Nach der Tragödie von Erfurt Schröder gegen Gewalt in Medien
29.04.2002, 06:35 UhrNach dem Amoklauf in Erfurt will die Bundesregierung energischer gegen die Gewalt in den Medien und den Waffenbesitz von Heranwachsenden vorgehen. Drei Tage nach der Bluttat kündigte Bundeskanzler Gerhard Schröder Gespräche mit den Ministerpräsidenten in der kommenden Woche und danach mit den Intendanten der großen Fernsehanstalten an.
Kanzler und Regierung haben dabei auch die Gewalt im Internet, auf Videos und in Computerspielen im Auge. All dies hängt mit dem Täterprofil des 19-Jährigen zusammen, der am Freitag in einem Gymnasium 16 Menschen und anschließend sich selbst getötet hatte. Nach Ansicht von Schröder und Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber soll auch der Bundestag über die Folgen diskutieren.
Auch das gerade erst reformierte Waffenrecht soll offenbar im Bundesrat weiter verschärft werden. Dies ergab eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa. Mehrere SPD-regierte Länder sprachen sich für eine Anhebung des Mindestalters von 18 auf 21 Jahre für den Besitz und das Führen von Waffen aus, die Unions-Innenminister von Bayern und Bremen schlossen sich dem grundsätzlich an. Schröder verlangte "gravierende Veränderungen" im Waffenrecht.
Elternvertreter für sichere Waffen-Verwahrung
Nach Ansicht des Elternvertreters des Erfurter Gutenberg-Gymnasiums, des Bundesrichters Harald Dörig, sollten scharfe Waffen prinzipiell auf dem Gelände eines Schützenvereins sicher verwahrt werden. "Ich sehe keine Notwendigkeit, dass die Mitglieder die Waffen mit nach Hause nehmen", sagte Döring, der Richter am Bundesverwaltungsgericht ist, in der n-tv Sendung "Maischberger".
Erster Schultag nach dem Massaker
Mit Schweigeminuten vor Unterrichtsbeginn gedachten Lehrer und Schüler in ganz Thürigen der Opfer des Amoklaufes. Vor dem Erfurter Gutenberg-Gymnasium versammelten sich Hunderte Jugendliche und Erwachsene. Die ganze Woche über sollen die Schüler im Rathaus psychologisch betreut werden. Unterricht findet nicht statt.
Nach dem Bundeskanzler und Außenminister Joschka Fischer gedachte auch die Unionsspitze am Tatort der Opfer des Amoklaufs. Kanzlerkandidat Stoiber legte gemeinsam mit CDU-Chefin Angela Merkel Blumengestecke am Gutenberg-Gymnasium nieder. Der Lehrer Rainer Heise, der offensichtlich am Freitag weitere Schüsse verhindert hat, soll das Bundesverdienstkreuz erhalten.
Geplanter Wahnsinn
Die Polizei geht mittlerweile davon aus, dass Steinhäuser seine Tat geplant hat. Erfurts Polizeichef Rainer Grube sagte im ZDF, Steinhäuser habe per Kurzmitteilung über das Handy "informiert, dass bestimmte Leute am Tattag nicht in die Schule gehen sollten". Die polizeilichen Ermittlungen hätten zudem ergeben, dass Steinhäuser sich sehr intensiv mit Gewaltvideos beschäftigt habe.
Steinhäuser war aktiver Sportschütze und im Besitz der erforderlichen Genehmigungen für die Waffen, die er bei sich hatte. Er ist nach Angaben des Kultusministeriums im Herbst 2001 von der Schule verwiesen worden.
Amoklauf und Wahlkampf
Unterdessen entbrannte zwischen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und seinem bayerischen Amtskollegen Günther Beckstein (CSU) eine heftige Kontroverse über ein Verbot gewaltverherrlichender Videos und Computerspiele. Schily wies den Vorwurf Becksteins zurück, die Bundesregierung habe eine Bundesrats-Initiative zum Verbot von Gewaltvideos verschleppt. Das disqualifiziere ihn als Mitglied von Stoibers Wahlkampfteam, sagte Schily im ZDF.
Der Bundestag hatte erst am Freitag ein neues Waffenrecht beschlossen, das an einigen Stellen schärfere Bestimmungen enthält, aber zugleich einige Vorgaben für Schützenvereine und Jäger lockerte. Die Zustimmung des Bundesrates steht noch aus.
Quelle: ntv.de