Spannungen an Grenze zu Türkei Tote bei Protesten in Syrien
24.06.2011, 22:40 UhrBei Protesten nach den Freitagsgebeten werden in mehreren syrischen Städten mindestens sieben Menschen erschossen. Weitere werden verletzt. Die Truppen von Präsident Assad zwingen derweil Tausende Syrer zur Flucht in die Türkei. An der Grenze wachsen die Spannungen. Eine humanitäre Katastrophe droht.
Ungeachtet zunehmenden internationalen Drucks lässt Syriens Machthaber Baschar al-Assad seine Sicherheitskräfte weiter mit massiver Waffengewalt gegen Demonstranten vorgehen. Bei erneuten Massenprotesten nach den Freitagsgebeten im ganzen Land erschossen Sicherheitskräfte mindestens sieben Menschen, wie Augenzeugen berichteten. In der Hauptstadt Damaskus seien drei Demonstranten von Scharfschützen getötet worden. Aus der Stadt Homs wurden ebenfalls drei Tote gemeldet und aus Kiswa nahe Damaskus ein weiterer. Andere Quellen sprachen von fünf Toten in Kiswa. Die EU verschärfte ihre Sanktionen gegen die syrische Führung und verhängte dabei auch Strafmaßnahmen gegen drei ranghohe Mitglieder der iranischen Revolutionsgarde.
In der syrischen Hauptstadt setzten die Sicherheitskräfte Tränengas gegen die Demonstranten ein, die in Sprechchören Assad zum Rücktritt aufriefen, wie Bewohner per Telefon berichteten. Im zentral gelegenen Stadtteil Barseh hätten Scharfschützen von Dächern auf die Demonstranten gefeuert. Bei den drei Toten handle es sich um junge Männer. Anschließend hätten Polizisten die Regierungsgegner durch die Straßen gejagt und wild um sich geschossen. Im Hintergrund waren Gewehrsalven zu hören. Da die Behörden die meisten Korrespondenten ausgewiesen haben, ist eine Überprüfung der Berichte schwierig.
Proteste in mehreren Städten
Auch in mehreren Vororten der Hauptstadt zogen wieder Tausende Demonstranten nach dem Mittagsgebet auf die Straße und riefen in Sprechchören Assad zum Rücktritt auf, wie Anwohner per Telefon berichteten. Einige skandierten demnach: "Zeigt der Welt, dass Baschar keine Legitimation mehr hat." Auch in den zentral gelegenen Städten Homs und Hama demonstrierten wieder Tausende.

Das Fernsehbild zeigt syrische Soldaten auf ihren Panzern kurz vor der türkischen Grenze.
(Foto: dpa)
Im südlichen Deraa, wo die Proteste vor einem Vierteljahr ihren Ursprung genommen hatten, zogen die Menschen ebenfalls auf die Straße, wie Menschrechtsaktivisten berichteten. Auf Schildern hätten sie Assads Angebot abgelehnt, mit der Opposition in einen Dialog zu treten und über die Rahmenbedingungen für Reformen zu beraten. Ähnliche Proteste habe es in Städten an der Küste gegeben. Auch im Osten des Landes an der Grenze zum Irak hätten zahlreiche Bürger gegen Assad demonstriert.
Weitere Menschen fliehen in die Türkei
Die Militäroffensive gegen die Protestbewegung treibt immer mehr Syrer in die Türkei. Wie die türkische Nachrichtenagentur Anadolu meldete, flüchteten mehr als 1500 Menschen aus dem Nachbarland auf türkisches Gebiet. Die meisten Neuankömmlinge hätten zunächst auf syrischer Seite in provisorischen Lagern ausgeharrt und seien dann vor der anrückenden Armee geflohen. Nach Angaben der Provinzregierung sind mittlerweile mehr als 11.700 Menschen aus Syrien in die Türkei geflohen.
Inzwischen steigen die Spannungen an der Grenze. Türkische Grenzsoldaten legten Kampfausrüstung und Helme an, als syrisches Militär an die Grenze vorrückte, berichteten Augenzeugen. Syrische Truppen waren am Donnerstag in den Weiler Chirbet al-Dschoos vorgestoßen, der nur einige hundert Meter von der Grenze zur Türkei entfernt liegt. Dort lagerten Hunderte Syrer unter freiem Himmel. Polizei und Geheimdienst im Schlepptau der Armee machen in der Provinz Idlib Jagd auf mutmaßliche Aufständische und Regimegegner.
US-Außenministerin Hillary Clinton warnte angesichts dieser Entwicklungen vor einer Ausweitung der Krise. Die Gefahr potenzieller Grenzzwischenfälle steige, "wenn die syrischen Truppen nicht sofort ihre Angriffe und Provokationen einstellen", sagte Clinton in Washington. "Diese aggressive Aktion wird nur die ohnehin instabile Lage der Flüchtlinge in Syrien weiter verschlimmern."
EU fordert "angemessene Antwort"
Die Europäische Union dringt angesichts der anhaltenden Gewalt auf eine Verurteilung Syriens durch den UN-Sicherheitsrat. Das Gremium müsse eine "angemessene Antwort" auf die Situation in Syrien geben, heißt es in der Abschlusserklärung des EU-Gipfels, die die 27 Staats- und Regierungschefs in Brüssel verabschiedeten. Die EU verurteile "in schärfster Weise die anhaltende Unterdrückung sowie die inakzeptable und schockierende Gewalt", mit der Syrien gegen die eigene Bevölkerung vorgehe. Seit März sind nach Darstellung von Bürgerrechtlern 1300 Zivilisten getötet worden.
Die EU veröffentlichte eine Liste mit Namen von Personen und Institutionen, die nun ebenfalls mit Sanktionen belegt werden. Darin werden auch drei hohe Offiziere der iranischen Revolutionsgarden benannt. Sie sollen das Vorgehen der syrischen Führung aktiv unterstützt haben.
Quelle: ntv.de, AFP/rts/dpa