Politik

Libyens Außenminister flieht USA sehen Gaddafi nicht am Ende

Die Aufständischen in Libyen müssen ohne Waffenlieferungen der NATO auskommen.

Die Aufständischen in Libyen müssen ohne Waffenlieferungen der NATO auskommen.

(Foto: REUTERS)

Experten der USA sehen Libyens Diktator Gaddafi angeschlagen, aber noch nicht besiegt. Eine Schwächung sieht die Regierung allerdings in der Flucht von Außenminister Kussa nach London. Der Küstenstreifen um Brega ist derweil heftig umkämpft. Doch die NATO schließt Waffenlieferungen an die Rebellen vorerst aus. Dafür agiert nach Medienberichten der US-Geheimdienst CIA seit Wochen in Libyen.

Die USA sehen den libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi auch nach fast zweiwöchigen Luftangriffen militärisch noch nicht besiegt. Gaddafi sei angeschlagen, aber nicht geschlagen, sagte Generalstabschef Mike Mullen im Kongress. Verteidigungsminister Robert Gates schloss den Einsatz von Bodentruppen zum Sturz des langjährigen Staatschefs aus. Gaddafi werde letztlich durch politischen und wirtschaftlichen Druck vom eigenen Volk gestürzt werden. Der libysche Staatschef warnte den Westen derweil vor einem Glaubenskrieg zwischen Christen und Muslimen als Folge der Luftangriffe. Dieser Krieg könne außer Kontrolle geraten.

Mullen (l.) und Gates sagen im Kongress aus.

Mullen (l.) und Gates sagen im Kongress aus.

(Foto: dpa)

Admiral Mullen sagte vor den Abgeordneten, Gaddafis Streitkräfte seien durch die Luftangriffe auf 20 bis 25 Prozent ihrer bisherigen Fähigkeiten reduziert worden. "Das bedeutet nicht, dass er aus militärischer Sicht besiegt ist. Das ist nicht der Fall." Minister Gates räumte ein, dass es Gaddafis Gegnern an Ausbildung und Organisation mangele. Dem könnten viele Verbündete der USA abhelfen. "Das ist nicht die originäre Aufgabe der Vereinigten Staaten. Wenn's nach mir ginge, könnten andere das erledigen."

Obama autorisiert CIA zum Eingreifen

Gates äußerte sich nicht zur Rolle des Geheimdienstes CIA in Libyen. Präsident Barack Obama hat es der CIA erlaubt, die Rebellen zu unterstützen: Mit der Sache vertraute Regierungsvertreter sagten, Obama habe die Autorisierung innerhalb der vergangenen zwei oder drei Wochen unterzeichnet. Dies ist eine Voraussetzung für entsprechende Schritte der CIA - er bedeutet jedoch nicht automatisch, dass die der Geheimdienst tatsächlich tätig wird. Weder ein Sprecher des US-Präsidialamtes noch die CIA wollten sich dazu äußern.

Die US-Zeitung "New York Times" hatte berichtet, Kommandos des Geheimdienstes CIA befänden sich seit Wochen in Libyen, um Verbindungen zu den Rebellen herzustellen und Angriffsziele auszuspähen. Zudem seien Dutzende Mitglieder der britischen Spezialkräfte und des Geheimdienstes MI6 in dem nordafrikanischen Land aktiv. Der US-Fernsehsender ABC berichtete, Obama habe dem Einsatz zugestimmt, die Lieferung von Waffen an die Rebellen jedoch zunächst nicht erlaubt.

Außenminister flieht nach London

Außenminister Kussa erklärte in London seinen Rücktritt (Archivbild).

Außenminister Kussa erklärte in London seinen Rücktritt (Archivbild).

(Foto: dpa)

Derweil hat Gaddafi einen wichtigen Vertrauten verloren. Der libysche Außenminister Mussa Kussa hat dem libyschen Diktator die Gefolgschaft gekündigt und ist nach Großbritannien geflohen. Er wolle nicht mehr länger die Regierung Gaddafis international repräsentieren. Aus dem Umfeld des Ministers hieß es, Kussa wolle in Großbritannien um politisches Asyl bitten. Er sei geflohen, weil er gegen Angriffe auf die Zivilbevölkerung gewesen sei. Kussa ist nach Angaben der britischen Regierung aber nicht vor einer strafrechtlichen Verfolgung gefeit. "Mussa Kussa wird keine Immunität vor der britischen oder der internationalen Justiz angeboten", sagte Außenminister William Hague. Kussa spreche derzeit "freiwillig" mit britischen Beamten. Hague ermunterte zudem andere libysche Funktionäre, dem Beispiel Kussas zu folgen.

