Politik

Brennende Häuser, über 200 Festnahmen Randalierer verwüsten Teile Londons

Ein brennendes Gebäude in Croydon, südliches London: Die Polizei hat die Lage nicht mehr im Griff.

Ein brennendes Gebäude in Croydon, südliches London: Die Polizei hat die Lage nicht mehr im Griff.

(Foto: AP)

Den dritten Tag in Folge kommt es in London zu schweren Ausschreitungen. Randalierer liefern sich Kämpfe mit der Polizei, zünden Häuser und Autos an. Auslöser der Unruhen sind tödliche Schüsse der Polizei auf einen Mann. Bislang werden über 200 Menschen festgenommen. Premier Cameron bricht wegen der Gewalt seinen Urlaub ab.

Gewalt und Vandalismus in London drohen außer Kontrolle zu geraten. Den dritten Tag in Folge zogen am Abend brandschatzende Banden durch die Stadt und verwandelten Straßenzüge in ein flammendes Inferno. Im Stadtteil Croydon brannte ein ganzer Straßenzug, aus einem Möbellager schlugen meterhoch die Flammen. Polizei und Feuerwehr schienen völlig überfordert. Auch Kinder sollen unter den Randalierern sein. Premierminister David Cameron berief für Dienstagmorgen eine Sondersitzung des Nationalen Sicherheitsrates ein.

Ein Randalierer marschiert an einem brennenden Auto vorbei.

Ein Randalierer marschiert an einem brennenden Auto vorbei.

(Foto: dpa)

Die Unruhen breiteten sich am Montag weiter aus. Auch in den Stadtteilen Clapham, Peckham, Hackney und Lewisham gab es Krawalle. Mit Birmingham war zudem erstmals eine Stadt außerhalb Londons betroffen. Der amtierende Chef der Londoner Polizei Scotland Yard, Tim Godwin, rief alle Eltern auf, ihre Kinder zu kontaktieren. Die Menschen sollten die Straßen räumen. "Es sind viel zu viele Schaulustige auf den Straßen", sagte er. Die Polizei hat 300 Beamte aus anderen Städten Großbritanniens nach London beordert. Von Anwohnern wird bereits der Einsatz der Armee gefordert.

Die Jugendlichen bildeten laut Polizei über das Internet "kleine und mobile" Gruppen. Sie hätten sich mit Smartphones organisiert und seien sehr schnell von einem Ort zum nächsten weitergezogen, berichteten Beobachter. Die Polizei habe daher große Probleme gehabt, die Randalierer unter Kontrolle zu bekommen. Scotland Yard drohte Twitter-Usern, die über den Kurznachrichtendienst zu Gewalt aufrufen, hohe Strafen an.

Den dritten Tag in Folge kommt es in London zu Ausschreitungen.

Den dritten Tag in Folge kommt es in London zu Ausschreitungen.

(Foto: dpa)

Premierminister Cameron hat wegen der sich ausbreitenden Ausschreitungen London seinen Urlaub in der Toskana abgebrochen. Cameron werde noch am Montagabend nach London zurückkehren, teilte die Downing Street mit. Auch Vize-Premier Nick Clegg, Innenministerin Theresa May und Londons Bürgermeister Boris Johnson unterbrachen ihren Urlaub.

Mindestens 215 Festnahmen

Plündernde und brandschatzende Banden, die in der Nacht zum Sonntag in Tottenham die Randale begonnen hatten, waren schon in der Nacht zum Montag in weitere Stadtteile weitergezogen, vor allem im Norden, Osten und Süden der Metropole. Die Polizei nahm inzwischen nach Angaben von Innenministerin Theresa May 215 Randalierer fest, 25 wurden bereits angeklagt.

Ein Polizist vor einem noch kohlenden Auto in Hackney.

Ein Polizist vor einem noch kohlenden Auto in Hackney.

(Foto: REUTERS)

Mehr als 40 Polizisten wurden verletzt. Vizepremierminister Nick Clegg sagte in Tottenham, wo die Krawalle in der Nacht zum Sonntag begonnen hatten, die Randalierer seien "opportunistische Kriminelle". Sie hätten schon jetzt "große Narben" in der Gesellschaft hinterlassen.

Die Krawalle hatten in der Nacht zum Sonntag im Problemviertel Tottenham begonnen. Zwei Tage zuvor war dort der 29-jährige Mark Duggan von einem Polizisten erschossen worden. Unklar war, ob der farbige Familienvater, der der Banden- und Drogenszene zugerechnet wird, das Feuer eröffnet hatte. Ergebnisse ballistischer Tests sollten am Dienstag veröffentlicht werden.

Schüsse auf Familienvater

Ein zerstörtes Haus in Tottenham.

Ein zerstörtes Haus in Tottenham.

(Foto: AP)

Der Mann hatte nach Darstellung der Polizei bei einer Kontrolle aus einem Taxi auf die Fahnder geschossen. Eine Kugel, die das Funkgerät eines Polizisten traf, stammte nach einer ersten Untersuchung aber offenbar aus einer Polizeiwaffe, berichteten mehrere britische Medien. Mitglieder der Farbigen-Community werfen der Polizei Rassismus vor.

Randalierer aller Ethnien hatten daraufhin in Tottenham Büros, Wohnungen, Supermärkte, Polizeiautos und einen Doppeldecker-Bus in Brand gesetzt und Geschäfte ausgeplündert. Von einigen Häusern blieben nur die Grundmauern übrig. Familien wurden obdachlos, weil ihre Wohnungen ausbrannten. "Das hat absolut nichts mit dem Tod von Mark Duggan zu tun", sagte Clegg. Die Gewalt sei "total unakzeptabel". Der örtliche Abgeordnete David Lammy sagte, Tottenham sei "das Herz entrissen" worden. Die Sachschäden an Gebäuden und öffentlichen Einrichtungen gehen in den mehrstelligen Millionenbereich.

Im Stadtteil Brixton im Süden verwüsteten in der Nacht zum Montag mehr als 200 Jugendliche die zentrale Einkaufsstraße. In Enfield im Norden sowie den Stadtvierteln Walthamstow und Waltham Forest im Nordosten griffen Jugendliche Polizisten an, zerstörten Schaufenster und plünderten Läden. Die Feuerwehr musste rund 50 Brände löschen. Einige dieser Gegenden sind für soziale Probleme bekannt.

Familie distanziert sich

Die Familie des getöteten Mannes distanzierte sich von der Gewalt. Das sei nicht im Sinne des 29-Jährigen, sagte dessen Bruder. Bei den Tätern handle es sich offenbar um "Trittbrettfahrer", erklärte Scotland Yard. Die Beamten seien schockiert über das Ausmaß der Gewaltbereitschaft. London ist in einem Jahr (27. Juli bis 12. August 2012) Austragungsort der Olympischen Spiele. Die Sicherheit ist eines der meistdebattierten Themen im Vorfeld der Spiele.

Die Problembezirke Tottenham und Brixton waren bereits in den 80er Jahren Schauplatz gewaltsamer Ausschreitungen. Ein Gemeindeaktivist in Tottenham sagte, die derzeitigen Unruhen zeigten deutliche Parallelen zu der Gewalt im Viertel 1985. Die Ausschreitungen seien eine Folge der hohen Arbeitslosigkeit und der aktuellen Kürzungen im Sozialwesen.

Quelle: ntv.de, AFP/dpa/rts

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