Politik

Elmar Brok über den Machtkampf in Kiew "Rücktritt Janukowitschs ist nicht erreichbar"

Der Druck von der Straße auf Präsident Janukowitsch ist unvermindert.

Der Druck von der Straße auf Präsident Janukowitsch ist unvermindert.

(Foto: imago/ITAR-TASS)

Der CDU-Europapolitiker Brok erlebt als Teil einer EU-Delegation den Machtkampf in Kiew. Dass die Opposition Janukowitsch zur Aufgabe zwingen kann, glaubt er nicht: "Warum sollte er über seine eigene Abschaffung verhandeln?", fragt er im n-tv Interview.

n-tv.de: Herr Brok, wie bewerten Sie die neuen Entwicklungen in Kiew? Ist das ein Schritt nach vorne?

Elmar Brok: Sie können das als Schritt nach vorne werten, aber bisher ist alles infrage gestellt. Der Präsident hat sich bislang geweigert, das Gesetz zu unterschreiben, mit dem die undemokratischen Gesetze beseitigt werden sollen. Er stellt selbst wieder neue Bedingungen, unter anderem im Zusammenhang mit dem Amnestiegesetz. Noch ist, zum Beispiel was notwendige Verfassungsänderungen angeht, nichts gelaufen, sodass das zurzeit eine Hängepartie ist. Deswegen ist auch die Sitzung des Parlamentes erneut verschoben worden.

Was könnte eine Rückkehr zur Verfassung von 2004 bedeuten?

Das hätte die Konsequenz, dass man von einem Präsidialregime zu einer parlamentarischen Demokratie übergeht, mit mehr Macht für den Ministerpräsidenten und das Parlament. Damit wäre ein wesentlicher Punkt der Forderungen der Opposition erledigt, dass nämlich die Macht nicht so stark in einer Hand gebunden ist. Auch würde dies ermöglichen, dass beispielsweise früher Präsidentschaftswahlen stattfinden können.

Die Opposition fordert ja nach wie vor und unmissverständlich den Rücktritt Janukowitschs. Darauf ist er nicht eingegangen. Wie sehen sie das?

Ich glaube, das ist jetzt auch nicht erreichbar. Warum sollte jemand über seine eigene Abschaffung verhandeln? Aber dieser Weg, also die Amnestiegesetze zu erreichen, undemokratische Gesetze zu beseitigen, die alte Verfassung, die eine parlamentarische und demokratische Regierungsform mit sich bringt, wieder einzuführen und damit Neuwahlen zu machen und auch die Schaffung eines neuen, fairen und überprüfbaren Wahlgesetzes - das wäre schon ein Paket, das viele Neuerungen mit sich bringt. Ideal wäre es, wenn eine neue Regierung, nach dem heutigen Rücktritt der alten, auch wieder den Weg nach Europa öffnet und ein unterzeichnungsfähiger Vertrag wieder mehr in den Mittelpunkt geraten könnte.

Sollte die Opposition darüber nachdenken, Janukowitsch Angebot doch anzunehmen und somit in die Regierung einzutreten?

Sie sollte es erst annehmen, wenn auch die anderen Bedingungen erfüllt sind. Denn unter der heutigen Macht des Präsidenten und der Mehrheit der anderen Seite im Parlament würde ein solcher Ministerpräsident schnell zur Marionette. Deswegen müsste dies in einem größeren Paket eingeordnet sein, wenn es Wirkung haben soll.

Grundsätzlich sehen Sie die Opposition bei Verfolgung ihrer Schritte derzeit also auf dem richtigen Weg?

Die Opposition ist zumindest auf der Seite der Menschen auf dem Maidan, also der Menschen, die um mehr Freiheit kämpfen. Derer, die gegen Gesetze sind, die die Medienfreiheit beseitigen und Menschen ins Gefängnis bringen, gegen eine Staatsgewalt, die Menschen zusammenknüppelt und tötet und die auch die Öffnung nach Europa wieder möglich machen würden. Ich glaube, dass die Opposition deswegen eher die Meinung der Bevölkerung repräsentiert.

Mit Elmar Brok sprach Dirk Emmerich

Quelle: ntv.de

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