Panorama

Aus der Schmoll-Ecke Gott sei Dank, Christen-Bashing bleibt im Kalifat erlaubt

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Nach der Demo in Hamburg ist es verboten, das Kalifat in Wort, Bild oder Schrift zu fordern.

Nach der Demo in Hamburg ist es verboten, das Kalifat in Wort, Bild oder Schrift zu fordern.

(Foto: picture alliance / CHROMORANGE)

Deutschland macht sich gerne über Christen lustig, die keinen Hang dazu haben, Andersgläubigen Messer in den Kopf zu stecken. Bei Muslimen ist das anders, Witze über sie sind lebensgefährlich. Fragen Sie Salman Rushdie. Oder einen Demonstranten auf der Hamburger Islamisten-Demo.

Jünger der Schmoll-Ecke, an diesem herrlich lichten Tage, an dem die Sonne scheint, als hätte sie Vincent van Gogh geschaffen, sage ich euch: Wer Sünde tut, der tut auch Unrecht, und die Sünde ist das Unrecht. Der Stachel des Todes aber ist die Sünde. Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht. Folget mir daher weiter, Jünger der Schmoll-Ecke, es wäre mir eine große Freude. Ihr werdet es nicht bereuen, nicht mal am Tag des Jüngsten Gerichts. Allen anderen, die meine Samstagsergüsse ungeachtet ihrer göttlichen Qualität nicht goutieren, prophezeie ich: Ihr werdet euch von mir abwenden. In der Nacht, noch ehe der Hahn kräht, werdet ihr dreimal geleugnet haben, meine Kolumne (jemals) gelesen zu haben. Trotzdem werde ich Samstag in zwei Wochen wieder auferstehen! Schon, weil ich das Geld brauche.

Hach, ich bin noch ganz im Himmelfahrtsmodus, wie Sie, Jünger der Schmoll-Ecke, natürlich sofort gemerkt haben. Und die Plagiatsjäger unter Ihnen sowieso. Frechheit! Geistiger Diebstahl zulasten des Heiligen Geistes! Wo gibt es denn so was? Nur in Deutschland, denn hier darf man das Christentum verarschen, ist das Bashing von Protestanten und Katholiken populärer Volkssport, freut man sich über die neusten Zahlen der Kirchenaustritte. Selbst schuld! Wie kann man an Wiederauferstehung glauben? Grotesk. Idioten. Aber Himmelfahrtstag und Pfingsten genießen und nach Italien zum Olle-Kirchen-Glotzen fahren - so sind wir Deutschen, haben das christliche Abendland auf ein paar Feiertage reduziert.

Man lacht gerne über die Kirche und die gläubigen Christen, die sich nicht wehren, weil sie meist freundlich sind und die zehn Gebote befolgen sollen. Die Linken halten die Kirche für rückwärtsgewandt und reaktionär. Die Rechten finden sie doof, weil sie Flüchtlinge nicht im Meer ersaufen lässt, sondern barmherzig aufnehmen will. Inquisition finden alle bescheuert, Kindermissbrauch erst recht. Und natürlich die Kreuzritter, die sich in karmesinroter Seide - teuerster Stoff des Mittelalters - bestatten ließen, statt das Geld für Betroffene zu spenden. So sind sie, die Christen. Waren sie schon immer. Wir vergessen nichts! Wir verzeihen nichts! Darüber darf man sich nicht lustig machen. Man muss es! Es ist Bürgerpflicht, der lustige Menschen in ARD- und ZDF-Satiresendungen gerne nachkommen.

Kalifat und Scharia sind okay?

Beim Islam und Muslimen ist das anders, waltet Vorsicht. Witze über sie sind lebensgefährlich. Fragen Sie Salman Rushdie, der ein Messer in den Kopf bekam, weil der iranische Obermullah Ruhollah Chomeini fand, dass die "Satanischen Verse" den Propheten Mohammed in ein schlechtes Licht rücken, und den Schriftsteller deshalb 1989 mittels Fatwa zum Tode verurteilte. Gilt bis heute. Chomeini ließ die Öffentlichkeit einst wissen: "Der islamische Staat ist ein Staat des Gesetzes. In dieser Staatsform gehört die Souveränität einzig und allein Gott. Das Gesetz ist nichts anderes als der Befehl Gottes." Wohin das führt, sieht man im Iran, was dort mit Frauen passiert, die das Kopftuch zu locker sitzen haben.

Aber Vorsicht. Nicht alle Islamisten sind so. Wir müssen differenzieren. Wie neulich nach "Hart aber fair". Da erklärte eine Muslimin, die im HR-Rundfunkrat sitzt, zu der Frage, wie sie zur Hamburger "Kalifat ist die Lösung"-Demo steht, die von einer vom Verfassungsschutz gesichert als extremistisch eingestuften Organisation initiiert worden war: "Wenn ein Muslim gut zu seinen Nachbarn ist, wenn er sich fürs Gemeinwohl einsetzt, sich ehrenamtlich engagiert, dann befolgt er die Scharia." So einfach ist das nämlich, ihr beknackten Christen, man muss es nur differenziert betrachten. Kalifat und Scharia sind okay, wenn man genau hinschaut. Eine Lesbe in Burka und ein Schwuler mit Zottelbart haben nichts zu befürchten, wenn sie und er den Nachbarn freundlich grüßen.

