HessenNoch wenige Tage bis zum "HUxit" - Hanau wird eigenständig

Die Brüder-Grimm-Stadt verlässt den Main-Kinzig-Kreis. Warum das ein Novum in Hessen ist und welche Veränderungen das für die Region bringt.
Hanau (dpa/lhe) - Am 1. Januar 2026 verlässt die Stadt Hanau den Main-Kinzig-Kreis und wird eigenständig. Diese bedeutende Veränderung in der kommunalen Struktur Hessens wurde bereits im Juni 2022 auf den Weg gebracht, als die Stadt Hanau und der Main-Kinzig-Kreis ihre grundlegende Einigung über die Neuordnung erzielten. "HUxit" wird der Schritt Hanaus mitunter humorvoll genannt – in Anspielung auf den Brexit und das Hanauer Autokennzeichen HU.
Was verspricht sich Hanau von der Kreisfreiheit?
Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) spricht von einer "epochalen Entscheidung", von der man sich mehr Bürgernähe sowie einen Image- und Bedeutungsgewinn für die Stadt verspreche. Bislang komme Hanau in vielen Statistiken nicht vor und werde nicht in ihrer eigentlichen Bedeutung wahrgenommen. Die künftige Eigenständigkeit sei wichtig, damit sich Hanau im Rhein-Main-Gebiet behaupten könne.
Was ist das Besondere an dem Schritt aus hessischer Sicht?
Es ist das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg, dass eine vormals kreisangehörige Stadt in dem Bundesland eigenständig wird. Hessen wird damit vom 1. Januar 2026 an sechs statt bisher fünf kreisfreie Städte haben. Die anderen sind: Frankfurt, Wiesbaden, Kassel, Darmstadt und Offenbach.
Welche Auswirkung hat der Streit um Hanaus Einwohnerzahl?
Für den "HUxit" spielt es keine Rolle, ob Hanau eine Großstadt mit 100.000 Einwohnern ist oder nicht. Über die Einwohnerzahl gibt es einen Streit zwischen der Stadt und dem Statistischen Landesamt, der derzeit vor Gericht ausgetragen wird. Das Gesetz, das die sogenannte Auskreisung regelt, wurde im vergangenen Februar vom hessischen Landtag mit breiter Zustimmung der Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und FDP verabschiedet. Die AfD enthielt sich. Hanau ist laut diesem Gesetz von einer erst 2019 eingeführten Mindestzahl von 100.000 Einwohner für eine Kreisfreiheit ausgenommen, da der Antrag der Stadt bereits vor der Gesetzesänderung gestellt worden war.
Was ändert sich in Hanau?
"Wir agieren schon lange wie eine kreisfreie Stadt", sagte Kaminsky kürzlich dem "Hanauer Anzeiger" und verwies auf Aufgaben wie Schulträgerschaft, Jugendhilfe und Bauaufsicht. Dennoch bringt die Kreisfreiheit zahlreiche neue Verwaltungsaufgaben mit sich. Die Stadt verspricht sich eine "Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik aus einem Guss". Die organisatorischen Veränderungen und Neuerungen umfassen etwa das Jobcenter Hanau, die Schaffung eines eigenen Veterinäramtes, die Übernahme der Verantwortung für den Katastrophenschutz und das neue Sozialamt. Das zuständige Polizeipräsidium Südosthessen hat bereits reagiert und den Polizeistandort Hanau aufgewertet.
Wie steht der Main-Kinzig-Kreis zu dem Abschied?
Landrat Thorsten Stolz (SPD) hat von Anfang an erklärt, dass der Main-Kinzig-Kreis das Streben Hanaus nach Eigenständigkeit nicht blockieren, sondern konstruktiv begleiten wolle. Er betont die enge Partnerschaft beider Kommunen als "zwei starke Partner für die Region". Kooperationen, Verkehrsplanung und regionale Projekte müssen teils neu organisiert werden. Einige Kreisbehörden müssen ihre Zuständigkeiten anpassen. Der Kreis erhält weniger Einnahmen aus der Kreisumlage, hat aber im Gegenzug auch geringere Ausgaben für Aufgaben, die jetzt Hanau übernimmt. Traditionell orientiert sich die Westhälfte des Kreises ebenso wie Hanau in Richtung Frankfurt, während der östliche Teil nach Fulda blickt.
Bleibt der MKK der bevölkerungsreichste Kreis Hessens?
Nein, den Spitzenplatz kann der Main-Kinzig-Kreis ohne Hanau nicht mehr halten. Mit rund 320.000 Einwohner wird der Kreis auf Rang zwei rutschen. Neue Nummer eins wird der Kreis Offenbach mit rund 357.000 Einwohnern. Auf Rang drei hinter OF und MKK folgt der Wetteraukreis mit etwa 310.000 Einwohnern.
Was sagt das Innenministerium zur Zukunft des verkleinerten MKK?
Das hessische Innenministerium sieht den MKK mit seiner Kreisstadt Gelnhausen für die Zukunft gut aufgestellt. Die Struktur des Kreisgefüges werde mit der Ausgliederung Hanaus künftig ausgewogener, was den mittleren Städten und ländlichen Gemeinden zugutekomme, da deren Belange verstärkt berücksichtigt werden könnten, erklärte das Ministerium.
Und wie bewertet das Innenministerium Hanaus Situation?
Das Innenministerium hat die Auskreisung Hanaus unterstützt. Die Stadt sei wegen "ihrer Größe, Wirtschafts- und Verwaltungskraft" dem Main-Kinzig-Kreis entwachsen. Durch die Eigenständigkeit könne Hanau an seine "historische Bedeutsamkeit und frühere Kreisfreiheit anknüpfen".
Gibt es auch Kritik an dem Schritt?
Ja. Der Bund der Steuerzahler (BdSt) Hessen kritisiert unnötige Doppelstrukturen und Mehrkosten, die nach seiner Ansicht durch die Auskreisung entstehen. BdSt-Vorstand Jochen Kilp sprach von einer völlig aus der Zeit gefallenen Kleinstaaterei. Nun stehe zu befürchten, dass auch andere kreisangehörige Städte auf den Geschmack gebracht werden könnten.
Plant Hanau eine besondere Feier in der historischen Silvesternacht?
Fanfarenstöße oder ein spektakuläres Feuerwerk zur neuen Eigenständigkeit wird es in Hanau in der Nacht zum 1. Januar nicht geben. Die Stadtverwaltung gibt sich betont nüchtern-geschäftsmäßig.
Gibt es eine territoriale Besonderheit durch die Auskreisung Hanaus?
Die gibt es tatsächlich. Die zum MKK gehörende Gemeinde Großkrotzenburg südlich von Hanau wird künftig zu einer Art Exklave. Im Norden grenzt die gut 7.000 Einwohner zählende Gemeinde an das kreisfreie Hanau, im Süden und Osten an den bayerischen Landkreis Aschaffenburg und im Westen an den Landkreis Offenbach.