Energiegipfel im Kanzleramt Seehofer droht Merkel
23.05.2012, 07:47 Uhr
Der Strom aus dem Norden kann oft nur über die Umwegen Polen, Tschechien, Österreich nach Süddeutschland transportiert werden.
(Foto: dapd)
In Berlin beraten heute Bundeskanzlerin Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder über die Umsetzung der Energiewende. Das Treffen war bereits vor einem Jahr zusammen mit dem Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen worden. Schon vor dem Treffen gibt es zahlreiche Schuldzuweisungen, Bayern droht sogar mit einem Alleingang.
Seit dem Ausstieg aus der Atomenergie vor rund einem Jahr ist unklar, wie die Energiewende in Deutschland organisiert werden soll. Bundesregierung, Wirtschafts- und Umweltressort, Bundesländer und kommunale Energieunternehmen sind heillos zerstritten. Um eine Lösung zu finden, beraten Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer über die Umsetzung der Energiewende.
An dem Energiegipfel nehmen auch der neue Bundesumweltminister Peter Altmaier und Wirtschaftsminister Philipp Rösler teil. Das Treffen war bereits vor einem beschlossen worden.
Drei Themen müssen Bund und Länder gemeinsam klären: die in der Länderkammer gescheiterten Projekte Solarförder-Kürzung und Gebäudesanierung sowie das Gesetz zur Suche eines Standortes für ein Atommüll-Endlager. Allerdings wurde mit keinem Beschluss gerechnet.
Altmaier springt ins kalte Wasser
Schon vor dem Treffen schlugen die Wellen in politischen Berlin hoch: Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer drohte mit einem Alleingang, Rösler will die Länder beim Ausbau der Stromtrassen in die Pflicht nehmen, die Länder ihrerseits verweisen auf die Verantwortung des Bundes in dieser Frage.
Für den neuen Umweltminister Peter Altmaier ist der Energiegipfel ein Sprung ins kalte Wasser. Erst am Dienstagmorgen hatte der CDU-Politiker seine Ernennungskunde erhalten und war dem von Merkel entlassenen Norbert Röttgen im Amt nachgefolgt. Entsprechend schmal sind auch Altmaiers Statements vor dem Gipfel: Er strebe bei der Energiewende einen "nationalen Konsens" an und werde "alle Akteure an einen Tisch" holen.
"Dann gründen wir ein Bayernwerk"
Seehofer präsentierte sich derweil mit breiter Brust, zeigte sich unzufrieden mit der bisherigen Bilanz der Bundesregierung und drohte bayerische Sonderwege an. Dabei sprach er in der "Süddeutschen Zeitung" von einer "Rückkehr zu einem eigenen staatlichen Energieversorger", wenn die Koalition in Berlin nicht zu schnellen Lösungen komme. "Dann gründen wir ein Bayernwerk", sagte der CSU-Chef. Seehofer kritisierte vor allem den Stillstand beim Bau neuer Gaskraftwerke.
Rösler sagte der "Rheinischen Post", es sei "nicht hilfreich, wenn 16 einzelne Länder eigene, oft auf Eigenversorgung basierende Konzepte vorlegen.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin äußerte Zweifel, dass durch den Wechsel an der Spitze des Umweltministeriums die Blockade der Energiewende aufgelöst werden kann. "Die Kanzlerin hat die Energiewende an die Wand gefahren", sagte Trittin der "Passauer Neuen Presse". Er warf der schwarz-gelben Koalition vor, die Förderung der Gebäudedämmung zu blockieren und "alles" zu tun, "um die erfolgreiche Solarindustrie aus Deutschland zu vertreiben".
Stadtwerke werfen Merkel Versagen vor
Auch der Verband kommunaler Unternehmen kritisierte die Bundesregierung und beklagte, dass es "bis heute kein funktionierendes Projektmanagement" gebe. VKU-Präsident Stephan Weil, der auch Oberbürgermeister von Hannover ist, sagte: "Wir haben kein Drehbuch für die Energiewende. Wir haben stattdessen ein heilloses Durcheinander von Kompetenzen und Personen, die sich berufen fühlen, einzelne Teile der Energiewende zu vertreten." Deswegen seien auch die Versuche von Merkel, die Versäumnisse bei der Energiewende gewissermaßen dem entlassenen Röttgen in die Schuhe zu schieben, völlig fehl am Platze. "Es ist, wenn Sie so wollen, ein Führungsversagen der Bundeskanzlerin an dieser Stelle", so Weil.
Es müsse so schnell wie möglich ein eigenes Energieministerium geben. Bisher sei völlig unklar, unter welchen Bedingungen sich neue Gaskraftwerke bei immer mehr erneuerbaren Energien rentieren sollten. Diese seien notwendig, um auch bei wenig Sonne und Wind kontinuierlich Strom nach dem endgültigen Atomausstieg zu liefern. Es sei ein verheerendes Signal, wenn Eon mehrere Gaskraftwerke stilllegen wolle, weil sie sich nicht mehr rechnen. Hier müsste rasch Klarheit für vernünftige Investitionsbedingungen her.
Quelle: ntv.de, ppo/dpa/AFP/rts