Gefürchteter Egoist Was tun, wenn der Chef ein Narzisst ist?
22.02.2022, 10:00 Uhr (aktualisiert)
Ein narzisstischer Chef kann zur Belastungsprobe werden.
(Foto: PantherMedia / Andriy Popov)
Wer egoistisch, empathielos und selbstverliebt ist, bringt es nicht selten im Job weiter als eher unsichere Mitmenschen. Kein Wunder also, dass Narzissten häufiger in Führungspositionen anzutreffen sind. Doch der Umgang mit ihnen gestaltet sich oft enorm schwierig.
Sie halten sich für besser als andere: Narzissten haben ein Talent dafür, sich unbeliebt zu machen. Sympathisch können sie zwar auch sein, dann aber ist das nur kurzfristig der Fall und meist, weil sie einen persönlichen Nutzen aus diesem Verhalten ziehen wollen. Für die Zufriedenheit der Mitarbeiter ist jedoch ein gutes Verhältnis zum Vorgesetzten von enormer Bedeutung. Aber ist eine angenehme Arbeitsatmosphäre überhaupt möglich, wenn der Chef eine narzisstische Persönlichkeitsstörung hat?
So ticken narzisstische Chefs
Bei krankhaftem Narzissmus handelt es sich um eine Persönlichkeitsstörung. Der Narzisst fühlt sich seinen Mitmenschen in jeder Hinsicht überlegen. Deswegen verhält er sich oft egoistisch, empathielos, selbstverliebt und ist extrem leistungsorientiert. Für ihn sind andere Menschen im Prinzip nur ein Mittel, um eigene Ziele zu erreichen. Er betrachtet sich selbst als besonders fähig und genial, womit er in seiner Welt eine Sonderstellung im Vergleich zu anderen Menschen einnimmt.
Im Berufsleben fallen Narzissten mit gezielten Manipulationen oder cholerischen Wutausbrüchen auf. Hat ein Kollege gute Arbeit geleistet, gibt der Narzisst diese gerne als seine eigene Leistung aus. Wenn er jedoch selbst einen Fehler gemacht hat, weigert er sich, die Verantwortung dafür zu übernehmen. Wer dessen Meinung nicht teilt, wird zum Feind. In manchen Fällen verhält sich der Narzisst extrem respektlos und mobbt seine Mitarbeiter. "Wenn ein Chef narzisstisch ist, dann zählt man für ihn als Mensch gar nicht, sondern man ist wie eine Figur auf einem Schachbrett, die eigentlich nur hin und her geschoben wird", sagt er ärztliche Direktor der psychiatrischen Kliniken und Chefarzt der I. und III. Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in der Asklepios Klinik Nord in Ochsenzoll, Claas-Hinrich Lammers, gegenüber ntv.de.
Hinter seiner scheinbar grenzenlosen Selbstverliebtheit verbirgt sich in der Regel jedoch ein schlechtes Selbstwertgefühl. Deswegen sind Narzissten auch äußerst anfällig für Kritik und leiden unter einer ausgeprägten Versagensangst. Sie brauchen daher viel Lob und Bestätigung von ihrem Umfeld.
Wie mit einem Narzissten im Job umgehen?
