Zwischenruf Vergessener Konflikt wird zum Sprengsatz
24.05.2011, 15:28 UhrAm 9. Juli soll die Trennung des Südsudans vom Nordteil des Landes vollzogen sein. Aber die Lage spitzt sich immer weiter zu. Was sind die Urschen des Konflikts? Parallelen zu Libyen tun sich auf.

Soldaten aus dem Norden und dem Süden Sudans kämpfen um die Stadt Abyei.
(Foto: picture alliance / dpa)
Zumeist wird der Sudan vergessen, wenn es um die Umbrüche im arabisch-nordafrikanischen Raum geht. Dabei ist die Lage dort potentiell am bedrohlichsten. Zum Konflikt zwischen dem Norden und dem Süden gesellt sich ein innerer im Norden zwischen Machthaber Omar al-Baschir und dessen einstigen "spiritus rector" Hassan al-Turabi, der kürzlich aus dem Gefängnis entlassen worden war. Al-Turabi ruft seine Anhänger zu Aktionen ähnlich denen andernorts in Maghreb und Nahost auf. Dann ist da noch die Unruheprovinz Darfur. Und: Nach dem umstrittenen Sieg eines als Kriegsverbrecher Gesuchten bei den Gouverneurswahlen in der Ölprovinz Dschanub Kurdufan droht der Konflikt um die zu Dschanub Kurdufan gehörende Region Abyei auf die gesamte Provinz überzugreifen.
Blutige Kämpfe in Abyei
Abyei war vom Referendum über die Unabhängigkeit des Südens im Januar ausgenommen worden, weil sich das Regime im Khartum und die im Süden herrschende Südsudanesische Befreiungsbewegung (SSLM) nicht einigen konnten, ob das Gebiet zum Norden oder zum Süden zählt. Nach dem – durch ein Abkommen zwischen beiden Seiten – verbotenen Einmarsch sudanesischer Regierungstruppen kam es zu blutigen Kämpfen. Es ist kaum zu erwarten, dass der Norden seine Truppen wieder abzieht, wie es der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen fordert. Die vor Ort stationierten UN-Blauhelme aus mehr als 60 Staaten waren – wieder einmal – nicht in der Lage die Zusammenstöße zu verhindern. Gleiches gilt für die Mission der Afrikanischen Union, die aus 3000 Mann besteht.
Vordergründig geht es um Weideland, das die sudanarabischen Nomaden für sich beanspruchen, und das die christlich-animistischen Sesshaften der Nuba-Volksgruppe ihnen streitig machen. Tatsächlich geht es wie in ganz Dschanub Kurdufan und im Sudan überhaupt um Erdöl.
USA unterstützen den Süden
Das erklärt auch die bis auf den Tag andauernde Unterstützung der USA für die im Süden herrschende SSLM, der sich die EU durch ihren jüngsten Beschluss über Finanzhilfen angeschlossen hat. Zweifellos vollzieht sich der Konflikt vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Religionen des ethnisch arabischen Nordens und des schwarzafrikanisch-nilotischen Südens. Ursache ist dies gleichwohl nicht, allenfalls Hintergrund.
Am 9. Juli soll die Trennung der beiden Landesteile vollzogen sein. Es wäre dies nach der Separation Eritreas von Äthiopien die zweite Änderung der Landkarte Afrikas. Laut Gründungscharta der Organisation für Afrikanische Einheit sollten die Grenzen so bestehen, wie sie – wenngleich ungerechten willkürlich – auf der Berliner Konferenz von 1884/85 festgelegt worden waren. Die Spannungen zwischen Eritrea und Äthiopien entladen sich immer wieder in Kämpfen. Ein künftiger Nordsudan verliert gut zwei Drittel seiner Erdölressourcen. Ein dem Westen verbundener Süden gewinnt sie. Parallelen zu Libyen mit den größten Erdölvorkommen Afrikas tun sich auf.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de