Politik

Kredit von der Frau des Freundes Wulff und die Wahrheit

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Eine halbe Million Euro hat Bundespräsident Wulff sich von einer Bekannten geliehen. Als er im Landtag nach Geschäftsbeziehungen zu deren Ehemann gefragt wurde, erwähnte er den Kredit nicht. Gelogen hat er also nicht. Doch nicht einmal die Union kann sich zu einer engagierten Verteidigung aufraffen.

Die Woche begann nicht gut für Bundespräsident Christian Wulff, und sie geht noch schlechter weiter. Im aktuellen "Spiegel" findet sich ein Bericht über ein angebliches Zerwürfnis mit Bundestagspräsident Norbert Lammert. Demnach liegen die beiden in einem "zähen Kleinkrieg" miteinander, bei dem es darum geht, "wer die Nummer eins im Land ist".

Das Wohnhaus der Familie von Bundespräsident Christian Wulff in Burgwedel.

Das Wohnhaus der Familie von Bundespräsident Christian Wulff in Burgwedel.

(Foto: dpa)

Dieser Streit der Eitelkeiten ist jedoch nichts im Vergleich zu der Geschichte, die die "Bild"-Zeitung öffentlich machte: Wulff hatte 2010 als niedersächsischer Ministerpräsident im Landtag auf Fragen nach Geschäftsbeziehungen zu dem Unternehmer Egon Geerkens verschwiegen, dass er von dessen Gattin Edith ein Darlehen erhalten hatte. Dabei ging es immerhin um eine halbe Million Euro. Mit dem Geld kauften er und seine Frau Bettina ein Haus in Burgwedel bei Hannover.

Formal hatte Wulff die Fragen am 18. Februar 2010 korrekt beantwortet. Nach der Fragestunde löste er den Kreditvertrag mit Edith Geerkens auf. Dies könnte man als Indiz dafür werten, dass Wulff dämmerte, dass es möglicherweise nicht ganz in Ordnung ist, wenn ein Ministerpräsident sich von einer Privatperson 500.000 Euro leiht. Allerdings hängt dieser Eindruck stark von der zeitlichen Nähe der Auslösung des Kredits ab. Und da gehen die Schilderungen ein bisschen auseinander.

Februar, März, Juni?

Laut "Bild"-Zeitung nahm Wulff noch im Februar 2010 - also nur wenige Tage nach der Landtagssitzung - einen Kredit bei einer Bank auf, um den seit Oktober 2008 laufenden privaten Darlehensvertrag abzulösen. Der "Stern" schreibt, Wulff sei Mitte März 2010 zur landeseigenen baden-württembergischen BW-Bank in Stuttgart gewechselt.

Egon "Bubi" Geerkens und seine Frau Edith auf dem Sommerfest des Bundespräsidenten im Schloss Bellevue am 1. Juli 2011.

Egon "Bubi" Geerkens und seine Frau Edith auf dem Sommerfest des Bundespräsidenten im Schloss Bellevue am 1. Juli 2011.

(Foto: dpa)

Dagegen sagte Wulffs Sprecher Olaf Glaeseker, das Privatdarlehen sei im "Frühjahr 2010 ... durch eine Bankfinanzierung mit niedrigerem Zinssatz abgelöst worden". Geerkens sagte "Spiegel online", dass Wulff den Kredit ausgelöst habe, nachdem er im Juni 2010 von einer Bank ein "erheblich besseres Angebot" erhalten habe. Nach dieser Darstellung wäre Wulffs Motiv kein vages Schuldgefühl gewesen, sondern ein schlichter Zinsvergleich. Zur Einordnung: Am 3. Juni wurde Wulff zum Bundespräsidenten gewählt.

"Keine geschäftlichen Beziehungen"

Anlass der Frage der Grünen-Abgeordneten Stefan Wenzel und Ursula Helmhold im niedersächsischen Landtag war übrigens Wulffs Weihnachtsurlaub 2009, den das Ehepaar Wulff bei den Geerkens in Florida verbracht hatte. Den Flug dorthin hatte Bettina Wulff von Air Berlin kostenlos von der Economy- in die Business-Class hochstufen lassen. Im Januar 2010 räumte Wulff ein, gegen das niedersächsische Ministergesetz verstoßen zu haben. Das Upgrade zahlte er nach.

Wenzel und Helmhold nahmen dies zum Anlass, Wulff nach Geschäftsbeziehungen zu Geerkens und dem damaligen Air-Berlin-Chef Joachim Hunold zu fragen. Die Antwort der Staatskanzlei: "Zwischen Ministerpräsident Wulff und den in der Anfrage genannten Personen und Gesellschaften hat es in den letzten zehn Jahren keine geschäftlichen Beziehungen gegeben."

Nicht gelogen, aber unaufrichtig

Dass einer der Fragesteller sich nun getäuscht fühlt, ist nachvollziehbar: "Wulff hat vielleicht korrekt geantwortet, was die Geschäftsbeziehungen mit Geerkens angeht", sagt nun Stefan Wenzel. "Aber es wäre aufrichtig gewesen, auf den Kredit der Unternehmersgattin hinzuweisen."

Der Air-Berlin-Flug und der Florida-Urlaub bei seinem Freund Geerkens ist nicht er einzige Fall von privater Nähe zu Unternehmern. Nach seiner Wahl zum Bundespräsidenten verbrachte Wulff ein paar Tage im Sommer 2010 in der Villa des AWD-Gründers Carsten Maschmeyer - ein Fehler, wie auch Wulff nach kritischen Berichten dazu auffiel.

"Ganz besondere Maßstäbe"

Soweit heute bekannt, war formal sowohl beim Maschmeyer-Urlaub als auch beim Geerkens-Kredit alles korrekt. Dennoch ist erstaunlich, dass ein Mann, der über 15 Jahre Ratsherr einer kleinen Großstadt war, nicht zu wissen scheint, dass es einen Unterschied zwischen "formal korrekt" und "politisch einwandfrei" gibt. "Für einen Bundespräsidenten gelten ganz besondere Maßstäbe", meint der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann. Das kann man auch anders sehen: Für einen Bundespräsidenten sollten die gleichen Maßstäbe gelten wie für jeden Bauamtsleiter in Deutschland - zu große Nähe zu den örtlichen Unternehmen ist heikel.

Selbst die Union hält sich derzeit bei ihrer Verteidigung des Bundespräsidenten bedeckt. "Meine Fraktion sieht keinen Anlass, das Ganze zu kommentieren", sagte der Parlamentsgeschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier (CDU). Dies gebiete der Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, sonst nicht für große Zurückhaltung bekannt, sagte, es gebe nichts, "was irgendwie zu kritisieren wäre". Und er fügte hinzu: "In dieser Stunde" seien keine Vorwürfe angebracht.

Wulff kehrt heute Abend nach Berlin zurück, über die sechstägige Reise durch vier Staaten der Golf-Region, die ohnehin im Windschatten des öffentlichen Interesses stattfand, wird nun kaum jemand mehr sprechen.

Quelle: ntv.de, mit rts/AFP/dpa

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