"Viele Mitarbeiter von solchen Menschen leiden. Den Versuch, ihn zu ändern, kann man von vornherein vergessen", betont Lammers. Es gibt jedoch Möglichkeiten, das Arbeitsleben mit einem narzisstischen Arbeitgeber erträglicher zu gestalten. Dabei hilft vor allem eine klare Kommunikation, wie der Psychiater und Autor des Buchs "Die perfiden Spiele der Narzissten", Dr. Pablo Hagemeyer gegenüber ntv.de betont: "Man sollte keine Angst davor haben, mit diesen Personen in Kontakt zu treten. Gerade Narzissten neigen dazu, sehr vage zu sprechen. Das ist eine Strategie, das Opfer zu verwirren und immer in die Abwehr zu bringen. Da ist es sehr hilfreich, klar zu kommunizieren". Die Mitarbeiter sollten narzisstischen Chefs bei Projekten also immer das konkrete Ziel und den geplanten Weg dorthin nennen. Auch sollte man es Hagemeyer zufolge unterlassen, den Narzissten im Unklaren zu lassen: "Wenn man krank ist, sagt man, dass man krank ist und nachhause geht. Also nicht einfach nur verschwinden. Die narzisstischen Vorgesetzten und Mitarbeiter nutzen alles aus, um einem eins reinzuwürgen", warnt er. Weiterhin hilft auch die Spiegeltaktik im Umgang mit Narzissten weiter: "Man sollte sich in der Arbeit ruhig selbst ein bisschen narzisstisch sichtbarer machen – also nicht zerstörerisch, sondern selbstbewusst. Der Selbstwert ist entscheidend. Man sollte an seinem eigenen arbeiten und sich nichts vormachen lassen. Das heißt auch, weniger ängstlich sein und Dinge tun, die unangenehm sind", sagt Hagemeyer.
Feedback geben? Ja, aber mit Vorsicht!
Mit ehrlichem Feedback oder Kritik erreicht man bei Narzissten kaum etwas. Im schlimmsten Fall bekommen sie einen Wutanfall oder schlagen verbal umso härter zurück, indem sie zum Beispiel ihren Kritiker vor den anderen bloßstellen. Mit der Zeit verlassen infolge dieses Verhaltens besonders kritische Mitarbeiter die Firma oder werden gekündigt. Ohne Gegenstimmen kommt es aber auch nicht mehr zu hilfreichem Feedback. Die Gefahr einer Insolvenz steigt, wenn ein Unternehmen nicht dazu bereit ist, Fehler einzuräumen und sich zu verbessern.
Ist man sich jedoch sicher, dass der Narzissmus beim Gegenüber nicht so stark ausgeprägt ist, kann ein vorsichtiges Feedback angebracht werden. Dabei sollte unbedingt von anklagenden Aussagen abgesehen werden. Stattdessen steht im besten Fall das eigene Gefühl im Vordergrund, das durch das Fehlverhalten des Chefs oder des Kollegen ausgelöst wurde. Danach sollte auf das Verhalten oder die Situation eingegangen werden, die für die Emotion verantwortlich ist. Mutige bringen zu guter Letzt ihre Änderungswünsche hervor. Das kann in etwa so aussehen: "Ich habe mich gekränkt gefühlt, als du vor allen anderen so schlecht von mir und meiner Projektidee gesprochen hast. Ich würde dich bitten, das in Zukunft zu unterlassen."
Fängt der Chef an, wieder wahllos zu kritisieren, sollte nicht weiter darauf eingegangen werden. "Wenn man mit ihm zusammenarbeiten will, sollte man auf reine Vernunft schalten und gar nicht emotional auf die Kritik eingehen. Stattdessen ist es hilfreich, die Themen sachlich zu bearbeiten damit man nicht in schwierige Auseinandersetzungen kommt. Die wird man per se nicht gewinnen", erklärt der Psychiater. Stattdessen ist es klug, die Kommunikation auf die zu lösenden Aufgaben im Job zu lenken. Dabei helfen Fragen wie: "Was genau soll ich tun?" oder "Wie hilft uns das (die Kritik) jetzt bei dem konkreten Problem weiter?" Man hat auch noch die Möglichkeit, sich mit anderen Mitarbeitern zu solidarisieren: "Es gibt einzelne Fälle, in denen narzisstische Chefs abserviert wurden, indem die gesamte Belegschaft mit Kündigung gedroht hatte", erzählt Lammers. Eine einzelne Auseinandersetzung gewinnt man in der Regel kaum. Leidet man enorm unter dem Vorgesetzten, ist es nach Aussagen des Experten besser zu kündigen. Schon der eigenen seelischen Gesundheit zuliebe, denn einen Narzissten wird niemand ändern können.
(Dieser Artikel wurde am Sonntag, 20. Februar 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, imi