Der libysche Regierungssprecher Mussa Ibrahim sagte in einer ersten Reaktion, der Kampf Libyens hänge nicht von einzelnen Personen ab. Oppositionelle berichteten jedoch, Gaddafi habe einen Wutanfall bekommen, nachdem er von der Flucht erfahren habe. Die US-Regierung schätzt die Flucht als klares Signal für den Zerfall des Regimes von Gaddafi ein. "Wenn es jemals ein Zeichen dafür gegeben hat, dass die innere Kreis um Gaddafi zerbröselt, dann ist das die Abtrünnigkeit von Mussa Kussa", sagte Regierungssprecher Jay Carney in Washington. Ähnlich hatte zuvor Großbritannien den Fakt gewertet, dass Kussa übergelaufen ist. Vor Kussa hatten schon andere Mitglieder der libyschen Führungsriege Gaddafi die Gefolgschaft verweigert.

Heftige Kämpfe um Brega

Gaddafis Truppen griffen unterdessen die seit Wochen eingeschlossene Stadt Misrata und damit die letzte Rebellen-Hochburg im Westen des Landes mit Artillerie an. Dutzende Zivilisten kamen nach Angaben der Aufständischen ums Leben. "In Misrata findet ein Massaker statt", sagte ein Sprecher. Ob die Angaben stimmten, konnte nicht festgestellt werden, da ausländische Journalisten keinen Zugang zur Stadt haben.

Ein Aufständischer schwengt im ostlibyschen Bengasi eine Fahne.

Ein Aufständischer schwengt im ostlibyschen Bengasi eine Fahne.

(Foto: AP)

Im Osten Libyens entbrannten erneut Kämpfe um die Ölstadt Brega. Das ebenfalls umkämpfte Adschdabijah war noch in der Hand der Rebellen. "Wir brauchen Waffen, die die schweren Waffen zerstören können, die sie gegen uns einsetzen", sagte ein Sprecher der Rebellen. Seit Wochen ringen beide Seiten um die Vorherrschaft in dem Küstenstreifen. Ras Lanuf und Es Sider, die westlich von Brega liegen, sind wieder in der Gewalt der Gaddafi-Truppen.

Die Aufständischen distanzierten sich über ihre UN-Vertretung vom islamistischen Terrorismus. "Wir sind dem gemäßigten Islam verpflichtet und weisen alle extremistischen Ideen zurück", hieß es von der libyschen UN-Botschaft in New York. Die Gaddafi-Gegner fühlten sich "dem Kampf gegen den Terrorismus unter allen Umständen verpflichtet". Die Diplomaten in New York hatten sich schon vor Wochen von Gaddafi losgesagt.

Waffenlieferungen "nicht auf der Tagesordnung"

Die von der NATO geführten internationalen Truppen wollen unterdessen vorerst alle Waffenlieferungen nach Libyen verhindern. Der Vorsitzende des Militärausschusses, Admiral Giampaolo di Paola, sagte in Brüssel, dies könne sich jedoch ändern, falls eines der NATO-Mitglieder Waffen nach Libyen liefere. "Wenn heute ein Schiff Waffen oder Söldner nach Libyen brächte, dann würden wir es stoppen", sagte der italienische Admiral. Auf Fragen nach möglichen Waffenlieferungen der USA an die libyschen Rebellen sagte er: ""Ich bin zuversichtlich, dass keiner der Verbündeten plant, das zu tun."

Für Frankreich jedenfalls stehen Waffenlieferungen an die libyschen Rebellen derzeit "nicht auf der Tagesordnung". Eine solche Hilfe sei derzeit kein Thema, sagte der französische Verteidigungsminister Gérard Longuet in Paris. Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle lehnte Waffenlieferungen an die libyschen Rebellen bisher strikt ab. Die NATO will zudem Berichte über den Tod libyscher Zivilisten durch Luftschläge der Militärallianz untersuchen. Aufgrund von Medienberichten über Tote in der Hauptstadt Tripolis werde eine Untersuchung eingeleitet, sagte der Oberbefehlshaber des NATO-Einsatzes in Libyen, der Kanadier Charles Bouchard.

In den wochenlangen Kämpfen sind nach britischen Schätzungen etwa 1000 Menschen getötet worden. Das Außenministerium in London berief sich in einem Bericht zur Menschenrechtslage auf Kreise in dem nordafrikanischen Land. "Viele weitere wurden während der jüngsten Gewalt verletzt", hieß es weiter. Bei Luftangriffen der Alliierten auf die Hauptstadt Tripolis wurden nach Angaben des Vatikans mindestens 40 Zivilisten getötet. Die NATO, die das Kommando über den Einsatz übernommen hat, erklärte, sie habe dafür keine Bestätigung, gehe den Vorwürfen aber nach.

Das staatliche libysche Fernsehen verbreitete am Abend die Warnung Gaddafis vor einem Glaubenskrieg. Wenn die Luftangriffe anhielten, drohe ein "wahrer Kreuzritterkrieg". Dieser werde außer Kontrolle geraten. Gaddafi hatte zu Beginn der Luftangriffe vor gut zwei Wochen Erklärungen im Fernsehen abgegeben. Nachdem Gaddafis Hauptresidenz in Tripolis durch alliierte Treffer beschädigt wurde, habe er seinen Tagesablauf ändern müssen, erklärten Regierungsvertreter.

Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP

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