Hamburg & Schleswig-Holstein Rot-Grün über ÖPNV- und Radwegebau einig: Streitpunkte offen
17.05.2020, 20:29 Uhr
(Foto: Christian Charisius/dpa/Archivbild)
SPD und Grüne wollen eine Mobilitätswende in Hamburg. Bei ihren Koalitionsgesprächen einigen sie sich darauf, den Bahn-, Bus- und Radverkehr zu fördern. Aber was wird aus dem wichtigen Autobahnprojekt A26-Ost, den Autos in der City und dem Flughafen?
Hamburg (dpa/lno) - Bei ihren Koalitionsverhandlungen haben sich die Hamburger SPD und die Grünen auf einen deutlichen Ausbau des Bus-, Bahn- und Radverkehrs verständigt. In den drei größten Streitpunkten beim Thema Verkehr - der Autobahn A26-Ost, der weitgehend autofreien Innenstadt und der Entwicklung des Flughafens - erzielten die Vertreter beider Parteien aber noch keine Einigkeit. Das gaben die Fraktionsvorsitzenden Dirk Kienscherf (SPD) und Anjes Tjarks (Grüne) nach einer siebenstündigen Verhandlungsrunde am Sonntag bekannt.
"Wir haben beraten, diese Beratungen sind auch gut vorangekommen, das Ganze wird aber unter dem Thema Wirtschaft letztlich präsentiert werden", sagte Kienscherf zur A26-Ost, der geplanten Autobahnverbindung zwischen der A7 und der A1 im Süden Hamburgs. Tjarks ergänzte: "Wir sind auch noch nicht fertig, wir haben noch drei, vier, fünf offene Punkte in dem Bereich." Die Frage eines möglichen Flughafenausbaus solle ebenfalls beim Thema Wirtschaft in der kommenden Woche erörtert werden. Die Forderung der Grünen nach einer weitgehend autofreien Innenstadt soll beim Thema Stadtentwicklung am Montag zur Sprache kommen.
Beide Fraktionschef lobten die konstruktive Atmosphäre bei den Verhandlungen. "Insgesamt aus unserer Sicht ein guter Tag", resümierte Kienscherf. "Wir haben das gemeinsame Ziel, diese Mobilitätswende in Hamburg hinzukriegen." Tjarks betonte, "dass wir sehr intensiv gerungen haben, aber über fast alle Teile auch sehr konstruktiv".
Beide Parteien vereinbarten, die S- und U-Bahn auszubauen. Die U4 soll von den Elbbrücken über den Grasbrook bis ins nördliche Wilhelmsburg verlängert werden. Eine Trasse dafür soll untersucht und gesichert werden. SPD und Grüne wollen sich auch für den Ausbau des Hauptbahnhofs und den Bau des neuen Bahnhofs Altona am Diebsteich einsetzen. Die Überlegungen für den sogenannten Ferlemann-Tunnel begrüßten beide Seiten. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Enak Ferlemann, hatte vorgeschlagen, die S-Bahnstrecke zwischen den beiden großen Bahnhöfen in einen Tunnel zu verlegen.
Das von der SPD angestrebte vergünstigte Jahresticket für Auszubildende soll bis Ende des Jahres kommen, wie Kienscherf sagte. Auch der Einstieg in das Schülerticket sei vereinbart. Den Radwegebau wollen beide Parteien beschleunigen. In einem ersten Schritt sollen doppelt so viele Kilometer wie bisher pro Jahr geschaffen werden, das heißt 60 bis 80 statt 30 bis 40 Kilometer. In einem zweiten Schritt würden dann jährlich 100 Kilometer gebaut werden, sagte Tjarks. Kienscherf fügte hinzu, dass es dabei aber auch um die Renovierung alter Wege gehe. Pro Jahr soll es nach den Worten von Tjarks einen Verkehrsversuch wie die autofreie Zone im Stadtteil Ottensen geben.
Wirtschaftsverbände hatten vor der Verhandlungsrunde an beide Parteien appelliert, die Verkehrsinfrastruktur Hamburgs weiterzuentwickeln. "Zu den seit langem notwendigen Vorhaben zählt eine klares Go für die Hafenquerspange (A26-Ost), zügige Planungen für eine neue Köhlbrandquerung, ein leistungsfähiger ÖPNV, keine weiteren Einschränkungen des Flugbetriebes in Fuhlsbüttel", erklärte UVNord-Präsident Uli Wachholtz. Der Landesvorsitzende des CDU-Wirtschaftsrates, Henneke Lütgerath, erklärte, er vermisse bei den Grünen die Bereitschaft, den Wirtschaftsstandort Hamburg angesichts der Corona-Krise abzusichern.
Beide Parteien wollen die Regierungsbildung noch vor der Sommerpause der Bürgerschaft, also vor Ende Juni, abschließen. SPD und Grüne bilden in der Hansestadt seit 2015 eine gemeinsame Regierung, bis 2018 unter Bürgermeister Olaf Scholz und seitdem unter Peter Tschentscher. Bei der Bürgerschaftswahl im Februar war die SPD trotz Verlusten mit 39,2 Prozent erneut stärkste Kraft geworden. Die Grünen konnten mit 24,2 Prozent ihr Ergebnis von 2015 fast verdoppeln.