Ausflüchte im NSA-Ausschuss Wie sich die Koalition vor Snowden versteckt
26.06.2014, 07:36 Uhr
Christian Flisek ist Obmann der SPD im NSA-Untersuchungsausschuss.
(Foto: picture alliance / dpa)
Edward Snowden ist unkooperativ, nicht an einer Aussage interessiert und will eigentlich gar nicht dauerhaft nach Deutschland - der Großen Koalition ist kein Argument zu absurd, wenn sie sich nur nicht mit dem Whistleblower befassen muss.
Es könnte auch alles anders laufen. Der Bundestag will aufklären, was Geheimdienste in Deutschland treiben, kommt aber nicht an den wichtigsten Zeugen Edward Snowden heran. Das Hohe Haus könnte jetzt Druck auf die Bundesregierung machen. Es könnte laut und deutlich verlangen, dass Snowden freies Geleit bekommt. Es könnte sie USA unter Druck setzen, dass sie offenlegen, weshalb Snowden gesucht wird. Das ist eine wichtige Frage, weil davon abhängt, ob er ausgeliefert werden müsste. Die Bundestagsabgeordneten, die sich mit der NSA-Affäre beschäftigen, könnten Auskünfte fordern, Anfragen stellen, Kampagnen starten. Die Bundesregierung müsste dem Parlament eigentlich Amtshilfe leisten, doch es gibt Anfragen, die von der Bundesregierung seit Monaten nicht beantwortet werden. Die Abgeordneten könnten immerhin erreichen, dass ihr jeder weitere Tag Verzögerung wehtut.
Stattdessen sagt der Parlamentarier Christian Flisek: "Ich nehme zur Kenntnis, wie die Amtshilfe der Bundesregierung aussieht." Flisek, Obmann der SPD im NSA-Untersuchungsausschuss, schert sich nicht darum, ob die Bundesregierung ihre Pflichten erfüllt oder nicht. Als Journalisten nachhaken, fällt Flisek ganz viel ein, warum eine Vernehmung Snowdens so schwierig ist: "Selbst wenn die Regierung zu einem konkreten Termin freies Geleit zusagt, ist das Problem nicht gelöst", sagt er. "Ich will ihn ja mehrfach befragen." Außerdem wolle die Bundesregierung nun einmal keine Garantien abgeben. Der Zeuge Snowden sei darum "vorläufig unerreichbar", das Thema damit also erst einmal erledigt. Flisek will sich jetzt an die Akten machen.
Koalition hört Snowden nicht richtig zu
Als Snowden es ablehnte, sich mit dem Ausschuss in Moskau zu unterhalten, warf Flisek ihm eine "nicht konstruktive Haltung" vor. Auf einmal soll es der bedeutendste Whistleblower der Geschichte sein, der die Aufklärung blockiert. Das ist der etwas herbeigezogene Spin, den Flisek dieser Sache geben möchte. Dabei macht Snowden immer wieder deutlich, wie gerne er zur Aufklärung beitragen würde, nur dass er das von Russland aus eben nicht darf.

Roderich Kiesewetter sitzt für die CDU im NSA-Untersuchungsausschuss.
(Foto: picture alliance / dpa)
Fliseks CDU-Kollege Roderich Kiesewetter macht es sich noch einfacher. Er sagt, dass er ohnehin dagegen sei, dass Snowden nach Deutschland kommt. Zu kompliziert seien die rechtlichen Fragen, die sich damit verbinden. Kann Snowden in Deutschland bleiben? Muss er ausgeliefert werden, kommt er in Schutzhaft? "Diese Debatte möchte ich vermeiden", sagt Kiesewetter. Außerdem vermutet er, Snowden würde im Untersuchungsausschuss nicht mehr als das aussagen, was er ohnehin schon öffentlich gesagt hat. Snowden hat zwar mehrfach das Gegenteil angekündigt, doch das ficht Kiesewetter nicht an. Er verweist auf die Aussagen des Justizministers Heiko Maas. Der hatte gesagt, dass die Qualität der Aussage Snowdens nicht von dessen Aufenthalt abhängen könne. Eine absurde Sichtweise, wenn man bedenkt, dass Snowden in Russland nur geduldet wird, wenn er eben keine weiteren Informationen preisgibt.
Grüne und Linke wollen bald klagen
Beide Obleute, Kiesewetter und Flisek, sprechen auch gerne davon, dass Snowden ja wahrscheinlich lieber frei in den USA leben als in Deutschland Asyl bekommen wolle. Das ist unzweifelhaft richtig. Ein Anwalt kümmert sich darum, mit der US-Regierung eine Lösung auszuhandeln. Dass es die je geben wird, ist aber keineswegs sicher. Es kann gut sein, dass Snowden für den Rest seines Lebens auf Asyl angewiesen ist. Aber schon die vage Möglichkeit, dass er wieder in die USA zurückkehren könnte, reicht CDU und SPD, um über Asyl in Deutschland gar nicht erst reden zu wollen.
Das Problem bei einer Snowden-Befragung in Deutschland ist, dass die USA für diesen Fall um Auslieferung bitten. Und Deutschland hat in einem Abkommen mit den USA zugesagt, solchen Bitten nachzukommen. Bleiben könnte Snowden nur, wenn er Asyl erhält und das hängt davon ab, ob er aus politischen Gründen verfolgt wird. Allerdings sagen die USA bisher nicht, warum sie Snowden suchen. Auch die Bundesregierung beantwortet einige Fragen des Untersuchungsausschusses bisher nicht, obwohl sie dazu verpflichtet ist. Snowden wäre darum in Deutschland nicht sicher. Grüne und Linke wollen klagen, wenn nicht bald etwas passiert. Noch brauchen sie Zeit, die Klage auszuarbeiten, sagen sie, die Zusammenhänge sind komplex. Doch sie wollen so bald wie möglich nach Karlsruhe. Es wäre nicht das erste Mal, dass das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung an ihre Aufgaben erinnern muss. Kiesewetter gibt sich gelassen: Die Grünen kündigten schon seit sechs Wochen eine Klage an, lange könnten sie diese Drohung nun nicht mehr aufrecht erhalten.
Quelle: ntv.de