Berlin & BrandenburgErstaufnahmeeinrichtungen in Brandenburg schwach ausgelastet

Auf der Flüchtlingsroute über Belarus schienen noch vor Monaten viele Menschen Zuflucht auch in Brandenburg zu suchen. In der Belegung der Erstaufnahmeeinrichtungen schlägt sich das jedoch nicht nieder - Anlass für Kritik der Landtagsopposition am Innenminister.
Potsdam (dpa/bb) - Die Brandenburger Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge sind zum Jahreswechsel nur etwa zu einem Fünftel belegt gewesen. Wie das Innenministerium auf eine Anfrage der Linke-Abgeordneten Andrea Johlige mitteilte, waren am Jahresende 2021 in den Einrichtungen 757 Männer und Frauen untergebracht. Zuvor hatten darüber die Zeitungen "Der Prignitzer" und "Nordkurier" berichtet. In der Erstaufnahme Eisenhüttenstadt und in den Außenstellen in Frankfurt/Oder, Wünsdorf (Kreis Teltow-Fläming) sowie Doberlug-Kirchhain (Kreis Elbe-Elster) gab es Ende 2021 rund 3600 Plätze.
Innenminister Michael Stübgen (CDU) hatte im Herbst mehrfach vor einer steigenden Zahl von Flüchtlingen aus Polen gewarnt, die über die Belarus-Linie nach Brandenburg kämen. Ihre Zahl war zwischenzeitlich überdurchschnittlich hoch gewesen, ging dann aber wieder zurück.
Die Bundespolizei registrierte im Januar 176 unerlaubte Einreisen, wie sie am Dienstag mitteilte. Im Oktober des vergangenen Jahres lag die Zahl bei 2791 und im November mit 1592 noch auf hohem Niveau, bevor im Dezember mit 394 Fällen ein deutlicher Rückgang verzeichnet wurde.
Johlige warf Stübgen vor, er habe die Flüchtlingszahlen im Herbst politisch dramatisiert. "Die Zahlen zeigen nun, dass von einer Überforderung von Land und Kommunen durch einen Flüchtlingszustrom keine Rede sein kann", sagte die Landtagsabgeordnete, die flüchtlingspolitische Sprecherin ihrer Fraktion ist.
Stübgens Sprecher, Martin Burmeister, wies die Kritik zurück. Der Minister habe lediglich darauf hingewiesen, dass die Kommunen in ihrer Aufnahmekapazität nicht überlastet werden dürften, sagte Burmeister auf Anfrage. Daher habe Stübgen mehrfach gefordert, dass der Machthaber von Belarus in seinem Treiben, Flüchtlinge gezielt in Richtung EU zu schleusen, gestoppt werden sollte. "Von einer Dramatisierung kann dabei keine Rede sein."
Johlige kritisierte auch die geringe Zahl der afghanischen Ortskräfte, die bisher nach Deutschland gekommen seien. Die Bundesregierung hatte angekündigt, mehrere tausend Ortskräfte, die wegen ihrer Hilfe für die Bundeswehr und andere deutschen Institutionen nach Rückkehr der Taliban gefährdet sind, nach Deutschland auszufliegen. Wie die Abgeordnete auf eine weitere Anfrage vom Innenressort erfuhr, hatten bis Ende 2021 lediglich 4 Ortskräfte mit ihren 13 Familienangehörigen ein Aufenthaltsrecht in Brandenburg aus humanitären Gründen erhalten. Auch darüber hatten die beiden Zeitungen zuvor berichtet.
Der Bund lege den Begriff einer Ortskraft sehr eng aus, sagte Johlige der dpa. "Praktisch werden nur jene Helfer erfasst, die für die Bundeswehr gearbeitet haben, nicht aber für andere deutsche Institutionen." Der Bund lasse viele afghanische Helfer nun allein.
Die 17 Afghanen waren im August vergangenen Jahres mit weiteren 249 Menschen aus ihrem Heimatland nach Brandenburg ausgeflogen und von der hiesigen Ausländerbehörde registriert worden. Unter ihnen befanden sich laut Innenministerium 120 Ortskräfte mit Angehörigen, von denen 103 nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel auf andere Bundesländer verteilt wurden. 146 Afghanen, die als nicht besonders gefährdet gelten, seien lediglich aufgrund einer Zusage des Innenministers in Brandenburg, hieß es. Derzeit befänden sich von ihnen noch 126 in der Mark.
Zwei weitere Afghanen ohne Anerkennung als Ortskräfte sind laut Innenministerium zu Familienangehörigen in Sachsen-Anhalt ausgereist; 17 haben Unterkünfte der Brandenburger Erstaufnahmestelle für Asylbewerber mit unbekanntem Ziel verlassen. Bis Ende 2021 hatten den Angaben zufolge 123 Afghanen einen Asylantrag gestellt.
Laut Bundesregierung waren bis Ende 2021 rund 5000 Menschen aus Afghanistan nach Deutschland gekommen. Weitere 28.000 warteten noch auf ihre Ausreise.