"Scharia und Kalifat gehören nicht zu unserem Land", sagt ein Christdemokrat in der Sendung, über den man Witze reißen darf, ohne ein Messer in den Kopf zu bekommen. Darauf meint die HR-Rundfunkrätin, die kein Messer, aber eine Schere im Kopf hat: "Für mich ist das Populismus. Scharia und Kalifat, das sind Kampfbegriffe geworden. In der islamischen Welt ist das ganz normale Terminologie." Ja, in Teilen - beachten Sie das Wort "Teilen", ich differenziere - der islamischen Welt ist halt so manches normal, was woanders unnormal ist.

Aber schon verkündet eine Journalistin der "taz": Da hat die HR-Rundfunkrätin "einen Punkt. Man sollte genauer hinschauen. Die Scharia gehört in einigen Punkten längst zu Deutschland, die religiösen Normen sind grundgesetzlich geschützt." Über die Differenzierung und Toleranz hätten sich Rushdie und ein paar im Kalifat des Islamischen Staats massakrierte Homosexuelle bestimmt gefreut. Aber damit kein falscher Eindruck entsteht, hat die HR-Rundfunkrätin noch hervorgehoben: "Für mich ist es völlig selbstverständlich, dass Extremisten zu verurteilen sind, die unseren Staat unterwandern möchten, ob das nun Islamisten sind oder 'Reichsbürger'."

Vorsicht Relativierung!

Differenzierung als Relativierung. Das machen neuerdings viele, die mit Extremisten heimlich oder offen sympathisieren. Alle Idioten, alle Gewalttäter in einen Topf und verrühren, aber dann doch Differenzierung verlangen für die jeweilige Klientel. Das tun die anderen doch auch! Auge um Auge, Zahn um Zahn - jedenfalls verbal. Es ist das Prinzip, auf einen Vorwurf oder eine unangenehme Frage mit einer Gegenfrage zu antworten oder den Blick auf andere oder ein anderes Thema zu lenken.

"Alle Straftaten, überall dort, wo gegen Gesetze der Bundesrepublik Deutschland verstoßen worden ist, müssen verfolgt werden", verkündete König Olaf der Unklare seinem Volk. Wow, eine wahrlich royale Ansage aus dem PR-Sprachbaukasten eines Berufspolitikers. Meinte er damit die Angriffe auf Wahlkämpfer, Steuerbetrüger oder Verkehrssünder? Nein, die Extremisten von "Muslim interaktiv", denn es ist doch "ganz klar: Gegen all das, was an islamistischen Aktivitäten stattfindet, muss mit den Möglichkeiten und den Handlungsoptionen unseres Rechtsstaates vorgegangen werden." Die "Tagesschau"-Redaktion tat ihm den Gefallen und teilte halbamtlich mit: Unser König ist für "klare Kante gegen Islamisten".

Wie beruhigend. Zumal auch Nancy Faeser, seine für Inneres zuständige Hofdame, die Hamburger Demonstration als "schwer erträglich" bezeichnet hat. Und sicher fordert sie mehr Polizei gegen Islamisten - nach dem Ende des Europawahl-Wahlkampfes, wenn die Wahlkämpfer keinen Schutz mehr brauchen. Doof nur, dass der im Sommer in Thüringen und Sachsen von vorn losgeht. Alles so schwierig und personell eng. Dabei kriegt Faeser nicht mal das rasche Verbot eines von Iran finanzierten antisemitischen Vereins hin, der Jahr für Jahr im Bericht des Hamburger Verfassungsschutzes genannt wird. Die iranischen "Revolutionsgarden" stehen noch immer nicht auf der Terrorliste der Europäischen Union, obwohl sich das EU-Parlament im Januar 2023 mehrheitlich dafür aussprach.

Im Oktober 2020 schrieb Kühnerts kleiner Kevin im "Spiegel" - das fand ich extrem beachtlich - zur Enthauptung eines Lehrers in Frankreich, der es wagte, im Unterricht zum Thema Meinungsfreiheit Karikaturen des Propheten Mohammed zu zeigen: "Wenn die politische Linke den Kampf gegen Islamismus nicht länger Rassisten überlassen will, muss sie sich endlich mit diesem blinden Fleck beschäftigen." Recht hat er. Aber schön differenziert. Und schon mal ein Trost für alle lustigen Menschen, falls das Kalifat kommt: Christen-Bashing bleibt erlaubt.

Quelle: ntv.de

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