Tausende protestieren in Syrien Viele Demonstranten erschossen
08.04.2011, 19:28 Uhr
In Daraa starben allein zwölf Menschen.
(Foto: Reuters)
Die Protestwelle in Syrien weitet sich immer mehr aus. Tausende gehen in mehreren Städten auf die Straße, um für Reformen zu demonstrieren. Dabei erschießen Sicherheitskräfte mindestens 22 Menschen. Für syrische Journalisten, die darüber berichten, gibt es Prügel und Folter.
Bei Protesten von Regierungsgegnern in drei syrischen Städten sind mindestens 22 Menschen getötet worden. Der in Kairo ansässige Vorsitzende der nationalen Organisation für Menschenrechte, Ammar Kurabi, sagte, 17 Menschen seien in Daraa getötet worden, zwei in Homs und drei in Harasta. In Daraa schossen laut einem Menschenrechtsaktivisten Sicherheitskräfte in Zivil auf die Demonstranten.
Tausende Menschen seien in Daraa nach dem Freitagsgebet auf die Straße gegangen, sagte der Menschenrechtsaktivist, der ungenannt bleiben wollte. Die Sicherheitskräfte in Zivil hätten Tränengas, Gummigeschosse und scharfe Munition gegen die Menge eingesetzt. Anschließend hätten die Demonstranten einen Sitz der regierenden Baath-Partei angezündet. Auch Kurabi lagen nach eigenen Angaben Berichte über den Einsatz von scharfer Munition und Tränengas vor sowie "von einem Gas, das ohnmächtig macht".
Die staatlichen Medien berichteten lediglich von zwei Toten in Daraa. Das Fernsehen sprach von "Saboteuren und Verschwörern", die das Feuer auf Zivilisten und Sicherheitskräfte eröffnet hätten. Auf Fernsehbildern waren vermummte Menschen hinter einer Baumreihe zu sehen, dazu war Lärm aus Schusswaffen zu hören.
Krankenwagen beschossen

Assad sieht vor allem Ausländer hinter den Protesten.
(Foto: AP)
Laut der amtlichen Nachrichtenagentur Sana wurden ein Sicherheitsbeamter und ein Rettungssanitäter von "bewaffneten Männern" getötet und zahlreiche weitere Sicherheitskräfte sowie und Zivilisten verletzt. Die Bewaffneten hätten auf die Menge geschossen sowie auf einen Krankenwagen, der Verletzte ins Krankenhaus fahren wollte. Daraa ist seit drei Wochen das Zentrum der Protestbewegung in Syrien, die seit Mitte März für Demokratie auf die Straße geht.
In Homs, 160 Kilometer nördlich von Damaskus, und im zwölf Kilometer nördlich der Hauptstadt gelegenen Harasta kam es ebenfalls zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Nach Angaben eines kurdischen Aktivisten demonstrierten zudem insgesamt fast 7000 Menschen in sechs kurdisch geprägten Orten im Norden Syriens für "Freiheit" und "nationale Einheit".
Assad will Notstandsgesetz aufheben
Syriens Präsident hatte als Reaktion auf die seit Wochen andauernden Proteste angekündigt, das seit 1963 geltende Notstandsgesetz aufzuheben, welches die meisten Bürgerrechte außer Kraft setzt. Am Donnerstag erließ er ein Dekret, wonach zehntausende in Syrien lebende staatenlose Kurden die syrische Staatsbürgerschaft zurückerhalten.
Assad gehört zur religiösen Minderheit der Alawiten. Er hatte die Proteste der Regimegegner, die sich von den Revolutionen in Tunesien und Ägypten hatten inspirieren lassen, als Versuch radikaler Sunniten dargestellt, Zwietracht zwischen den Religionsgruppen zu säen.
Tatsächlich sympathisiert ein Teil der Demonstranten mit den und gelegentlich werden bei den Kundgebungen auch religiöse Parolen gerufen. Doch sind an den Protesten auch Angehörige anderer Religionsgruppen beteiligt. Seit Beginn der Proteste wurden in Syrien nach Schätzungen von Menschenrechtsgruppen mehr als 110 Menschen getötet. Dutzende Demonstranten und einige bekannte Oppositionelle wurden festgenommen.
Journalist schwer misshandelt
Indes wurde ein syrischer Journalist von der Geheimpolizei schwer misshandelt, weil er über eine Demonstration berichtet hatte. Aus dem Umfeld von George Baghdadi, der für mehrere ausländische Medien arbeitet, hieß es, er sei am vergangenen Dienstag in schlechter psychischer Verfassung und mit mehreren gebrochenen Rippen und Blutergüssen nach Hause gekommen.
Seither sei er in ärztlicher Behandlung. Er war vor einer Woche festgenommen und in ein Polizeigefängnis gebracht worden, nachdem er über eine Demonstration in Latakia berichtet hatte.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa