"Sehschwäche auf rechtem Auge" Zentralrat kritisiert zögerliche Justiz
23.05.2021, 19:26 Uhr
Unter einem großen Polizeiaufgebot demonstrierten rund 1200 Menschen in Nürnberg gegen Antisemitismus.
(Foto: picture alliance/dpa)
In Reaktion antisemitischen Hass auf propalästinensischen Demonstrationen fordern deutsche Politiker reflexartig höhere Strafen. Der Chef des Zentralrats der Juden sieht Handlungsbedarf bei Polizei und Justiz. Die hätten "größere Defizite", wenn es um konsequentes Durchgreifen bei antisemitischen Straftaten gehe.
Vor dem Hintergrund antisemitischer Vorfälle bei Demonstrationen in Deutschland hat der Zentralrat der Juden der Justiz eine mangelnde Verfolgung solcher Straftaten vorgeworfen. "Zum Kampf gegen den Antisemitismus gehören immer mindestens zwei: ein entschlossener Gesetzgeber und eine Justiz, die dieses Recht auch entschlossen umsetzt", sagte Zentralratspräsident Josef Schuster der "Augsburger Allgemeinen" laut Vorabmeldung vom Wochenende.
Er sehe die "größeren Defizite" bei der Justiz, die "auf dem rechten Auge doch eine gewisse Sehschwäche hat", fuhr Schuster fort. Auch die Polizei werde ihren Aufgaben nicht immer gerecht. Wenn Demonstranten antisemitische Parolen brüllten oder zu Gewalt gegen Juden aufriefen, erwarte er von der Polizei, "dass sie dann auch durchgreift, dass sie ermittelt, die Täter benennt und das zur Anzeige bringt", sagte Schuster. Jedoch gebe es an dieser Stelle immer wieder Versäumnisse.
In den vergangenen Tagen hatte es eine Reihe von Demonstrationen und Protestaktionen wegen des Nahost-Konflikts gegeben. Bei pro-palästinensischen und anti-israelischen Kundgebungen kam es dabei auch zu antisemitischen Vorfällen. So wurden israelische Flaggen verbrannt und jüdische Einrichtungen attackiert. Die Vorfälle lösten große Empörung aus. Zahlreiche Politiker forderte härte Strafen und Konsequenzen insbesondere für Ausländer und mögliche Flüchtlinge unter den mutmaßlichen Tätern.
Unter einem großen Polizeiaufgebot demonstrierten rund 1200 Menschen in Nürnberg gegen Antisemitismus. Die Veranstaltung blieb komplett friedlich, wie ein Sprecher des Polizeipräsidiums Mittelfranken sagte. Die Kundgebung stand unter dem Motto "Nein zu Judenhass" und wurde von zahlreichen Polizisten begleitet, die unter anderem von Dächern aus ein Auge auf die Menge hatte. Einige Teilnehmer trugen Israel- oder Regenbogenflaggen. "Gegen jeden Antisemitismus" stand auf Plakaten, oder die Forderung nach "Solidarität mit Israel". Die Kundgebung wurde von der Allianz gegen Rechtsextremismus und vom Rat der Religionen in der Metropolregion Nürnberg unterstützt.
Quelle: ntv.de, mbo/AFP/dpa