Bedeutung schwindet Steinmeier sieht Kirchen in "epochaler Veränderung"
29.05.2024, 20:18 Uhr Artikel anhören
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Irme Stetter-Karp, und Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow auf dem Erfurter Domplatz.
(Foto: dpa)
Immer mehr Menschen kehren der Kirche den Rücken. Grund sind für Bundespräsident Steinmeier ein großer Zustimmungs- und Vertrauensverlust. Er sieht die Kirchen in der Pflicht, den vielen Gläubigen wieder ein Angebot zu machen. Aus den Reihen der Katholiken reißen die Forderungen nach Reformen nicht ab.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den Bedeutungsverlust der Kirchen beklagt und eine selbstkritische Debatte darüber angeregt. Christen hätten eine wichtige Rolle mit ihrem Einsatz für Demokratie und für Arme, Ausgegrenzte und Verzweifelte. "Umso mehr kann ich nur zutiefst bedauern, dass die Kirchen einen so großen Zustimmungs- und Vertrauensverlust erleben", sagte er zu Beginn des Katholikentags in Erfurt. "Man muss wohl von einer epochalen Veränderung sprechen." Gründe dafür seien "die fürchterliche Tatsache des massenhaften Missbrauchs und besonders der langen Geschichte seiner Vertuschung".
Hinzu komme aber in Teilen der Gesellschaft eine wachsende Entfremdung und "eigenartige Gleichgültigkeit" gegenüber dem Religiösen und gegenüber dem, was über das Leben hinaus weise. Steinmeier stellte auch für dieses Phänomen die Frage nach einer Mitverantwortung der Kirchen. "Geben die Kirchen hier zu wenig Anstoß? Ist ihre Botschaft zu leise, zu blass, zu wenig profiliert?" Es gebe nicht wenige Menschen, die ernsthaft nach Sinn und Richtung ihres Lebens suchten. "Unsere kritische Frage an uns selbst, als Christen und als Kirche muss sein: Finden diese ernsthaft Suchenden überzeugende Antworten, finden sie geistliche Kompetenz, finden sie empathische Begleitung in unseren Gruppen, Gemeinden und Initiativen?"
"Meine Ungeduld ist groß"
Der 103. Deutsche Katholikentag in Erfurt dauert bis Sonntag. Zu etwa 500 Veranstaltungen werden in der thüringischen Landeshauptstadt um die 20.000 Teilnehmer erwartet. Leitwort des Treffens ist der Psalmenspruch "Zukunft hat der Mensch des Friedens". Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Irme Stetter-Karp, erklärte, wer dieses Wort ernst nehme, müsse nach dem Frieden suchen. "Wir müssen uns stark machen für Frieden. Gerade in Zeiten, in denen Krieg in Europa und an anderen Orten der Welt stattfindet."
Sie forderte zudem mehr Reformtempo von ihrer Kirche. "Meine Ungeduld ist groß, und nicht nur meine", sagte sie. Sie erwarte von den Bischöfen und auch vom Papst, "dass nun endlich das Ruder herumgeworfen wird". Auch Erfurts Bischof Ulrich Neymeyr sieht ein großes Reformbedürfnis vor allem mit Blick auf die Rolle der Frau in der Kirche. "Ein Großteil der Katholikinnen und Katholiken in Deutschland, aber auch der Bischöfe, würde sich hier gerne eine Öffnung des Weiheamts für Frauen wünschen - zumindest für Diakoninnen", sagte er im ZDF. In der katholischen Kirche sind die Weiheämter von Diakon über Priester bis Bischof nur Männern vorbehalten.
Papst beklagt Extremismus
Papst Franziskus rief die Teilnehmer des Katholikentags in einer von der Deutschen Bischofskonferenz verbreiteten Botschaft auf, sich "öffentlich, politisch für bessere Lebensbedingungen einzusetzen und besonders denen eine Stimme verleihen, die kein Gehör finden". "Nicht nur in Europa, sondern auch an anderen Orten der Welt scheinen momentan grundlegende Menschenrechte gefährdet - durch zunehmenden Antisemitismus, durch Rassismus und weitere, zu Extremismus und Gewalt tendierende Ideologien", erklärte der Papst weiter. Die Probleme beträfen alle und könnten nur gemeinsam gelöst werden, wozu es einen "möglichst vielstimmigen Dialog auf allen Ebenen des sozialen, ökonomischen und politischen Lebens" brauche. Dazu biete der Katholikentag mit seinen vielen Diskussionsveranstaltungen "eine gute Gelegenheit".
Viele Politikerinnen und Politiker haben sich für die kommenden Tage angekündigt, darunter Bundeskanzler Olaf Scholz und Vizekanzler Robert Habeck. Laut Deutscher Bischofskonferenz gibt es 20,9 Millionen Katholiken in Deutschland. Rund 137.000 Kirchenmitglieder zählt das Bistum Erfurt.
Quelle: ntv.de, jwu/AFP/dpa