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Hessen"Eiserne Lady": Frühere hessische FDP-Chefin Ruth Wagner tot

30.12.2025, 15:01 Uhr
Nach-langer-politischer-Karriere-ist-die-hessische-FDP-Politikerin-Ruth-Wagner-im-Alter-von-85-Jahren-gestorben
(Foto: Arne Dedert/dpa)

Eine "hessische Löwin" mit "klarem Kompass", wie FDP-Fraktionschef Naas formuliert, ist gestorben. Lange Jahre hat Ruth Wagner die hessische FDP einst geprägt. Wie reagiert die Landespolitik?

Darmstadt/Wiesbaden (dpa/lhe) - Hessens ehemalige FDP-Chefin, Wissenschaftsministerin und Vizeregierungschefin Ruth Wagner ist tot. Sie wurde 85 Jahre alt. Das bestätigte der FDP-Landesverband der Deutschen Presse-Agentur. Der heutige FDP-Landesvorsitzende Thorsten Lieb würdigte Wagner als "eine große Liberale, die sich durch ein herausragendes Maß an Standhaftigkeit auszeichnete". Als sie 2008 die erste Reihe der Politik verlassen habe, sei sie als "Eiserne Lady Hessens" bezeichnet worden.

Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) nannte die Ehrenvorsitzende der hessischen FDP eine "loyale Demokratin und überzeugte Liberale". Mit ihr verliere Hessen eine herausragende Politikerin. "Mit klarer Haltung, großer Sachkenntnis und persönlicher Integrität hat sie sich für die Demokratie eingesetzt", ergänzte Rhein.

Ruth Wagner hatte etliche Posten. Für die FDP war sie Vizepräsidentin des Landtags, Fraktionschefin in Hessen, Mitglied im Bundesvorstand - und auch Stadtverordnete in Darmstadt.

Als Wagner 1978 erstmals in den Wiesbadener Landtag einzog, regierte dort noch eine sozialliberale Koalition unter SPD-Ministerpräsident Holger Börner. Später folgten für die hessischen Freidemokraten Jahre der Opposition. Als die FDP 1987 wieder unter ihrem damaligen Landeschef Wolfgang Gerhardt in die Regierung einzog, tat sie das an der Seite der CDU. Als Stellvertreterin Gerhardts - und von 1995 bis 2005 als dessen Nachfolgerin - verteidigte Wagner stets die Ausrichtung ihrer Partei auf ein bürgerliches Bündnis.

1999 sicherte sie dem Christdemokraten Roland Koch (CDU) die Wahl zum Ministerpräsidenten - trotz dessen auch in der FDP umstrittenen Doppelpass-Kampagne. In Kochs Kabinett übernahm die gelernte Lehrerin und begabte Hobby-Malerin 1999 ihr Wunschressort Kunst und Wissenschaft. Zudem war sie - ebenfalls von 1999 bis 2003 - Stellvertreterin des Ministerpräsidenten.

Ruth Wagner wollte nicht "am Katzentisch" Platz nehmen

Ruth Wagner stützte Koch - gegen das Drängen der liberalen Bundesspitze - während der damaligen CDU-Schwarzgeldaffäre. Doch 2003 schlug sie sein Angebot aus, trotz absoluter CDU-Mehrheit in der Regierung zu bleiben: Die FDP nehme nicht "am Katzentisch" Platz, betonte sie damals.

Auf jene Jahre spielte Ex-Ministerpräsident Koch nun wohl an, als er Wagner eine "Frau mit Haltung" nannte und ergänzte: "Ich persönlich habe ihrem Vertrauen und ihrer Standfestigkeit sehr viel zu verdanken."

Jahrzehntelang war Wagner Mitglied der FDP gewesen. Fast 30 Jahre lang war die Politik ihr Beruf. Später engagierte sie sich in zahlreichen Vereinigungen ehrenamtlich. So war sie etwa Vorsitzende der Kommission zur Geschichte der Juden in Hessen, Vorsitzende des Kunstvereins Stadt Darmstadt und Kuratoriumsvorsitzende des Kulturfonds Rhein-Main.

Kind des Zweiten Weltkrieges

Geboren worden war Ruth Wagner 1940, mitten im Zweiten Weltkrieg, in Wolfskehlen in Südhessen. Sie studierte Germanistik, Geschichte und Politikwissenschaft, schließlich arbeitete sie als Lehrerin an einem Gymnasium in Darmstadt. Sie bekam zahlreiche Auszeichnungen wie etwa das große Bundesverdienstkreuz und die hessische Wilhelm-Leuschner-Medaille.

FDP-Fraktionschef Stefan Naas betonte: "Ruth Wagner war eine hessische Löwin, resolut und mit einem klaren Kompass." Die Freidemokratin sei eine "exzellente Lehrerin und eine große Anwältin für die Freiheit" gewesen.

Laut Landtagspräsidentin Astrid Wallmann (CDU) lag der langjährigen Parlamentarierin Wagner nicht nur ihre Darmstädter Heimat, die Wissenschaft, die Bildung, die Kunst und die Kultur am Herzen, sondern auch die Vermittlung der jüdischen Geschichte in Hessen.

"Leidenschaftliche Streiterin für Kultur- und Wissenschaftsfreiheit"

Wissenschaftsminister Timon Gremmels (SPD) betonte: "Mit Ruth Wagner verlieren wir eine leidenschaftliche Streiterin für die Kultur- und Wissenschaftsfreiheit. Werte, die heute immer häufiger wieder infrage gestellt werden. Diese Freiheiten gilt es auch in ihrem Namen zu schützen."

SPD-Fraktionschef Tobias Eckert nannte Wagner "eine standfeste Demokratin, für die Freiheit noch mehr war als persönlicher Egoismus und Respekt mehr als eine Floskel". Grünen-Fraktionsvorsitzender Mathias Wagner bezeichnete sie als "eine Demokratin von ganzem Herzen und mit vollem Engagement, die auch schwierigen und streitbaren Entscheidungen nicht aus dem Weg gegangen ist".

Quelle: dpa

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