Kreditannahme wohl "rechtswidrig" Wulff: "Das muss man aushalten"
17.12.2011, 22:08 Uhr
Wulff nahm in Lutherstadt Wittenberg an der Aufzeichnung des ZDF-Weihnachtskonzertes teil.
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Bundespräsident Wulff will die sogenannte "Kreditaffäre" durchstehen und den politischen Druck aushalten. Dieser wächst angesichts neuer Fragen zu seinem Hauskredit. SPD und Grüne fordern Wulff auf, alle Umstände des Kredits lückenlos offenzulegen. Die Annahme des zinsverbilligten Kredits soll in seiner Rolle als Ministerpräsident gesetzeswidrig gewesen sein.
Bundespräsident Christian Wulff sieht sich dem Druck seiner Kritiker gewachsen. "Man muss selber wissen, was man macht", sagte Wulff in Wittenberg. "Das muss man verantworten – das kann ich", ergänzte er auf die Frage, wie er den politischen Druck aushalte. Deshalb könne er sich auch so wunderbar mit den Bürgern unterhalten, erklärte Wulff kurz nach der Aufzeichnung einer ZDF-Weihnachtssendung bei einem Empfang. "Das ist eigentlich das Wichtige, das Wesentliche, dass man die Dinge bewertet (...) und dann auch unterscheidet, wo ist etwas real und wo ist etwas mit sehr viel Staub aufwirbeln verbunden", sagte Wulff. "Das muss man voneinander trennen." Vor rund 300 geladenen Gästen und Mitwirkenden in der Schlosskirche hatte Wulff aus der Bibel vorgelesen.
Der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim hatte Wulff vorgeworfen, als niedersächsischer Ministerpräsident durch die Annahme eines zinsverbilligten Kredits gesetzeswidrig gehandelt zu haben. Die Annahme von verbilligten Krediten sei vom niedersächsischen Ministergesetz und dem dazugehörigen Erlass untersagt.
"Ein Bezug zum Amt ist beim von Frau Geerkens aus meiner Sicht gegeben", sagte Arnim der Zeitung "Die Welt". Nach einer von der Zeitung zitierten Bundesbank-Statistik kosteten Wohnungsbaukredite im Oktober 2008 über fünf Prozent Zinsen, Wulff hatte sein Darlehen zu vier Prozent erhalten. Zudem gilt es als ungewöhnlich, Wohnungskredite ohne Grundbucheintrag als Sicherheit zu vergeben. "Wenn es keine Sicherheiten gab – zum Beispiel einen Grundbucheintrag – und Herr Wulff also zu den genannten Konditionen gar keinen Kredit bei einer Bank bekommen hätte, muss man einen Verstoß bejahen", sagte auch der Verfassungsrechtler Ulrich Battis. Der Bezug des Kredits zu seinem Amt müsse allerdings genau geprüft werden. Arnim sieht dies wegen der Teilnahme von Egon Geerkens an Dienstreisen des Ministers als gegeben an. Wulff und Geerkens hingegen argumentieren nach wie vor, der Kredit sei von Frau Edith Geerkens gewährt und aus ihrem Konto gezahlt worden.
Wirtschaftliche Abhängigkeit wird geprüft

Wulff war zuvor Festredner bei einer Jubiläumsveranstaltung zum 100-jährigen Bestehen des Deutschen Fechter-Bundes in Frankfurt. Fragen zur "Kredit-Affäre" waren dort nicht zugelassen.
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Der Grünen-Fraktionschef im niedersächsischen Landtag, Stefan Wenzel, nannte es entscheidend, wer der wirtschaftlich Berechtigte des Kontos sei und wer die Geschäftsbeziehung in die Wege geleitet habe. "Wir haben den Eindruck, man hat auf unsere Frage nicht wahrheitsgemäß geantwortet", sagte er im NDR zur Erklärung Wulffs im Landtag. Wulff hatte 2010 in einer Befragung in Hannover betont, dass er keine geschäftliche Beziehung zu Egon Geerkens unterhalten habe. "Entscheidend ist nicht die Frage, von welchem Konto das abgewickelt wurde, sondern entscheidend ist, wer der wirtschaftlich Berechtigte war, also wer tatsächlich Eigentümer des Geldes war, und wer diese Geschäftsbeziehung in die Wege geleitet hat", sagte Wenzel. "Das ist im Geldwäschegesetz ganz klar geregelt." Dies seien auch die Fragen für die Sitzung des Ältestenrates des niedersächsischen Landtags am kommenden Dienstag. "Im Kern geht es um die Frage: Hat sich jemand in wirtschaftliche Abhängigkeiten begeben?"

