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Volkspartei sein heißt Volkspartei tun Die Union braucht neue Köpfe

CSU-Chef Horst Seehofer erkennt Redebedarf - aber mit wem?

CSU-Chef Horst Seehofer erkennt Redebedarf - aber mit wem?

(Foto: picture alliance / dpa)

32 Prozent: Auf dieses Wahlergebnis käme die CDU/CSU derzeit bei einer Bundestagswahl. Die Debatte um das Parteiprofil ist richtig. Doch wo sind die Köpfe, die sie so führen können, dass es die Union voranbringt? Es geht nicht nur um Positionen. Es geht um die Zukunft einer Volkspartei.

Die CDU diskutiert über das eigene Profil. Das ist offenbar nötig, denn die Umfragewerte zeichnen ein schreckliches Bild für die Partei, die mit der Wende eine nie wieder dagewesene Popularität erfuhr. Als echte Volkspartei, gewählt im Westen Deutschlands wie im neu hinzugekommenen Osten. Nun steht sie vor einem Scherbenhaufen, meinen Kritiker. Einem Scherbenhaufen der Ideale, tönt es von den hinteren Bänken, wo eine Rückbesinnung auf bewährte Werte angemahnt wird.

Mit Deutschlandfahne am Revers für die Sicherheit: Volker Kauder.

Mit Deutschlandfahne am Revers für die Sicherheit: Volker Kauder.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Haufen, er besteht aus 32 Prozent. Es ist der Anteil der Zustimmung für die Union auf Bundesebene, den das Forsa-Institut ermittelt hat.

Das Problem liegt jedoch nicht nur in eben jenen Idealen, also unter anderen der fehlenden Christlichkeit, wie Junge-Union-Chef Philipp Mißfelder sagt. Sondern auch darin, dass die Köpfe der Union aus der Zeit gefallen sind. Und offenbar ist niemand von Gewicht da, der so wirksam kontern könnte, dass es auch in der Öffentlichkeit gehört würde. Jüngstes Beispiel: Die angestrengten Positionierungen zum Internet, durch Hans-Peter Uhl von der CSU sowie Siegfried Kauder, CDU-Bundestagsabgeordneter und Bruder des Fraktionschefs Union, Volker Kauder.

Freiheit als Mode

Offenbar angetrieben von der Vorstellung, jedes Ereignis eigne sich dazu, ein Thema auf die Agenda zu setzen, nutzte Uhl das Attentat in Norwegen und knallte die Vorratsdatenspeicherung auf den Tisch. Für seine Äußerungen zum Thema musste Uhl, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Innenpolitik in der Unionsfraktion, viel Kritik, Hohn und Spott ertragen. Und dann kam auch noch das Fernsehen und wollte es genau wissen.

Uhl blieb bei seiner Position. Er war und ist offenbar noch immer der Überzeugung, dass die Tat Anders Behring Breiviks "im Internet geboren" wurde. Und deshalb gehöre das Netz auch viel besser überwacht, meint der am 5. August 68 Jahre alt werdende Uhl. Siegfried Kauder, geboren 1950, sagte dazu: "Es ist Mode geworden, die Freiheitsrechte des Bürgers in den Vordergrund zu stellen." Der Bürger habe aber genauso ein Recht auf Sicherheit.

Die naheliegende Schlussfolgerung: Sicherheit mit Freiheit gibt es nicht. Widerspruch kam aus der eigenen Partei: Wenn Ideologie per Fax verbreitet würde, könne man ja auch eine Überwachung des Fax-Verkehrs erwägen, sinnierte Peter Tauber, 36-jähriger Abgeordneter der CDU im Bundestag mit viel Sarkasmus. Oder, um in der Altersgruppe Uhls zu bleiben: Überwachung aller Stammtische angehender Rentner im Land.

Hans-Peter Uhl - nicht im Internet geboren.

Hans-Peter Uhl - nicht im Internet geboren.

(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)

Wahlforscher Matthias Jung, Vorstandsmitglied der Forschungsgruppe Wahlen, sagt: Wenn die CDU Volkspartei bleiben will, kann sie sich nicht nur auf die Wiedergewinnung von Stammwählern konzentrieren. "Wenn die Union die Zahl ihrer Wähler einigermaßen konstant halten will, wenn sie gar wieder 40 Prozent erreichen will, die sie das letzte Mal 1994 hatte, muss sie in den jüngeren Wählerschichten in Zukunft erheblich mehr dazu gewinnen", zitiert ihn der "Tagesspiegel".

Zurückholen reicht nicht

Wähler zurückholen, das reicht nicht. Von der Bundestagswahl 1990 bis 2009 haben CDU und CSU 5,3 Millionen Wähler durch Tod verloren, so Jung. Seine Empfehlung: Die Union muss bei den Wählern Boden gut machen, die jünger als 60 Jahre sind. Und, was den ewigen Nörglern über die Bundeskanzlerin etwas Wind aus den Segeln nehmen könnte: Das Problem der CDU ist nicht die Vorsitzende Angela Merkel.

Die Diskussion um klare Positionen, um Identifikation der Wähler mit der Politik der CDU und der gesamten Union ist also richtig. Sicherheit oder Freiheit? Wenn die Christdemokraten eine Volkspartei bleiben wollen, muss sie Köpfe hervorbringen, die sich solchen Positionen entgegenstellen. Köpfe, die nicht den Eindruck hinterlassen, die Union sei eine ängstliche, neuen gesellschaftlichen Realitäten abgeneigte politische Vereinigung. Und die zeigen, dass konservativ nicht bedeuten muss, die Lösung der Probleme von heute in der Vergangenheit zu suchen.

Der 62 Jahre alte CSU-Chef Horst Seehofer sagt dazu: "Wir müssen uns damit auseinandersetzen." Er hat recht.

Quelle: ntv.de

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