Ägyptens Ex-Innenministervor Gericht Skandal bei Massaker-Prozess
21.05.2011, 21:02 Uhr
Habib al-Adli auf einem Archivbild.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Der Prozess gegen den ehemaligen ägyptischen Innenminister al-Adli wird vertagt, weil es im Gerichtssaal zu einem Handgemenge kommt. Al-Adli soll mitverantwortlich für den Tod von mehr als 840 unbewaffneten Demonstranten sein. Unterdessen fordert die höchste islamische Autorität Ägyptens eine Amnestie für Ex-Präsident Mubarak. Der leidet nach Angaben eines Arztes unter Depressionen.
Der Prozess gegen den ehemaligen ägyptischen Innenminister Habib al-Adli in Kairo ist nach einem handfesten Skandal vertagt worden. Im Gerichtssaal war es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen gekommen, als Polizisten und Zivilisten mit ihren Körpern die insgesamt sieben Angeklagten in ihrem Gitterkäfig vor den Blicken der Zuschauer abschirmten. Angehörige der Opfer der Polizeigewalt während der Massenproteste im Januar und Februar empörten sich darüber. Der Richter vertagte den Prozess daraufhin auf den 26. Juni.
Al-Adli und die anderen sechs ehemaligen hohen Beamten aus dem Innenministerium werden in dem vor einem Monat eröffneten Verfahren beschuldigt, Schießbefehle gegen unbewaffnete Demonstranten erteilt zu haben. Bei den Protesten, die am 11. Februar zum Sturz von Präsident Husni Mubarak geführt hatten, wurden mehr als 840 Menschen von Polizisten, Geheimdienstlern und bewaffneten Regime-Anhängern getötet. Mehr als 6000 Menschen erlitten Verletzungen. Wegen der tödlichen Gewalt gegen Demonstranten wird auch gegen Mubarak selbst ermittelt. Er steht im Krankenhaus unter Arrest.
Gnade vor Recht im Falle Mubaraks?
Im Fall des gestürzten Staatschefs sprach sich die höchste islamische Autorität des Landes für einen nachsichtigen Umgang aus. Mubarak habe lange Zeit viel für Ägypten getan und sei heute ein alter und kranker Mann, erklärte Scheich Ahmed al-Tajjib, das Oberhaupt des Al-Azhar Islam-Instituts in Kairo, der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". "Man sollte Gnade vor Recht walten lassen", fügte er hinzu.
Al-Azhar gilt als die wichtigste Institution des sunnitischen Islam weltweit. Während der 18-tägigen Massenproteste, die zum Sturz Mubaraks führten, hatte sich ihr Oberhaupt mit öffentlichen Äußerungen zurückgehalten. Die Demonstranten warfen ihm deshalb vor, dem alten Regime zu nahe gestanden zu haben. Tatsächlich ist Al-Tajjib die erste einflussreiche Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, die sich für eine Amnestie Mubaraks einsetzt.
Ex-Präsident gilt als depressiv
Nach Angaben eines Arztes leidet Mubarak derzeit unter Depressionen und braucht psychologische Betreuung. Der Gesundheitszustand des in einem Krankenhaus im Badeort Scharm el Scheich festgehaltenen 83-Jährigen habe sich "stabilisiert", doch sei er psychisch schwer angeschlagen, berichtete der Arzt der amtlichen ägyptischen Nachrichtenagentur Mena.
Im Auftrag der Regierung soll eine Gruppe von Kardiologen demnächst Mubaraks Zustand prüfen. Sollte seine Gesundheit es zulassen, wird er nach Angaben der regierenden Militärs bis zu seinem Prozess in ein Gefängnis verlegt. Seine Söhne Gamal und Alaa sitzen bereits unter Korruptionsverdacht in einem Gefängnis in Kairo in Untersuchungshaft.
Quelle: ntv.de, dpa