Politik

Libyen-Konferenz Westen verhandelt über Gaddafis Zukunft

Die Aufständischen haben Probleme bei ihrer Offensive.

Die Aufständischen haben Probleme bei ihrer Offensive.

(Foto: dpa)

In London ringen Vertreter aus mehr als 40 Nationen um Lösungen für Libyen. Der Übergangsrat der Aufständischen legt zudem seine Visionen für die Zukunft des Landes vor. Doch noch beherrschen blutige Kämpfe den Gaddafi-Staat. Und der Vormarsch der Rebellen stockt.

Was kommt nach Muammar al-Gaddafi? Eineinhalb Wochen nach Beginn der alliierten Angriffe sucht die internationale Gemeinschaft nach Szenarien für die Zukunft Libyens nach dem möglichen Rückzug des Machthabers. Vertreter aus mehr als 40 Nationen beraten in London über politische Perspektiven für das nordafrikanischen Krisenland und humanitäre Probleme, etwa die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser und Lebensmitteln.

Die Delegierten der Konferenz: Mit dabei sind Westerwelle und Clinton.

Die Delegierten der Konferenz: Mit dabei sind Westerwelle und Clinton.

(Foto: AP)

Rebellenvertreter nahmen an dem Treffen nicht offiziell teil. Vor Beginn suchten jedoch mehrere westliche Politiker das Gespräch mit dem nach London gereisten Entsandten des libyschen Übergangsrates, Mahmud Dschibril. Darunter war Bundesaußenminister Guido Westerwelle.

Der Rat, eine Art provisorische Regierung mit Sitz im ostlibyschen Bengasi, legte erstmals ein politisches Programm für die Zukunft Libyens vor. Darin wurde der Aufbau eines demokratischen Rechtsstaates als oberstes Ziel genannt. Das Gremium stellte die Ausarbeitung einer demokratischen Verfassung und freie Wahlen in Aussicht.

Vormarsch stoppt

Ein Gaddafi-Gegner nahe Bin Dschawwad.

Ein Gaddafi-Gegner nahe Bin Dschawwad.

(Foto: REUTERS)

Allerdings tun sich die Aufständischen bei ihrem Kampf gegen Gaddafi-treue Einheiten offensichtlich schwer - trotz anhaltender Luftangriffe der Alliierten. Wie die britische BBC berichtete, kamen sie nicht über die Stadt Bin Dschawwad hinaus, die Frontlinien hätten sich insgesamt kaum verändert. Augenzeugen berichteten allerdings, dass viele Aufständische von Gaddafi-Truppen wieder aus der Stadt vertrieben wurden. Sie seien kolonnenweise geflohen. Kommandeure der Rebellen klagten darüber, dass viele Kämpfer nicht willens seien, sich einer militärischen Befehlsstruktur unterzuordnen, berichtete eine Al-Dschasira-Reporterin.Der Ort an der Mittelmeerküste liegt 400 Kilometer westlich von Bengasi, etwa auf halbem Wege nach Tripolis. Am Vortag hatten Gaddafi-Verbände einen Vorstoß der militärisch unterlegenen und unzureichend organisierten Rebellen auf Gaddafis Geburtsstadt Sirte aufgehalten.

Für die Nach-Gaddafi-Ära liegen in London mehrere Modelle auf dem Tisch. Alle sehen einen baldigen Waffenstillstand vor. Unterschiedliche Auffassungen herrschen darüber, wie mit dem Machthaber selbst umgegangen werden soll. Während etwa Italien eine Exillösung befürwortet, wollen die USA, Großbritannien und Frankreich, dass Gaddafi vor dem Internationalen Strafgerichtshof der Prozess wegen Kriegsverbrechen gemacht wird.

Das libysche Fernsehen zeigte Bilder, die beweisen sollen, dass Gaddafis Sohn Chamies lebt.

Das libysche Fernsehen zeigte Bilder, die beweisen sollen, dass Gaddafis Sohn Chamies lebt.

(Foto: Reuters)

Westerwelle bot der libyschen Opposition Hilfe bei einer politischen Neuordnung und beim Wiederaufbau nach Ende der Militäroperation an. Berlin sei unter anderem zu humanitärer Hilfe bereit. Die libysche Opposition habe sich sehr daran interessiert gezeigt, dass Deutschland sich beim Wiederaufbau engagiere. Allerdings sei das ein langwieriger Prozess. "Ich glaube, da ist noch eine Menge Arbeit zu tun", sagte der Minister.

US-Außenministerin Hillary Clinton bekräftigte die Entschlossenheit der internationalen Gemeinschaft, Gaddafi zum Rückzug zu zwingen. "Er muss gehen!", sagte sie in London. "Wir werden weitermachen, bis Oberst Gaddafi sich voll den Regelungen der UN-Resolution 1973 unterordnet", meinte sie mit Blick auf die Militäroperationen der westlichen Allianz. Clinton würdigte - ebenso wie zuvor US-Präsident Barack Obama - die bisherigen Erfolge der Angriffe. "Wir haben ein mögliches Massaker verhindert."

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon untermauerte den Führungsanspruch der Vereinten Nationen bei der Lösung des Konfliktes. "Ich weiß, dass alle sehr angstvoll sind und darauf brennen, dem libyschen Volk zu helfen. Aber wir brauchen eine sehr enge Koordinierung und ich beabsichtige, diese Koordinierung zu leiten, wenn Sie einverstanden sind", sagte Ban bei der Konferenz. Seit Ausbruch des Konfliktes hätten 380.000 Menschen Libyen verlassen, 13.000 seien an den Grenzen zu Ägypten und Tunesien gestrandet.

Die internationale Allianz setze ihre Angriffe fort. Hier ein Kampfflugzeug der Franzosen, das in der Luft betankt wird.

Die internationale Allianz setze ihre Angriffe fort. Hier ein Kampfflugzeug der Franzosen, das in der Luft betankt wird.

(Foto: AP)

Russland sieht in der Militäraktion einen Verstoß gegen die UN-Resolution und forderte Aufklärung im Weltsicherheitsrat. Bei der Resolution gehe es vor allem um den Schutz der Zivilbevölkerung, sagte Außenminister Sergej Lawrow in Moskau. Tatsächlich gebe es aber immer mehr Berichte über zivile Opfer. Die USA, Frankreich und Großbritannien sollten daher "Rechenschaft" ablegen, welches ihre Ziele in dem nordafrikanischen Land seien. Lawrow reiste mit der Begründung, dass Russland an dem Konflikt nicht aktiv beteiligt sei, nicht nach London.

"USA sind da anders"

Obama verteidigte den Militäreinsatz in Libyen vehement gegen anhaltende Kritik im eigenen Land. "Einige Nationen können vielleicht die Kriegsgräuel in anderen Ländern ignorieren. Die USA sind da anders", sagte er in einer Rede an die Nation am Montagabend (Ortszeit). "Als Präsident konnte ich nicht so lange warten, bis es Bilder von Gemetzel und Massengräbern gibt." Deutschland hatte sich im UN-Sicherheitsrat bei der Entscheidung über die Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen enthalten.

Zusammen mit internationalen Partnern sei es gelungen, Gaddafi erheblich zu schwächen, sagte Obama: "Sein tödlicher Vormarsch (gegen die Rebellen) ist gestoppt." Der Militäreinsatz habe aber nicht zum Ziel, Gaddafi zu vertreiben. "Unsere Militärmission auszuweiten, um einen Regimewechsel einzuschließen, wäre ein Fehler", bekräftigte Obama und verwies auf die vielen Opfer des Irak-Krieges.

Während Obama in seiner Rede wiederholt auf die "begrenzte" Rolle der USA bei der Militäraktion hinwies, berichteten US-Zeitungen am Dienstag über eine Ausweitung der amerikanischen Luftangriffe auf Gaddafis Bodentruppen. Die Attacken seien auch deutlich massiver geworden, hieß es in der "New York Times" und "Washington Post". So seien am vergangenen Wochenende erstmals tief fliegende Angriffsflugzeuge vom Typ AC-130 und A-10 eingesetzt worden.

Frankreich kündigte an, einen Botschafter in die libysche Rebellenhochburg Bengasi zu entsenden. Frankreich hatte als erstes Land im März den libyschen Nationalrat diplomatisch anerkannt, dann aber vergeblich versucht, die EU-Partner ebenfalls dazu zu bringen.

Quelle: ntv.de, dpa

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