Noch keine Steuerbeschlüsse gefasst Rösler: Es ist an der Zeit
23.06.2011, 13:05 Uhr
An einer Pinnwand im Sächsischen Landtag in Dresden.
(Foto: dpa)
FDP-Chef Rösler drängt den Koalitionspartner CDU zu raschen Steuerentlastungen. Die Kanzlerin lässt verkünden, dass die Koalition zwar den Mittelstand entlasten wolle, unklar sei aber wann und wie hoch. Die SPD spricht von einem unerträglichen Steuersenkungs-Durcheinander. Auch in den Ländern regt sich Widerstand.
Die Steuersenkungspläne der Bundesregierung sorgen für Verwirrung. Die SPD kritisierte die "Art und Weise" des Vorgehens. "Das große Durcheinander in der schwarz-gelben Koalition ist unerträglich", sagte SPD-Fraktionsvize Joachim Poß in Berlin. Er forderte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf, endlich Klarheit zu schaffen. "Er muss erklären, wie er die großen Aufgaben von Bundeswehrreform bis Energiewende finanzieren will." Zudem müsse geklärt werden, ob sich die Regierung an die Einhaltung der Schuldenbremse halten will. "Die unseriöse Vorstellung der FDP, CSU und mancher in der CDU, man könne Steuersenkungen über konjunkturbedingte Mehreinnahmen des Staates finanzieren, muss Schäuble dringend beenden", forderte Poß.
Die schwarz-gelbe Koalition schloss Steuersenkungen derweil bereits zum Jahreswechsel aus. "Die Bundesregierung wird zwar noch in dieser Legislaturperiode Steuererleichterungen für kleine und mittlere Einkommen beschließen, aber noch nicht zum 1.1.2012", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Union und FDP würden erst "sehr genau prüfen müssen", welche finanziellen Spielräume es dafür gebe. "Es versteht sich, dass die Haushaltsentwicklung vorgibt, welche Entlastungen wir den Bürgern verschaffen können", betonte Seibert.
Auch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) wies im Gespräch mit n-tv darauf hin, dass "noch keine konkreten Beschlüssen gefasst wurden". Es gebe momentan ein enormes Wachstum, von dem vor allem die Unternehmen profitieren sollten. "Aber wir wollen auch, dass das Geld bei denjenigen ankommt, die uns das Wachstum überhaupt erst möglich machen: Bei den ganz normalen Menschen, bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern." Wenn man auf der einen Seite den Haushalt konsolidiere, entstünden auf der anderen Seite neue Spielräume. Obgleich die Koalition noch keine Beschlüsse gefasst habe, "weise ich darauf hin, dass es genau jetzt an der Zeit ist, eine solche Diskussion und Debatte zu führen".
Die "Bild"-Zeitung hatte berichtet, eine erste Runde von Steuersenkungen könnte schon zum 1. Januar 2012 in Kraft treten.
"Debatten, die kommen und gehen"
Die Bundesregierung hatte am Vortag angekündigt, angesichts des kräftigen Wirtschaftswachstums in den kommenden Wochen mögliche Steuersenkungen prüfen zu wollen. Aus den Ländern kam allerdings scharfe Kritik an den Überlegungen. Es gebe angesichts der angespannten Finanzlage . So bemängelt Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff, dass die Pläne der Bundesregierung für eine Steuersenkung vorab nicht unionsintern abgestimmt wurden. "In Gremien, in denen solche Entscheidungen besprochen werden, war dies so kein Thema", sagte der CDU-Politiker der "Mitteldeutschen Zeitung".
Der seit April in Magdeburg regierende Haseloff sprach sich im Einklang mit anderen Ministerpräsidenten gegen eine Steuersenkung in Milliardenhöhe aus. "Für Sachsen-Anhalt kann ich sagen: Das ist mit uns nicht zu machen. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass entsprechende Pläne bei meinen Länderkolleginnen und -kollegen auf Begeisterung stoßen", sagte Haseloff.
Ebenso zeigte sich Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht ablehnend. "Das ist eine der typischen Debatten, die immer wieder kommen und gehen", sagte sie in Erfurt. Gefragt nach dem möglichen Motiv für die Ankündigung erwiderte Lieberknecht: "Es gibt eine Berliner Eigendynamik." Sie verstehe weder Zeitpunkt noch Inhalt der Debatte und zweifle an deren Sinn und Notwendigkeit.

Aktivisten der Kampagne "Steuer gegen Armut" demonstrieren vor dem Bundeskanzleramt in Berlin.
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Auch in der Fraktion regt sich Widerstand. "Ich sehe da derzeit überhaupt keine Mehrheit", sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Michael Kretschmer (CDU) dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Die Leute wollen keine Wohltaten. Die wollen, dass die Sache von A bis Z stimmig ist." Kretschmer, der auch CDU-Generalsekretär in Sachsen ist, forderte, Mehreinnahmen zur Haushaltskonsolidierung zu verwenden. "Wenn die Wirtschaft läuft, dann senkt man keine Steuern, sondern man nimmt das Geld, um Schulden abzubauen. Steuersenkungen hebt man sich auf für einen Zeitpunkt, wo es mal nicht so gut läuft und man neue Impulse setzen will."
Geplant ist vor allem eine Entlastung unterer und mittlerer Einkommen. Dies könne über eine Abflachung des "Mittelstandsbauchs" und der "kalten Progression" bei der Einkommensteuer geschehen. Die "kalte Progression" ist eine Art heimliche Steuererhöhung. Dabei werden Lohnzuwächse durch die höhere Einkommensteuerbelastung größtenteils wieder aufgezehrt.
West-Länder sind sich uneins
Widerstand an den schwarz-gelben Plänen kommt zum Teil auch aus den West-Ländern. Der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Karl-Josef Laumann, sieht dafür keinen Spielraum. "Steuersenkungen bedeuten nicht nur für den Bund Mindereinnahmen, sondern auch für die Länder. Einen Puffer dafür kann ich in den Haushalten der Länder nicht erkennen", sagte Laumann den "Ruhr Nachrichten". "Steuersenkungen auf Pump sind unmoralisch", sagte das CDU-Präsidiumsmitglied. Das Ziel der Schuldenbremse habe "absoluten Vorrang".
Dagegen bezeichnete der CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt die Steuerpläne der Bundesregierung als noch nicht ausreichend. "Wir haben die Zusage gemacht, die Steuern in dieser Wahlperiode zu senken. Das werden wir einhalten. Ein Teil davon ist bereits erfüllt. Ein anderer steht noch aus", sagte Dobrindt der "Passauer Neuen Presse".
Auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier zeigt sich prinzipiell offen für Steuersenkungen. Es sei zwar oberste Priorität, die Haushalte in Ordnung zu bringen, sagte er der "Financial Times Deutschland". Zugleich sprach er sich aber für die Abfederung der kalten Progression aus. "Es ist kein Steuergeschenk, wenn der Staat aufhört, die Menschen über die kalte Progression auszubeuten. Das zu beseitigen, halte ich für richtig", sagte Bouffier. Voraussetzung sei aber, dass die Steuereinnahmen weiter stiegen.
Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sagte dem "Handelsblatt", er sehe keinen Spielraum für Steuerentlastungen, zumal Bund, Länder und Gemeinden trotz guter Konjunktur auch in diesem Jahr neue Schulden machten.
Der rheinland-pfälzische Regierungschef Kurt Beck (SPD) kündigte an, die SPD werde das Vorhaben im Bundesrat blockieren. Seine Parteifreundin Hannelore Kraft, die in Nordrhein-Westfalen regiert, warf Merkel im "Tagesspiegel" Wahlkampfmanöver vor. "Wir werden in NRW eine Milliarden-Transfusion für die blut- und inhaltsleere FDP nicht mitmachen." Die in Umfragen abgestürzten Liberalen hatten im Wahlkampf 2009 massiv mit Steuersenkungen geworben.
Quelle: ntv.de, ppo/dpa/rts/AFP