Schlaf und Stress in der Schuldenkrise Wie schafft Merkel das?
19.10.2012, 14:10 Uhr
Merkel in der Nacht am Ende des ersten Gipfeltages.
(Foto: dpa)
Es ist ein Leben im Dauerstress: Selten schläft Angela Merkel länger als fünf Stunden am Tag, außerdem ist sie eine Vielfliegerin mit einer 140-Stunden-Woche und besonderer Verantwortung. Doch auch wenn die Kanzlerin erschöpft aussieht, hat sie wohl ihre eigenen Rezepte gefunden, um die Belastungen des Amtes zu stemmen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel lässt nur sehr selten einen Blick in ihr persönliches Leben zu. Im letzten Bundestagswahlkampf beschrieb sie einmal Glücksmomente in ihrem Leben. Einer davon: "Immer dann, wenn ich im eigenen Bett schlafen kann." Das war schon vor Jahren eine freundliche Umschreibung dafür, dass Ruhe- und Erholungsphasen im Leben einer Bundeskanzlerin rar sind. In den Zeiten der Schuldenkrise sind sie noch seltener geworden.
Das Bundeskanzleramt lässt keinen detaillierten Blick auf Merkels Terminplan zu, doch auch die grobe Übersicht zeigt, Merkel ist ständig unterwegs, nicht nur von Ort zu Ort, sondern auch von Thema zu Thema. Nach der jüngsten langen EU-Gipfelnacht von Brüssel sah Merkel nach zehn Verhandlungsstunden morgens um 3 Uhr müde aus, erschöpft, doch der Terminplan für den Tag ist wieder lang: Treffen mit dem griechischen Ministerpräsidenten Samaras, dann der zweite Gipfel-Tag, später noch die Rede aus dem CSU-Parteitag in München. Man fragt sich: Wie schafft sie das?
Die Belastungen im Amt haben schon ihre Amtsvorgänger als heftig beschrieben. Helmut Kohl kompensierte in den 16 Jahren seiner Kanzlerschaft den ständigen Schlafmangel und den Dauerstress mit deftigen Mahlzeiten. Deren Ergebnis als Übergewicht zu beschreiben, dürfte stark untertrieben sein.
Nichts Süßes, kein Sport
Im Büro der Kanzlerin steht immer ein Teller mit Obst. Glaubt man der "Bunten", nascht Merkel "nie", trinkt fast keinen Alkohol und auch Kaffee nur in Maßen. Wird sie hungrig, liefert die Küche des Kanzleramtes leichte Zwischenmahlzeiten. Gerade an stressigen Tagen sieht man Merkel allerdings auch bei Bouletten und Kartoffelsalat durchaus beherzt zugreifen.
Von Sport hält Merkel nichts, sie gehört nicht zu denen, die überall auf der Welt die Laufschuhe dabei haben, um dem aufreibenden Job mit körperlicher Fitness begegnen zu können. Allenfalls von moderaten Wanderungen am Wochenende in der Uckermark oder im Urlaub erfährt man.
Der "Brigitte" berichtete sie in einem der seltenen persönlichen Interviews, dass es ihr auch im Amt noch immer gelingt, am Wochenende abzuschalten, "wenn nicht bedrückende Sachen im Hintergrund stehen". Sie vermeidet es, im privaten Rahmen über Politik zu sprechen. Sie kauft selbst ein und kocht, wann immer es geht. Sie versucht, mal wieder auszuschlafen. Sie streift in einer Art Ritual für eine gewisse Zeit die Kanzlerin ab, wechselt das Merkel-Kostüm gegen legere Kleidung und Jeans aus.
Gute Gesundheit, keine Pillen?
Aus Merkels engem Umfeld berichtete der "Stern" kürzlich, Merkel sei mit einer robusten Gesundheit ausgestattet und komme über längere Zeit mit wenig Schlaf aus. Sie könne sich innerhalb kurzer Zeit erholen und neue Energie "wie ein Kamel" speichern. Merkel scheint dieses System perfektioniert zu haben, die Terminplanung bei Staatsbesuchen ist oft so, dass sie im Flugzeug schlafen kann, um ausgeruht auf ihre Gastgeber und die Themen der Reise zu treffen. Doch in dem "Brigitte"-Gespräch gestand sie, dass "ich nicht immer gut schlafe".
Da liegt der Gedanke nahe, dass sie gelegentlich vielleicht auch mal eine Schlaftablette nehmen wird. Offiziell bestätigt wird nie, dass die Politiker, die in der globalisierten Welt der Verhandlungsmarathons und Zeitzonen unterwegs sind, gelegentlich oder ständig auf Aufputsch- oder Beruhigungsmittel zurückgreifen. Doch was in der Welt der Manager durchaus gang und gäbe ist, ist in der der Politiker sicher nicht tabu.
Bei ihrem Stressmanagement kommt Merkel sicher ihre wissenschaftliche Prägung zugute. Systematisches Aktenstudium, klare Prioritätensetzung, zügige Erledigung auch unangenehmer Dinge – die Kanzlerin neigt nicht dazu, sich zu verzetteln. Multitasking ist für sie kein Problem, kaum eine Bundestagsdebatte vergeht, ohne dass Merkel nicht nebenher noch ein paar Dinge per SMS regelt. Hinzu kommen zielorientierte Telefonate und Gespräche.
Wenn man Merkel nach den Belastungen des Amtes fragt, betont sie immer wieder und durchaus überzeugend, dass sie diese durchaus empfindet, aber dass sie ja "freiwillig" Bundeskanzlerin sei. Auch das Bild vom "positiven Stress" ist ein zutiefst Merkelsches.
Im Laufe der Jahre hat sie es geschafft, nicht immer nur nach ihrem Äußeren beurteilt zu werden. Vor Terminen wird sie von ihrer Stylistin frisiert und geschminkt, mit einem guten Concealer ist die Erschöpfung einer langen Gipfelnacht dann unsichtbar. Merkel ist bereit für die nächste wichtige Entscheidung.
Quelle: ntv.de