Zwischenruf Guter Attentäter, schlechter Attentäter?
19.07.2012, 15:47 Uhr
Bei dem Anschlag in Damaskus kamen Assads Schwager und ein Minister ums Leben.
(Foto: dpa)
Der Bundesaußenminister hat sich faktisch hinter den Selbstmordattentäter von Damaskus gestellt. Einseitige Schuldzuweisungen sind fehl am Platze. Rebellen wie Regimetreue agieren brutal. Nato und Russland entsenden starke Marineverbände an die Levante. Die Kriegsgefahr wächst.
Es mutet schon befremdlich an, wenn ein deutscher Außenminister einen Selbstmordanschlag rechtfertigt. Nichts anderes ist es, wenn Guido Westerwelle die Ermordung von Spitzenvertretern des Regimes von Baschar al-Assad auf die Brutalität von dessen Truppen zurückführt. Es gibt keine guten und keine bösen Selbstmordattentäter. Russland und China die moralische Schuld am Blutvergießen in die Schuhe schieben zu wollen, klingt rhetorisch gut, geht aber an der Realität vorbei.
Beide Seiten in Syrien gehen mit grausamer Härte gegen ihre Gegner vor. Der Appell sollte sich deshalb an Rebellen wie an Regimetreue richten. Deren Unterstützer aus der Türkei, Katar und Saudi-Arabien wurden von dem FDP-Politiker erst gar nicht erwähnt. Weder die Niederschlagung des schiitischen Aufstands in Bahrain durch saudische und Emirats-Truppen noch die brutale Unterdrückung schiitischer Proteste in Saudi-Arabien, über die der "Spiegel" in dieser Woche berichtet, waren je Gegenstand von Beratungen im UN-Sicherheitsrat noch gab es westliche Proteste. Es wird immer klarer, dass die Schiiten in den betroffenen Staaten ausgeschaltet werden sollen, weil sie als potentielle Verbündete des Iran gelten. Sollte in Syrien schlussendlich doch von außen interveniert werden, hätte dies unabsehbare Folgen für den benachbarten Libanon. Dort ist die schiitische Hisbollah-Miliz die stärkste militärische Kraft. Die Minderheit der Alawiten, zu denen auch der Assad-Clan gehört, ist eine Strömung innerhalb der Schia.
Sanktionen schaden dem Volk
Die Forderung des Hausherrn an Berlins Werderschem Markt nach "harten Sanktionen" ist völlig unverständlich. Sie schaden dem Volk, und zwar sowohl jenem Teil, der zu Assad hält als auch den Zivilisten der Gegenseite, und sie schwächen in keinem Fall die jeweilige Diktatur. Das belegt nicht zuletzt das Beispiel Irak, wo dann doch eine Invasion stattfand. Kommt es zum Schwure, dann nützt es auch nichts mehr, dass sich der deutsche Chefdiplomat einmal für "nichtmilitärische" Sanktionen ausgesprochen hat.
Apropos Irak: Es war eine vom kuwaitischen Emir mit Unterstützung der US-Regierung bei der New Yorker PR-Firma "Hill & Knowlton" in Auftrag gegebene Lüge, die der Administration von George Bush 1990 den letzten Vorwand für den Einmarsch lieferte. Die Krankenhausschwester Nayirah, welche die Welt über die Ermordung kuwaitischer Frühchen durch irakische Soldaten informierte, war niemand anders als die Tochter des Emir-Botschafters in Washington. Auch im Falle Syriens gab es schon Meldungen, dass Soldaten in Krankenhäusern den Strom abschalteten, was den Tod von zu früh Geborenen zur Folge gehabt hätte. Es mutet sonderbar an, dass die meisten Berichte über Gräueltaten der Regierungstruppen aus einer einzigen Quelle stammen, der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Die besteht aus einem einzigen Mann, dem Syrer Rami Abdel Rahman, im britischen Coventry, der nach eigener Aussage über 200 Informanten im Lande verfügt. Das ist ebenso wenig überprüfbar wie seine Meldungen.
Niemand soll sich Illusionen über angeblich humanitäre Motive für den Druck auf die Assad-Diktatur machen. Es geht Russland, China und dem Iran auf der einen, dem Westen auf der anderen Seite, einzig und allein um jedesmalig eigene strategische Interessen. Nicht zuletzt deshalb entsenden Nato und Russland israelischen Quellen zufolge starke Marinekräfte an die Levante. Das erhöht die Kriegsgefahr in besorgniserregender Weise. Umso mehr, als nach dem Bruch der Koalition in Israel auch der Druck der religiösen Parteien auf den regierenden Likud-Block wachsen wird, endlich gegen den Iran loszuschlagen. Denselben Quellen zufolge ist es nur eine Frage der Zeit, wann. Vor oder nach den US-Präsidentenwahlen.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 das politische Geschehen für n-tv. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist er Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de