Politik

Blutigster Tag seit Beginn des Kriegs Syriens Sicherheitschef ist tot

Die Lage in Syrien scheint zu eskalieren.

Die Lage in Syrien scheint zu eskalieren.

(Foto: dpa)

Der Anschlag in Damaskus fordert ein weiteres Todesopfer im engen Zirkel um Syriens Präsident Assad. So ist der Chef der Sicherheitsbehörde, Bachtiar, seinen Verletzungen erlegen. Indessen melden Menschenrechtler, dass der Bürgerkrieg so heftig geführt werde wie nie zuvor. Alleine an einem Tag seien über 300 Menschen ums Leben gekommen.

Hischam Bachtiar, Chef der syrischen Nationalen Sicherheitsbehörde, ist zwei Tage nach dem Anschlag auf den Krisenstab in Damaskus gestorben. Das meldete das syrische Staatsfernsehen. Er sei seinen schweren Verletzungen erlegen.

Der Zustand des ebenfalls verletzten Innenministers Mohammed Ibrahim al-Schaar sei "nicht stabil". Bei der Explosion waren Asef Schawkat, der Schwager von Präsident Baschar al-Assad, sowie der Verteidigungsminister getötet worden. In Oppositionskreisen wird zudem behauptet, auch General Ali Mamluk, eine der führenden Figuren des Geheimdienstes, sei getötet worden.

Derweil sind in Syrien am Vortag nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten mehr als 300 Menschen getötet worden. Damit war es der blutigste Tag seit Beginn des Aufstands gegen Präsident Baschar al-Assad im März 2011, wie die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte. Demnach wurden bei Kämpfen und dem Vorgehen der Armee gegen die Opposition 139 Zivilisten, 98 Soldaten und 65 Rebellen getötet.

Das syrische Staatsfernsehen berichtete, Regierungstruppen hätten die Kontrolle über das Viertel Midan im Zentrum der umkämpften Hauptstadt Damaskus zurückgewonnen. Die Armee habe das Viertel von "Resten bezahlter Terroristen gereinigt", hieß es. Nach Angaben der Beobachtungsstelle ging die Armee mit sieben Panzern und zwei Truppentransportern gegen das von Aufständischen gehaltene Viertel vor.

Schuldzuweisungen nach UN-Veto

Die Organisation meldete zudem heftige Kämpfe aus den Vierteln Kafar Susse und Hadschar al-Aswad im Südwesten und Süden der Hauptstadt. Auch das im Osten von Damaskus gelegene Viertel Kabun sei erstmals mit 15 Panzern und Truppentransportern angegriffen worden. Seit dem Wochenende liefern sich Rebellen und Regierungstruppen in Damaskus heftige Gefechte. Beobachter sehen den seit 16 Monaten andauernden Konflikt an einem Wendepunkt.

Reporter berichten unterdessen, dass die Aufständischen nach heftigen Kämpfen in der Provinz Idlib den Grenzübergang Bab al-Hawa zur Türkei kontrollieren. Rund 150 schwer bewaffnete Kämpfer befinden sich demnach an dem Grenzposten, vor dem die ausgebrannten Wracks türkischer Lastwagen liegen. Zuvor hatte die irakische Regierung bereits erklärt, syrische Rebellen hätten die Kontrolle über sämtliche Grenzübergänge zum Irak übernommen.

Auf internationaler Ebene ringt die Weltgemeinschaft derweil weiter um eine neue Syrien-Resolution im UN-Sicherheitsrat. Nach dem neuerlichen Veto Russlands und Chinas wies die russische Regierung die Kritik an ihrer Haltung scharf zurück. Es sei "völlig inakzeptabel", dass westliche Länder versuchten, Russland für die eskalierende Gewalt in Syrien verantwortlich zu machen, sagte Außenamtssprecher Alexander Lukaschewitsch. Russland habe sich stets für eine politische Lösung eingesetzt. Der Westen solle seine "geschmacklosen Andeutungen" daher unterlassen und stattdessen versuchen, die syrische Opposition für Verhandlungen zu gewinnen.

Ashton pocht auf Annan-Plan

Dem UN-Sicherheitsrat liegen nun nur noch zwei Anträge auf eine Verlängerung der UN-Beobachtermission in Syrien vor. Das UN-Mandat für die 300 unbewaffneten Beobachter in Syrien läuft aus. Ein Antrag Großbritanniens sieht vor, die Mission um 30 Tage zu verlängern, um einen geordneten Abzug der Beobachter zu ermöglichen. Ein zweiter Vorschlag Pakistans empfiehlt eine Verlängerung um 45 Tage.

Russland will nach eigenen Angaben für den pakistanischen Vorschlag stimmen, der keinerlei Bedingungen für eine Verlängerung der Mission vorsieht. Russland werde den Resolutionsentwurf unterstützen, weil es selbst daran mitgearbeitet habe, sagte Vize-Außenminister Gennadi Gatilow.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton forderte unterdessen alle Mitgliedstaaten des UN-Sicherheitsrats auf, "ihre Verantwortung wahrzunehmen, um das Blutvergießen und das Leiden der syrischen Bevölkerung zu beenden". Ashton sprach sich in Brüssel weiterhin für eine Umsetzung des Friedensplans des Sondergesandten Kofi Annan als "beste Lösung für die Situation in Syrien" aus. "Nach 16 Monaten anhaltender Gewalt, ist es von äußerster Wichtigkeit, dass die internationale Gemeinschaft vereint handelt, um einen Bürgerkrieg mit tragischen Folgen für die gesamte Region zu verhindern", fügte Ashton hinzu.

Botschafter stiftet Verwirrung

In Frankreich haben unterdessen Berichte über ein Einlenken von Syriens Präsident Assad für Irritationen gesorgt. Der russische Botschafter in Paris hatte erklärt, Assad sei zur Aufgabe der Macht bereit. Aus Damaskus kam umgehend vehementer Widerspruch. Die Aussagen von Alexander Orlow "entbehren jeder Wahrheit", heißt es in einer im Staatsfernsehen verbreiteten Erklärung des Informationsministeriums.

Orlow hatte dem französischen Sender SFI erklärt, das Kommunique der jüngsten Syrien-Konferenz in Genf spreche von einem Übergang zu einem demokratischeren System. "Dieses Schlussdokument wurde von Assad angenommen", sagte Orlow. Der Präsident habe einen Vertreter für entsprechende Verhandlungen ernannt. "Das bedeutet, dass er akzeptiert hat, in einen geordneten Verfahren abzutreten."

Ein hochrangiger westlicher Diplomat sagte, Orlows Äußerungen sollten mit Vorsicht behandelt werden. "Wir haben von Assad noch nicht gehört, dass er zum Rücktritt bereit ist." Auch der Zeitraum sei unklar. "Meint er jetzt oder in zwei Jahren?"

Quelle: ntv.de, AFP/rts/dpa

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