Politik

Truppenbesuch in Kundus Westerwelle fliegt hinterher

Westerwelle im Kreis einiger Soldaten.

Westerwelle im Kreis einiger Soldaten.

(Foto: dpa)

Außenminister Westerwelle, in Deutschland von schlechten Umfragewerten für die FDP geplagt, besucht erstmals seit seinem Amtsantritt vor über einem Jahr das Bundeswehr-Feldlager im afghanischen Kundus. Die Soldaten reagieren eher zurückhaltend auf ihn. Ihren Dienstherren Guttenberg empfangen sie stets euphorischer.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat bei seinem ersten Truppenbesuch in Kundus um die Zustimmung der Opposition zum neuen Afghanistan-Mandat geworben. Er hoffe auf eine große überparteiliche Mehrheit, sagte Westerwelle im Feldlager der deutschen Soldaten. "Ich glaube, dass die Frauen und Männer der Bundeswehr ein Recht darauf haben, dass sie eine große Rückendeckung vom Parlament bekommen." Die Soldaten verdienten mehr Anerkennung für ihre Leistungen. "Hier halten Frauen und Männer ihren Kopf hin, damit wir zuhause in Freiheit und Sicherheit leben", betonte Westerwelle, der der Gefallenen am Ehrenhain im Lager gedachte. Das Bundeskabinett will das neue Mandat in Kürze beschließen, der Bundestag soll am 28. Januar darüber entscheiden.

Westerwelle unterwegs in Afghanistan.

Westerwelle unterwegs in Afghanistan.

(Foto: dpa)

In Deutschland werde der Einsatz nicht ausreichend gewürdigt, kritisierte der Minister. Nach Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und Kanzlerin Angela Merkel bezeichnete auch der Außenminister die Lage in Afghanistan als Krieg. "Dass das, was hier stattfindet, von den Soldaten als Krieg empfunden wird, ist mehr als offensichtlich und nachvollziehbar", erklärte der Minister.

Die Soldaten reagierten zumindest in Anwesenheit der mitreisenden Journalisten deutlich zurückhaltender auf Westerwelle als auf Guttenberg, der bei seinen regelmäßigen Besuchen wie ein Star empfangen wird und kürzlich mit seiner Frau Stephanie vor Ort war. Als Westerwelle die Soldaten nach ihrer Meinung zur Sicherheitslage fragt, treten ein paar von ihnen unwillkürlich einen Schritt zurück, keiner antwortet. "Oder ist jemand mutig genug, was zu sagen?", fragt Westerwelle daraufhin, ehe er dann ohne die Presse im Rücken das Gespräch mit den Soldaten sucht. Westerwelle, aus gesundheitlichen Gründen selbst nicht bei der Bundeswehr gewesen, hat Mühe, ein Gespräch zu starten. "Wie ist es hier?", "Wo kommen Sie her?", "Erzählen Sie doch mal!", fällt ihm ein. Ein bisschen lebt das Gespräch auf, dann gibt es noch ein Gruppenfoto.

Guttenberg wird von den Soldaten stets mit großer Freude empfangen. Er kommt regelmäßig.

Guttenberg wird von den Soldaten stets mit großer Freude empfangen. Er kommt regelmäßig.

(Foto: dpa)

Die Militärführung bemühte sich unterdessen, den Vergleich der beiden Minister erst gar nicht aufkommen zu lassen. Auch die Abzugsdebatte, in der die beiden unterschiedliche Positionen vertreten, soll möglichst außen vor bleiben. "Die Reise wird nicht kommentiert", lautet die klare Anweisung an die Soldaten, noch ehe die Journalisten die erste Frage stellen können. "Die Debatte steht bei uns nicht zur Debatte. Wenn es der Dienstherr sagt, dann gehen wir raus", sagt dann doch ein Soldat in einem unbeobachteten Moment.

Lage weiter instabil

Einig sind sich die Soldaten darin, dass die neue Strategie Fortschritte gebracht hat. Die deutschen Truppen gehen danach seit einigen Monaten vermehrt in die Fläche, die Kämpfe nahmen zu, jetzt ist die Frage, wie sich die Lage nach der Winterpause entwickelt. "Die vergangenen fünf Monate waren sinnvoll, ein riesiger Schritt nach vorn", sagt ein Soldat. Gemeinsam mit seinen Kameraden war er zwei Drittel der Zeit außerhalb des Lagers im Einsatz.

Der Gouverneur der Provinz Kundus, Mohammed Anwar Jegdalek, dankte den Deutschen für ihr Engagement und versprach ein hartes Vorgehen gegen die Korruption. Sein Vorgänger Mohammed Omar war im Oktober bei einem Bombenanschlag auf eine Moschee getötet worden. Westerwelle, der in Deutschland in eine heftige Debatte um seine politische Zukunft verwickelt ist, versicherte im Gegenzug, dass Deutschland die Afghanen trotz der Pläne für den Abzugsbeginn nicht im Stich lassen werde. "Das heißt ausdrücklich nicht, dass Deutschland Afghanistan danach vergessen wird", betonte er auf besorgte Fragen afghanischer Journalisten.

Westerwelle entsteigt in Kundus einer Transall-Maschine.

Westerwelle entsteigt in Kundus einer Transall-Maschine.

(Foto: dpa)

Der Kommandeur der internationalen Truppen im Norden Afghanistans, der deutsche General Hans-Werner Fritz, spricht ebenfalls von einer verbesserten Lage, die jedoch keine hundertprozentige Sicherheit bedeute. "Aber die Wahrscheinlichkeit, dass etwas passiert, ist deutlich geringer geworden", sagt Fritz. Die Diskussion über einen Abzugstermin sei eine ganz normale parlamentarische Debatte. Kundus ist der gefährlichste Einsatzort der Bundeswehr, allein hier wurden 13 deutsche Soldaten getötet. Insgesamt kamen seit 2002 bei dem Einsatz 45 deutsche Soldaten um.

Derzeit sind knapp 4600 deutsche Soldaten in Afghanistan im Einsatz. Die Mandatsobergrenze von 5000 Soldaten plus 350 weitere Soldaten als Reserve soll auch im neuen Mandat bestehen bleiben. Die Bundesregierung will nun allerdings festschreiben, dass sie den Abzug der ersten deutschen Soldaten Ende 2011 plant, sofern es die Lage zulässt. In Deutschland hatte vor allem Westerwelle auf einen raschen Abzugsbeginn gedrängt, Verteidigungsminister Guttenberg warnte dagegen vor verfrühten Festlegungen. Mit der Nennung eines Datums für den Abzugsbeginn erfüllt die Regierung auch eine Forderung der SPD, die daran ihre Zustimmung zu dem neuen Mandat geknüpft hat.

Quelle: ntv.de, rts/dpa

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