Politik

Gedenkgottesdienst in Erfurt Trauer und Ratlosigkeit

In einem bewegenden Gottesdienst haben am Samstagabend Politiker und Bürger im Erfurter Dom der Opfer des Amoklaufs vom Freitag gedacht. Im Beisein von Bundeskanzler Gerhard Schröder und des thüringischen Ministerpräsidenten Bernhard Vogel äußerte der Erfurter Bischof Joachim Wanke Entsetzen und Ratlosigkeit, Trauer und Mitgefühl angesichts des Blutbads im Gutenberg-Gymnasium. Gemeinsam mit dem Superintendent Christian Fuhrmann von der evangelischen Kirche rief er zu Menschlichkeit und Solidarität auf.

Der Bundeskanzler hatte zuvor mit seiner Frau Doris Schröder-Köpf am Eingang des Erfurter Gutenberg-Gymnasiums ein Blumengebinde niedergelegt. Der SPD-Vorsitzende verneigte sich schweigend in Gedenken an die Toten. Anschließend trug sich das Ehepaar in die Kondolenzbücher im Erfurter Rathaus ein.

Wanke sagte, es gebe keine vorschnellen Antworten auf die Vorfälle, vielleicht gebe es gar keine Antworten. "Angesichts der Taten verstummen alle Worte", erklärte der katholische Bischof. Er drückte allen Lehrern Respekt und Anerkennung aus. Fuhrmann sagte, es sei natürlich, "dass uns unser Erschrecken in Sprachlosigkeit stürzt".

Der Opfer soll erneut am 3 Mai im Beisein von Bundespräsident Johannes Rau in einer zentralen Trauerfeier in Erfurt gedacht werden.

Polizei schließt zweiten Täter aus

Die Polizei geht inzwischen davon aus, dass Robert S. die Tat allein begangen hat. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit könne ausgeschlossen werden, dass er einen Komplizen gehabt habe, sagte ein Polizeisprecher. Hinweise auf einen zweiten Amokläufer waren aus den Reihen der Schüler gekommen.

Unterdessen bestätigte die Polizei, dass ein Lehrer des Gymnasiums den Amokläufer offenbar von weiteren Bluttaten abgehalten hat. Der 19-Jährige habe sich von dem Kunst- und Geschichtslehrer Rainer Heise in einen Materialraum einsperren lassen, wo er sich kurze Zeit später selbst erschoss.

Täter war Mitglied im Schützenverein

Derweil hat die Polizei die Zahl der Todesopfer auf 17 nach unten korrigiert. Wie ein Polizeisprecher mitteilte, habe der 19-jährige Robert Steinhäuser für seine beiden Waffen ordnungsgemäße Besitzkarten besessen. Bei der Durchsuchung des Gymnasiums seien in einer Toilette 500 Schuss Munition gefunden worden. Auch in der Wohnung des Amokläufers wurden große Mengen Munition sichergestellt.

Thüringens Ministerpräsident Bernhard Vogel sagte auf einer Pressekonferenz, der Täter sei Mitglied in zwei Schützenvereinen gewesen, darunter dem Polizeisportverein. Die Waffen habe er legal erworben. Der 19-Jährige habe nach den Worten Vogels vielen Opfern in den Kopf geschossen. Die Ermittlungen ergaben, dass aus der gefundenen Pump-Gun keine Schüsse abgegeben worden. Aus der Pistole hingegen stammten 40 Schüsse.

Deutschland im Schockzustand

Politik und Gesellschaft reagierten entsetzt und fassungslos auf dieses in der deutschen Nachkriegsgeschichte einmalige Verbrechen. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) ordnete bundesweit Trauerbeflaggung an.

Die Lehrergewerkschaft GEW rief die 40.000 deutschen Schulen für kommenden Montag zu einem Tag der Besinnung auf. Katholische Kirche und CDU forderten zur verstärkten Vermittlung von Werten auf. Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) forderte ein Verbot so genannter Killerspiele.

Der Eingang vor der Schule gleicht einem Blumenmeer. Hunderte Trauernde legten Blumen nieder und zündeten Kerzen an. Für das Wochenende wurden alle kulturellen Veranstaltungen abgesagt.

Täter wurde wegen gefälschter Atteste der Schule verwiesen

Der ganz in schwarz gekleidete Täter war noch vor wenigen Monaten selbst Schüler an dem Gymnasium in der thüringischen Landeshauptstadt. Zweimal wurde er vom Abitur ausgeschlossen. Den Ermittlungen zufolge wurde der Ex-Gymnasiast möglicherweise wegen Urkundenfälschung oder gefälschter Krankschreibungen von der Schule verwiesen.

Mit Pump-Gun und Pistole

Robert S. war am Freitagvormittag, während der Abitur-Prüfungen, in die Schule eingedrungen, wo er sofort das Feuer eröffnete. Um 11.05 Uhr informierte der Hausmeister die Polizei, die bei ihrer Ankunft beschossen wurde. Ein Beamter erlag den Verletzungen.

Die letzten 180 Menschen, die sich noch im Gebäude befanden - vor allem Schüler -, wurden von der Polizei in Sicherheit gebracht.

Quelle: ntv.de

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