schulz die laufende Debatte mit den Worten: "Das Bundesverfassungsgericht hat die Klagen abgelehnt, der Europäische Stabilitätsmechanismus ist zulässig". Daraufhin applaudierten die Parlamentarier 20 Sekunden lang. Der Grüne Fraktionsvorsitzende Daniel Cohn-Bendit rief in den Saal hinein: "Da haben wir ja schon eine erste gute Nachricht heute."
"Das ist ein guter Tag für Deutschland, und das ist ein guter Tag für Europa", sagte Merkel im Bundestag. "Deutschland sendet heute einmal mehr ein starkes Signal nach Europa und darüber hinaus."
Steinmeier: "Bundestag nicht nur beteiligen"
Auch SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier begrüßte bei n-tv das Urteil und auch die Einschränkungen, die es für den ESM einfordert: "Worum es hier geht, ist die Wahrung der Rechte des Parlaments", sagte er. "Verfassungsgemäß ist der Stabilitätsmechanismus nur dann, wenn der Bundestag an den zentralen Entscheidungen nicht nur beteiligt ist, sondern sie tatsächlich trifft."
Gregor Gysi zeigte sich bei n-tv trotz der Niederlage seiner Linkspartei zufrieden: "Das Bundesverfassungsgericht hat eine sehr mutige Entscheidung getroffen: Es verlangt von der Regierung, Vorbehalte zu erklären, bevor die Verträge unterschrieben werden. Und zwar verlangt es völkerrechtlich verbindliche Vorbehalte. Das ist doch beachtlich, was wir da erreicht haben."

Frank-Walter Steinmeier freut sich über die Stärkung des Parlaments durch das Bundesverfassungsgericht.
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Die Richter hatten betont, dass die Haftung Deutschlands im ESM nur dann die zugesagten 190 Milliarden Euro überschreiten dürfe, wenn der Bundestag dem zustimmt. Für eine solche Erhöhung darf Deutschland also nicht von den anderen beteiligten Staaten überstimmt werden.
Die Grüne Bundestagsabgeordnete Priska Hinz sieht in diesem Punkt keinen Änderungsbedarf: "Höhere Haftung als bislang vorgesehen darf sowieso nur mit Zustimmung des Bundestages erfolgen", twitterte sie.
Bosbach: "Haftungsrisiken werden immer größer"
Wolfgang Bosbach (CDU) kann das nicht überzeugen: "Wir haften mit 190 Milliarden Euro, also mit zwei Dritteln der Staatseinnahmen des Bundes in einem Jahr auf Dauer und unkündbar", sagte er bei n-tv. Und wenn die Europäische Zentralbank zeitgleich ankündige, notfalls in unbegrenzter Höhe Staatsanleihen anzukaufen, wachse auch dadurch der deutsche Haftungsanteil. "Wenn die EZB diesen Kurs wie angekündigt fortführt, dann werden unsere Haftungsrisiken immer größer."
Der ESM-Gegner Klaus-Peter Willisch (CDU) sagte bei n-tv, er habe sich mehr erwartet – also auf stärkere Auflagen für die Politik gehofft. Er fügte hinzu: "Insgesamt muss man natürlich sagen, dass der Euro-Währungsraum nach dieser Entscheidung sich deutlich unterscheidet von dem, den wir mal gegründet haben. Denn Vorbild für die EZB und die Konstruktion des Währungsraums war die deutsche Bundesbank. Jetzt entwickelt sich das mehr so in Richtung Banca d'Italia."
Riexinger: "Vereinigte Schulden von Europa"
Der Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands hofft dagegen nun auf eine Entspannung der Schuldenkrise: "Die Europäische Union und der Euroraum erhalten mit dem ESM und dem Fiskalpakt überzeugende Werkzeuge zur glaubhaften Bekämpfung von Krise und Spekulation", sagte Hauptgeschäftsführer Hans Reckers in Berlin.
SPD-Chef Sigmar Gabriel betonte bei n-tv die Vorteile des Rettungsschirms für Deutschland: "Es ist vor allen Dingen eine gute Nachricht für Millionen von Arbeitsplätzen in Deutschland. Denn unsere Jobs hängen davon ab, dass wir im Export erfolgreich sind. Und wäre Europa ins Chaos gestürzt worden, indem wir keine Rettungsschirme aufbauen, dann wären wir Deutschen und unsere Arbeitnehmer die am härtesten Betroffenen."
Andere Themen treten hinter der wegweisenden Gerichtsentscheidung weit zurück. Ein Twitter-User kommentiert: "Diese Geheimnistuerei vor einem großen Event… Karlsruhe hat viel von Apple gelernt und liegt zurzeit klar vorne."
Quelle: ntv.de, che/dpa