Die freundschaftliche Verbindung zum Ehepaar Geerkens hatte für ihn möglicherweise Vorteile.
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Geerkens sagte laut "Spiegel", er habe selbst die Verhandlungen mit Wulff über den Kredit geführt und zudem Zugriff auf das Konto seiner Frau. Zudem sei die Rückzahlung des Darlehens im Jahr 2010 auf ein Konto geflossen, das beiden Eheleuten gehöre.
Am Donnerstag hatte der Bundespräsident erklärt, er bedaure, dass er im Landtag den Privatkredit nicht erwähnt habe. Es tue ihm leid, dass ein falscher Eindruck entstanden sei. Den Vorwurf eines inhaltlichen Fehlverhaltens wies er zurück.
"Wulff trägt zur Politikverdrossenheit bei"
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles kritisierte Wulff scharf forderte ihn auf, Klarheit über die Finanzierung seines Hauses zu schaffen. "Es ist unerträglich, dass ausgerechnet der Bundespräsident durch sein Verhalten die Politikverdrossenheit in unserem Land spürbar vorantreibt", sagte sie der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Wenn Wulff das höchste Amt im Staat nicht beschädigen wolle, müsse er jetzt endlich reinen Tisch machen. "Ein Bedauern reicht nicht, wenn Vorwürfe, wie sie jetzt in den Medien erhoben werden, im Raum stehen."
Erste Rücktrittsforderungen
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Erwin Lotter legte Wulff den Rücktritt nahe. "Statt mit präsidialem Glaubwürdigkeitskredit den Menschen in turbulenter Zeit Orientierung zu geben, ist der Bundespräsident gefangen im spitzfindigen Formulierungskampf um seinen Hauskredit", sagte Lotter der dpa. "Der umgehende Rücktritt ist ein Gebot des Anstands und der Verantwortung."
Schleswig-Holsteins SPD-Chef Ralf Stegner sagte der "Welt am Sonntag": "Wenn der Herr Bundespräsident nicht alle neuen Vorwürfe eindeutig, unzweifelhaft und unmittelbar ausräumen kann, wird er der Frage persönlicher Konsequenzen nicht länger ausweichen können." Und: "Unser Staatsoberhaupt darf nicht im Zwielicht stehen."
Wulff sagt nichts mehr
Wulff hatte am Freitag über seine Anwälte zu den im "Spiegel" beschriebenen Vorgängen erklären lassen, der Kredit sei aus dem Konto von Frau Geerkens gedeckt worden. Zu den im "Spiegel" berichteten Äußerungen Geerkens', er habe den Kredit vermittelt und die Modalitäten der Auszahlung besprochen, stand in der Erklärung nichts. Auf die Frage, ob er etwas sagen könne, antwortete Wulff am Samstag am Rande einer Festveranstaltung auf die Fragen von Journalisten: "Zu dem Thema 100 Jahre Fechterbund auf jeden Fall – zu den anderen Dingen ist ja alles gesagt."
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele sagte, wenn sich bestätige, dass Herr Geerkens Verhandlungen mit Wulff geführt habe, könnte das die Lage völlig verändern. "Dann wird es eng für Herrn Wulff", sagte Ströbele dem Magazin "Focus".
"Focus" zufolge soll sich Wulff bei Egon Geerkens für die Unannehmlichkeiten im Zuge der Berichterstattung entschuldigt haben. Von seiner Kuwait-Reise aus habe er seinen väterlichen Freund in einer SMS gebeten zu entschuldigen, dass er so in die Öffentlichkeit gezerrt werde. Der Ärger tue ihm leid.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa/rts