Pakistan dementiert Verhöre durch USA Streit um Bin-Laden-Witwen
10.05.2011, 12:46 UhrUS-Experten wollen Zugang zu den in Pakistan inhaftierten Witwen von Al-Kaida-Chef Bin Laden erhalten. Pakistan dementiert jedoch, dass überhaupt ein entsprechender Antrag eingegangen sei. Eine pakistanische Zeitung veröffentlicht derweil den Namen des angeblichen CIA-Chefs in dem Land. Ob die Angaben stimmen, ist aber unklar.
Pakistan hat noch nicht entschieden, ob amerikanischen Terrorfahndern direkter Zugang zu den Witwen des getöteten Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden gewährt wird. "Die USA haben bislang nicht offiziell beantragt, Zugang zu Bin Ladens Witwen zu bekommen", sagte Außen-Staatssekretär Salman Bashir in Islamabad. "Wir werden das Thema erwägen, wenn sie einen formalen Antrag stellen." Die Ermittler erhoffen sich Auskünfte auch über die Unterstützung für den Topterroristen von pakistanischer Seite.
Der Sender CBS hatte berichtet, US-Beamte dürften die Frauen persönlich vernehmen und nicht nur Fragen bei den pakistanischen Behörden einreichen. Der Sprecher der US-Botschaft in Islamabad, Alberto Rodriguez, sagte auf Anfrage, er wisse nicht, ob die US-Behörden einen entsprechenden Antrag gestellt hätten. "Ich habe auch die Medienberichte gesehen, habe aber keine Informationen."
Der britische "Guardian" berichtete über eine geheime Absprache zwischen dem früheren US-Präsidenten George W. Bush und Pakistans Ex-Militärmachthaber Pervez Musharraf nach der Flucht Bin Ladens aus Afghanistan Ende 2001. Der Vereinbarung zufolge hätten die USA das Recht gehabt, den Topterroristen und die Nummer zwei und drei von Al-Kaida in Pakistan eigenmächtig zu verfolgen, schrieb das Blatt unter Berufung auf ungenannte amerikanische und pakistanische Quellen. Teil der Absprache sei gewesen, dass die pakistanische Regierung nach einer entsprechenden Operation vehement dagegen protestieren würde.
"Das Versagen aller Geheimdienste dieser Welt"
Pakistans Premierminister Yousaf Raza Gilani hatte vor dem Parlament kritisiert, dass die US-Operation ohne Rücksprache mit den Pakistanern abgelaufen sei. Er warnte vor weiteren Alleingängen dieser Art. Sollten strategisch wichtige Einrichtungen (wie etwa die Atomwaffen) ins Visier geraten, habe Pakistan das Recht, "mit aller Macht zurückzuschlagen". "Niemand sollte die Entschlossenheit und die Fähigkeiten der Nation und der Streitkräfte unterschätzen, unsere Heimat zu verteidigen."
Gilani hatte Fehler eingeräumt, jedoch auch dem Ausland Verantwortung zugeschrieben. Die Sicherheitsbehörden hätten es nicht vermocht, den Aufenthaltsort Bin Ladens in der Garnisonsstadt Abbottabad ausfindig zu machen. "Aber das ist nicht nur unser eigenes Versagen, sondern das Versagen aller Geheimdienste dieser Welt." Spekulationen über eine mögliche Verwicklung des pakistanischen Geheimdienstes ISI oder anderer Stellen wies Gilani zurück.
CIA-Chef enttarnt?
Der CIA-Chef in Pakistan soll derweil trotz seiner angeblichen Enttarnung weiter in dem Land arbeiten. "Es gibt derzeit keine Pläne, den CIA-Chef aus Pakistan abzuziehen", sagte ein US-Vertreter, der namentlich nicht genannt werden wollte. Die pakistanische Zeitung "The Nation" hatte zuvor den mutmaßlichen Namen des Top-Spions veröffentlicht.
Es ist allerdings unklar, ob es der tatsächliche Name des für Pakistan zuständigen CIA-Verantwortlichen ist. Einem pakistanischen Sicherheitsvertreter zufolge war der Name falsch. Die "New York Times" berichtete dagegen, er sei falsch buchstabiert gewesen. US-Vertreter sagten der "Times", die Enttarnung des CIA-Chefs ziele darauf ab, die Arbeit des US-Geheimdienstes nach der Tötung Bin Ladens zu torpedieren.
Witwen sollen in Heimatländer zurück
Die Witwen Bin Ladens werden derzeit vom ISI verhört. Zwei der Frauen stammten nach pakistanischen Angaben aus Saudi-Arabien, die dritte aus dem Jemen. Sie waren während der Erstürmung von Bin Ladens Anwesen vor gut einer Woche festgenommen worden und befinden sich in pakistanischem Gewahrsam. Die Regierung in Islamabad bemüht sich, die Witwen und ihre Kinder zurück in ihre Heimatländer zurückzuführen.

Anhänger der pakistanischen Muslim League verbrennen in Multan eine nachgemachte amerikanische Flagge.
(Foto: AP)
Die "Yemen Times" hatte am Samstag unter Berufung auf die pakistanische Botschaft berichtet, die jemenitische Witwe solle zurück in ihre Heimat geschickt werden, sobald die Befragungen vorüber seien. Pakistanische Medien hatten berichtet, Innenminister Rehman Malik habe die Rückführung der saudischen Frauen und Kinder mit Regierungsvertretern bei seinem Besuch in Riad in der vergangenen Woche besprochen. Die Regierung bestätigte die Berichte nicht. Das Außenministerium hat bislang lediglich mitgeteilt, dass sich kein Land gemeldet habe, das die Witwen und Kinder aufnehmen wolle.
US-Präsident Barack Obama hatte Islamabad aufgefordert, zu klären, wer die Helfer von Bin Laden in Pakistan waren. Unklar sei, ob Bin Ladens Unterstützer aus dem Kreis der pakistanischen Regierung stammten, hieß es in einem Interview des Senders CBS. "Das ist etwas, was wir untersuchen müssen, und noch wichtiger: was die pakistanische Regierung untersuchen muss."
Kopfgeld wird nicht ausgezahlt
Die USA kalkulierten nach einem Zeitungsbericht bei der Erstürmung des Anwesens Bin Ladens auch die Festnahme des Topterroristen ein. Für diesen Fall habe ein Team aus Verhörspezialisten, Übersetzern und Anwälten bereitgestanden, berichtete die "New York Times" unter Berufung auf Quellen in der US-Regierung. Die Experten hätten auf einem Schiff der Marine gewartet, vermutlich dem Flugzeugträger Carl Vinson im nördlichen Arabischen Meer vor der Küste Pakistans.
Obama bestand laut "New York Times" zudem darauf, dass das Spezialkommando, das Bin Laden tötete, groß genug war, um sich zur Not den Weg aus Pakistan freikämpfen zu können. Dies schrieb das Blatt unter Berufung hohe Regierungsbeamte und Militärs. Sie sollten jede Konfrontation mit pakistanischen Sicherheitskräften vermeiden. Aber wenn sie hätten zurückschießen müssen, um herauszukommen, hatten sie die Erlaubnis dazu.
Das Millionen-Kopfgeld für Hinweise zur Ergreifung von Bin Laden wird unterdessen wohl nicht ausgezahlt. "Soweit ich weiß, hat niemand gut unterrichtet gesagt: 'Osama bin Laden wohnt hier in Abbottabad, in der Nummer 5730, in der Green Avenue'", sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP