Politik

Dichter, Dissident, Präsident Vaclav Havel ist tot

Vaclav-Havel.jpg

Der ehemalige tschechische Präsident Vaclav Havel ist tot. Er stirbt im Alter von 75 Jahren auf seinem Gut in Böhmen. Havel gilt als Symbolfigur des Prager Frühlings und der Samtenen Revolution. Neben seinem politischen Wirken war Havel auch immer ein Dichter. In seinem Werk verarbeitete er die erzwungene Entfremdung durch das Leben in der sozialistischen Diktatur.

Der frühere tschechische Präsident und Dissident Vaclav Havel ist nach tschechischen Medienberichten im Alter von 75 Jahren auf seinem Gut nahe dem ostböhmischen Ort Hradecek gestorben. Seine Frau Dagmar sei zuletzt bei ihm gewesen, teilte Havels Sprecherin Sabina Tancevova mit.

Als Folge seiner jahrelangen Gefängnisaufenthalte unter dem kommunistischen Regime litt Havel unter einer chronischen Atemwegserkrankung. Zudem wurde er 1996 wegen Lungenkrebs operiert.

Reaktionen aus Deutschland

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) reagierte bestürzt auf den Tod Havels. In einem Kondolenzschreiben an dessen Nachfolger Vaclav Klaus würdigte Merkel Havels Einsatz für Freiheit und Demokratie. Dieser Einsatz bleibe ebenso unvergessen wie seine große Menschlichkeit. Gerade Deutschland habe Havel viel zu verdanken. "Zusammen mit Ihnen trauern wir um den Verlust eines großen Europäers", schrieb Merkel an Klaus.

Havel wurde 75 Jahre alt.

Havel wurde 75 Jahre alt.

(Foto: picture alliance / dpa)

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) erklärte, die Deutschen und alle Europäer würden einen "Staatsmann von Weltrang" verlieren. "Er ist eine der herausragenden Persönlichkeiten, deren Name auf immer mit dem weltpolitischen Umbruch der Jahre 1989/90 verbunden sein wird." Lammert würdigte auch Havels Leistungen als Schriftsteller. So wie als Staatsmann mit seiner Klugheit und Strahlkraft sei er als Schriftsteller und Künstler mit seiner "grandiosen Ausdrucksgabe" ein Visionär und ein Vorbild gewesen.

Die Grünen-Fraktionschefs Jürgen Trittin und Renate Künast erklärten, Havel habe sein Leben lang für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte in Europa gestritten. "Sein Denken und Handeln waren von echtem Humanismus geprägt."

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erklärte, Havel habe wie kein anderer das zivilgesellschaftliche Engagement für Menschenrechte in Europa verkörpert. "Ohne sein Engagement hätte es die Charta 77 nicht gegeben, die zum Schlüsseldokument des Wandels im Ostblock wurde und den Weg zum KSZE-Prozess ebnete."

Biografie des Widerstands

Havel war während der kommunistischen Ära in der Tschechoslowakei (1948-1989) die Schlüsselfigur im gewaltlosen Kampf gegen das Regime. Wegen seiner Herkunft aus einer "bourgeoisen", nach dem kommunistischen Umsturz 1948 enteigneten Familie konnte Havel nur auf Umwegen Ober- und Hochschulbildung erlangen. Er arbeitete als Assistent in einem Chemielabor und schloss seine Ausbildung in einer Abendschule ab. Nebenbei arbeitete er als Taxifahrer, um sich die Abendschule zu finanzieren.

Aus politischen Gründen an keiner geisteswissenschaftlichen Fakultät zugelassen, begann er 1954 ein Wirtschaftsstudium, das er aber nach zwei Jahren abbrach. Nach zwei Jahren Militärdienst wurde er Bühnentechniker in zwei kleinen Prager Theatern. Dort wurden auch seine ersten Stücke aufgeführt. Seit seinem 20. Lebensjahr schrieb Havel Artikel für Literatur- und Theaterzeitschriften.

Schreiben als Akt der Selbsterhaltung

Nach der sowjetischen Okkupation widersetzte er sich der neostalinistischen Gleichschaltung, bekam Publikationsverbot, wurde wegen der Beteiligung an zahlreichen Protestaktionen schikaniert, geheimpolizeilich observiert und schließlich 1977, als Mitbegründer und Sprecher der Charta 77, zu vierzehn Monaten Gefängnis verurteilt. Danach stand er jahrelang unter Hausarrest wegen seiner fortgesetzten Aktivitäten als Bürgerrechtler und Veröffentlichungen im Ausland.

1979 wurde er erneut zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt, von der ihm nur die letzten Monate wegen einer lebensgefährlichen Erkrankung erlassen wurden. Weil er im Januar 1989 eine Gedenkveranstaltung für mitorganisierte, der sich 1969 aus Protest gegen die Okkupation des Landes selbst verbrannt hatte, wurde Havel erneut festgenommen und zu neun Monaten verschärfter Haft verurteilt und erst nach weltweiten Protesten im Mai entlassen.

Dichter als Präsident

Havel war eine der zentralen Figuren in der zunächst hauptsächlich von Studenten und Künstlern getragenen Samtenen Revolution. Am 29. 12. 1989 wurde er zum Präsidenten der CSFR und nach der Trennung von Tschechischer und Slowakischer Republik im Januar 1993 1993 mit großer Mehrheit zum Präsidenten der Tschechischen Republik gewählt. Am 20. Januar 1998 wurde er in seinem Amt bestätigt; seine zweite Amtszeit endete am 2. Februar 2003.

Bis zu seinem Ausscheiden aus dem Amt betrieb Havel erfolgreich die Anbindung Tschechiens an NATO und EU. Vor und nach seiner Zeit als Präsident war er auch ein erfolgreicher Theaterautor.

Quelle: ntv.de, sba/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen