Bevölkerung ist zynisch Algerien wählt Präsidenten
08.04.2009, 13:42 UhrDer algerische Präsident Abdelaziz Bouteflika neigt dazu, sich die Welt schön zu malen. Das fängt damit an, dass er auf allen seinen Wahlplakaten volles Haar hat, obwohl er seit Jahren nur noch wenige Strähnen über seine Glatze verteilt. Und es spielt eine Rolle bei der Präsidentschaftswahl am 9. April. Nach Ansicht von Kritikern wird die Wahl vor allem mit Blick auf den Westen als demokratisches Spektakel zelebriert, obwohl Bouteflikas Sieg längst feststeht. Bei der Bevölkerung macht sich Zynismus breit. "Wahlen? Hier wird doch nicht gewählt", sagt ein alter Mann in einem Caf in Algier und lacht herzlich.
"Wir spielen das Spiel mit, weil die Regierung es will", meint Meriem, eine junge Sekretärin. Die einzige Frage sei, wie hoch die Wahlbeteiligung werde. Mehrere Oppositionsparteien haben zum Boykott aufgerufen, und viele Unterstützer des Präsidenten sind überzeugt, dass Bouteflika auch ohne ihre Stimme gewinnen wird. Die fünf Gegenkandidaten des Präsidenten gelten alle als aussichtslos, die oppositionelle Presse bezeichnet sie als "Pappkameraden".
Amnestie für Terroristen
Vorherrschendes Thema während des Wahlkampfs war die Frage einer Generalamnestie für islamistische Terroristen. Bouteflika hat den Terror durch frühere Amnestien weitgehend eingedämmt, aber es kommt immer noch fast im Wochentakt zu Anschlägen gegen Soldaten und Polizisten. "Die Tür steht allen offen, die ihre Waffen abgeben", sagte Bouteflika. Eine weitere Amnestie solle aber durch eine Volksabstimmung gewilligt werden.
Menschenrechtsorganisationen betonen, dass der Friede nicht ohne Gerechtigkeit erreicht werden kann. "Algerien ist das einzige Land, in dem 200.000 Menschen getötet werden und 12.000 verschwinden, ohne dass jemand zu Verantwortung gezogen wird", kritisiert Karim Tabbou von der Sozialistischen Partei FFS mit Blick auf den Bürgerkrieg der 90er Jahre.
Ölindustrie für Wiederwahl
Das flächenmäßig zweitgrößte Land Afrikas lebt in erster Linie vom Gas- und Ölexport. "Für die Ölindustrie wäre die Wiederwahl von Bouteflika eine gute Nachricht, denn es bedeutet Stabilität", sagte ein Mitarbeiter einer internationalen Ölgesellschaft. Auch Deutschland hat Interesse an den algerischen Gasreserven, um die Abhängigkeit von Russland zu verringern. E.On Ruhrgas hat kürzlich eine Konzession im Südosten des Landes erhalten und will 40 Millionen Euro investieren. Die Bohrungen sollen in Kürze beginnen.
Ein Thema, dass Bouteflika während seines Wahlkampfs wohlweislich ausgeklammert hat, ist die Perspektivlosigkeit der Jugend. Selbst mit einer Universitätsausbildung ist es kaum möglich, Arbeit zu finden. Nach einer kürzlich veröffentlichten Studie der Zeitung "Libert" ist jeder zweite junge Algerier bereit, alles hinter sich zu lassen, um ein besseres Leben in Europa zu versuchen.
Ulrike Koltermann, dpa
Quelle: ntv.de