Zeit für Freiheit Großes Gedränge, endlich!
04.06.2021, 14:12 Uhr
Die Bilder sollten uns Mut machen, nicht Angst.
(Foto: dpa)
Die Sorge vor vollen Restaurants oder Gedränge im Laden ist ein Reflex aus den letzten zwölf Monaten. Die Realität ist jetzt eine andere.
Der Sommer kommt ins Land und die Leute gehen ins Freie. Die Fußgängerzonen füllen sich, die Läden und Restaurants, erst draußen, dann drinnen. Beste Laune, großes Gedränge, endlich. Doch vielen wird bei Anblick der Bilder irgendwie auch mulmig: Ist das nicht gefährlich und geradezu verantwortungslos? Seit Beginn der Pandemie ging es ja wie mit dem Jo-Jo: Auf Phasen des Lockerns folgte bald wieder das Einschränken, auf den Lockdown ein Stück Freiheit. Das Auf und Ab scheint vielen so tief in Fleisch und Blut übergangen zu sein, dass sie auch jetzt wieder die nächste Corona-Welle kommen sehen und geradewegs den nächsten Lockdown.
Das ist verständlich, aber ein Irrtum. Es ist der alte Blick, doch die Lage ist neu. Die Bilder sollten uns Mut machen, nicht Angst.
Angst ist nicht selten zwar ein guter Ratgeber. Ohne Angst vor der unbekannten Gefahr wäre die Evolution der Menschheit vermutlich irgendwo zwischen Mammut und Säbelzahntiger an ihr Ende gekommen. Aber Sorgen sind weder ein Selbstzweck noch sollten sie politisch fortgesetzt vermarktet werden. Die Realität der Pandemie ist inzwischen eine andere. Das zählt - und darf gute Laune machen.
Infektionszahlen, Risiken oder Einschränkungen sind nämlich neu und anders zu bewerten, wenn die tödlich gefährdeten Gruppen voll geimpft sind - was sie vorher nicht waren. Größere Menschengruppen verlieren das Bedrohliche, wenn sich alle Teilnehmer tagesaktuell haben testen lassen - was sie vorher nicht konnten. Selbst größere Ausbrüche sind durch die aufgerüsteten Gesundheitsämter besser zu handhaben - was vorher unmöglich war. Zusammengefasst: Die typischen Opfer der ersten zwölf Corona-Monate sind heute nicht mehr wehrlos. Sie können sich gleichsam wehren, dank der Impfung, dank der Tests, dank der Lehren aus staatlichen Schwächen. Die Angst vor Ansteckung muss nicht mehr das Maß aller Dinge sein.
Ohnehin wird diese Pandemie nicht mit einer letzten Impfung oder einem letzten Krankheitsfall enden. Vielmehr wird Corona bis auf Weiteres medizinisch zum Leben dazugehören wie die Grippe, was nicht heißen soll, dass Corona "nur" eine Grippe sei. Die Kunst besteht darin, auf breiter Front einen Übergang vom Alarmzustand in eine wachsame Normalität zu schaffen. Einen permanenten Ausnahmezustand rechtfertigt Corona beim heutigen Wissen und Können ebenso wenig wie die üblichen Grippewellen.
Wer sein Leben trotzdem (noch) nicht wieder auf "normal" schalten will, soll das tun und sich entsprechend verhalten, es gibt ja keinen Zwang zum Feiern. Genauso gilt aber: Nachdem Wissenschaft, Politik und Bürger mühsam den Weg zurück in ein normales Leben geöffnet haben, sollte diesen Weg nun auch beschreiten dürfen, wer will. Man nennt es Freiheit.
Quelle: ntv.de